Überraschungsangriff

2.8K 202 8
                                    

Sofort hielten Felix und ich inne und blickten hinüber zu den zwei Älteren. Beide standen direkt voreinander. Nur, dass Changbin lediglich einen abgebrochenen Rest des Holzschwertes in den Händen hielt und diesen langsam sinken ließ. Minho seufzte kurz frustriert auf und wandte sich zu uns.

„Okay das reicht, wir tauschen jetzt die Partner und probieren es mit den echten Schwertern."

Er warf sein malträtiertes Holzschwert zur Seite und griff nach einem der echten Schwerter, die in einer Halterung an der Wand hingen. Mit der nun deutlich besseren Waffe drehte er sich nun zu Changbin um und ich konnte das Funkeln in seinen Augen erkennen, als er auf den kleineren Dunkelhaarigen zutrat. „Du hast dich übrigens ziemlich gut geschlagen, dafür, dass du so klein bist." Schon wieder grinste der Kronprinz ein wenig fies und wich dann geschickt dem Holzstück aus, dass nach ihm geworfen wurde. Immer noch mit bester Laune, machte er sich auf den Weg zu Felix und mir.

„Dein kleiner Liebling schlägt sich auch sehr tapfer." Felix schlug Minho im Vorbeigehen spielerisch auf die Schulter und ging direkt zu Binnie, um ihn in seine Arme zu ziehen, sein Kinn nach oben zu drücken und ihn kurz aber intensiv zu küssen. „Jetzt darf ich dich zum Schwitzen bringen", raunte der jüngere Prinz ein wenig anzüglich und brachte sich dann in Kampfstellung.

Minho hielt mir nun ebenfalls eines der Schwerter hin, welches ich vorsichtig entgegennahm und in der Hand wog. Es fühlte sich kälter und glatter an, als das Holz. Irgendwie auch vertrauter und sicherer. Ich umgriff es mit einer Hand und hob es an, um mich in Position zu bringen. Drehte meinen Körper etwas seitlich, um keine große Angriffsfläche zu bieten und richtete die Klinge nach vorn.

Dann sah ich meinem Liebsten direkt in die Augen und wartete auf seine erste Attacke. Er stand weniger als drei Meter von mir entfernt und wirkte vollkommen gelassen. Würde er den ersten Schritt machen oder sollte ich ihn zuerst angreifen? Nein, besser nicht. Ich sollte mir zunächst ein Bild von seiner Taktik machen und erst dann ein besser durchdachtes Manöver starten.

Einen Moment später bewegte sich etwas in meinem Blickfeld und automatisch hob ich meine Waffe über meinen Kopf, um den kommenden Angriff abzuwehren. Minho hatte nur wenige Schritte gebraucht und stand nun direkt vor mir. Er hatte sein Schert nur mit einer Hand umfasst und ließ es von oben auf mich herabsausen. Mit einem glockenhellen Geräusch prallten unsere Klingen aufeinander und federten ein wenig zurück.

Verdammt, seine Schläge waren wirklich kräftig und mein Arm erzitterte, als das Metall auf Metall traf. Schnell kippte ich mein Schwert, damit seine Klinge daran abglitt. In dieser Zeit brachte ich wieder mehr Abstand zwischen uns und machte mich auf den nächsten Angriff gefasst.

Dieser ließ nicht lange auf sich warten und erneut parierte ich den Hieb nur. Eine ganze Weile ging dies so weiter. Angriff und Parade, angreifen und ausweichen.

Minho war zwar minimal langsamer als Felix, doch die Heftigkeit und Kraft hinter seinen Schwerthieben machten klar, wer hier das Sagen hatte. Mit jedem weiteren Schwerthieb, wurde seine Stärke und sein Kampfgeist deutlicher. Er war so fokussiert. Achtete darauf, mich keinesfalls zu verletzen aber dennoch schonte er mich auch nicht und schlug mit aller Kraft zu.

Ich konnte nicht anders, ich bewunderte ihn. Alles an ihm. Seine Stärke, die jeden Gegner in die Knie gezwungen hätte. Seine Präzision, die jede seiner Attacken ihr Ziel finden ließ. Seine Rücksicht, die jeden Schlag, der mich hätte treffen können, gekonnt von mir ablenkte.

Seine Strategie und seine Bewegungen waren präzise und er glitt fließend in die nächste Kampfposition. Jede Bewegung war genau durchdacht.

Mittlerweile war ich sogar ein bisschen frustriert. Denn ich konnte ihn höchstens abwehren und ganz selten mal zu einem Gegenangriff übergehen. Der aber immer damit endete, dass der Kronprinz diesen mit Leichtigkeit parierte. Schon wieder folgte ein kurzer Schlagabtausch, den der Ältere heute schon mehrmals verwendet hatte, um mich zurückzudrängen.

Vielleicht wäre das meine Chance. Er nutzte in fast schon regelmäßigen Abständen die gleichen Schlagfolgen. Dies könnte ich nutzten, um ihn zu überraschen und einen seiner Angriffe in einen Gegenschlag zu verwandeln.

Ich unternahm einige kleine Übungsversuche, die eigentlich dazu gedacht waren ihn abzulenken und seine Reaktion zu testen.

Dann kam der richtige Moment. Ich spannte meinen Körper an und wartete auf den folgenden Hieb meines Prinzen.

Wie von mir erwartet, setzte er seinen Fuß weiter nach vorn, streckte sich in meine Richtung und ließ das Schwert auf meine Beine zuschnellen. Doch anstatt wie vorher nach hinten auszuweichen, machte ich einen kleinen Sprung nach vorn. Mitten in meiner Bewegung, drehte ich mein Schwert so, dass es nur mit der flachen Seite an seinem Schenkel auftreffen würde.

Doch dazu kam es gar nicht.

Zentimeter vor dem Aufprall meines Schwertes wurde es auf den Boden gedrückt und ich wurde ruckartig nach vorn gezogen, da ich es immer noch fest umschlossen hielt. Doch jetzt ließ ich den Schwertgriff los. Ich strauchelte und versuchte nicht hinzufallen. Plötzlich war Minho nicht mehr vor mir, wie geplant, sondern rechts neben mir.

Ich hatte mich bereits damit angefreundet, gleich auf dem Boden aufzuschlagen. Tia, mein Manöver war wohl nur halb so gut durchdacht, wie erhofft.

Ein metallisches Klirren ertönte, als ein weiteres Schwert auf dem harten Untergrund auftraf und schon schlangen sich zwei Arme um meine Taille. Sie hielten mich ganz fest und bewahrten mich vor meiner unliebsamen Begegnung mit dem Boden.

„Nicht schlecht Sungie", raunte eine Stimme nahe an meinem Ohr. Augenblicklich zog sich eine kleine Gänsehaut über meinen Nacken und ich spürte das Adrenalin durch meinen Körper rauschen. „Wirklich nicht schlecht, aber du solltest damit rechnen, dass dein Gegner dich täuschen will."

Ein sanfter Kuss auf meinen Hals, ein stärkerer Griff um meine Taille und ich war ihm schon wieder verfallen.

Ich stieß den angehaltenen Atem aus. Ohne Vorwarnung warf ich mich gegen ihn, drehte mich blitzschnell in seinen Armen zog ihn wieder an mich und presste meine Lippen heftig auf seine.

Überrascht von dieser plötzlichen Attacke keuchte Minho in den Kuss und ich schob meine Zunge zwischen seine Lippen, um ihn schmecken zu können. Unsere Lippen rieben hart aneinander und unsere Zungen tanzten, um schnellstmöglich die Kontrolle zu gewinnen. Nur Sekunden später zog ich mich zurück und wich einen Schritt nach hinten.

„Danke für den Tipp mein Prinz." Ich zwinkerte ihm zu.

Zwar war mein Plan grandios gescheitert, doch der Kuss und dieser kleine, überraschende Sieg hatten die Niederlage wieder ausgeglichen.

„Du lernst tatsächlich schnell." Er trat auf mich zu und schlang seine Arme um mich. Seine Augenfunkelten mich bewundert und auch ein wenig verführerisch an. „Ich denke, dass reicht für heute."

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt