Der Beschützerinstinkt

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TW: explizite Erwähnung körperlicher Gewalt, Blut

Felix Pov:

Die Worte, die Jisung unter Tränen hervorbrachte waren grauenhafter, als all das, was ich mir hatte vorstellen können. Selbst ich war geschockt von der Skrupellosigkeit Yoon-woos und eine eisige Kälte erfasste meinen Körper, als ich verstand, was dies bedeutete.

Jisung würde sterben. Wir konnten ihm nicht helfen. Wir würden hilflos zusehen müssen, wie er starb. Genau wie bei unserer Schwester. Wir waren machtlos.

Ich zitterte und bemühte mich, nicht vollkommen die Fassung zu verlieren. Fast panisch blickte ich zu meinem Bruder und allein seine Verzweiflung und seine Tränen zu sehen, tat mehr weh, als körperliche Verletzungen es je tun würden.

Doch gerade jetzt, fiel mir keine Möglichkeit ein, seine Qual zu lindern. Es gab nichts, was ich- wir tun konnten. Da war nur noch Leere und Angst. Unfassbare Angst.

Ich hielt meinen Bruder fest, versuchte ihn zu stützen und ihm irgendwie beizustehen, auch wenn ich rein gar nichts ausrichten konnte. Auch meine Augen füllten sich langsam mit Tränen und ich sah hinüber zu Jisung. Dieser kniete noch immer vor Yoon-woo und starrte apathisch auf den Boden vor sich. Die Tränen liefen einfach stumm über seine Wangen, so als würde er sich bereits auf das Unvermeidliche vorbereiten. Er zitterte und schien sogar zu schwach zu sein, um den Blick zu heben.

Doch plötzlich strafften sich seine Schultern, ruckartig riss er seinen Kopf nach oben und suchte mit seinem Blick Minho und schon sprudelten die Worte aus ihm heraus.

„Minho. Er hat ein Gegengift", stieß er schnell hervor und versuchte sich zeitgleich aus dem Griff unseres Feindes zu winden. Man sah die Schmerzen, die es ihm bereitete, doch sein Wille war stark und er versuchte es immer wieder. Doch sein Peiniger griff nur fester in sein Haar und zog Jisungs Kopf noch höher, bis man ein gequältes Wimmern hörte.

Mein Herz verkrampfte sich bei diesem Laut und gleichzeitig keimte in mir eine kleine Hoffnung. Wir mussten es schaffen, Jisung das Gegenmittel zu geben. Ich fokussiert mich auf unseren Feind und sah dann eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Chan und Changbin waren so gut wie lautlos durch den zweiten Eingang ins Gebäude gelangt und befanden sich jetzt direkt hinter Jisung und Yoon-woo. Doch bevor ich weiter nachdenken konnte, drang bereits die eiskalte Stimme des Letzteren zu uns herüber.

„Natürlich habe ich ein Gegengift. Aber ihr dürft jetzt alle zusehen, wie ich es schlucke." Sein Griff in Jisungs Haare festigte sich. Seine zweite Hand steckte den Dolch weg und er zog eine kleine Phiole aus der Innentasche seines dunklen Hemdes. Er hob sie auf Augenhöhe und lächelte böse.

Wie von selbst lief ich los. Ich erkannte Chan, der bereits dicht hinter unserem Feind war und nun ebenfalls loslief und vor mir bei diesem anlangte. Eisern schlang er seine Arme von hinten um den Oberkörper Yoon-woos, sodass dieser seinen Arm nicht weiter heben konnte. Für einen Augenblick schien unser Feind tatsächlich überrascht und ließ Jisung los, der ohne den Halt einfach zur Seite kippte. Ich überwand den letzten Meter, sprang Yoon-woo fast an, packte beherzt den Arm dieses Monsters und versuchte, ihm die Phiole zu entreißen.

„Das wirst du nicht schaffen Felix." Immer noch triefte seine Stimme vor Hohn und meine Bemühungen wurden nur noch verzweifelter. „Wenn ich es schon nicht nehmen kann, dann bekommt es keiner." Erbarmungslos umschloss er die zerbrechliche Glasflasche und wollte sie offenbar zerdrücken. Ich klemmte meine Finger gerade noch so zwischen seine und war krampfhaft bemüht, seine Faust wieder zu öffnen. Doch ich schaffte es einfach nicht...er war zu stark.

„Felix!" Wie aus dem Nichts war Minho neben mir aufgetaucht. Schneller als ich sehen konnte, hatte er sein Schwert gehoben und ließ es auf Yoon-woos Unterarm niederfahren. Ein unangenehmes Knacken ertönte, als er die beiden Knochen mit einem Hieb durchtrennte. Geistesgegenwärtig hielt ich die geballte Faust weiter fest, die nun vom Körper gelöst in meiner Hand baumelte. Ich spürte, wie das warme Blut über meinen Arm spritzte, wie es sich in einer kleinen Fontaine auf den Boden und auch auf meine Kleidung ergoss, da ich sehr dicht vor Woo stand.

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt