EWAN
Schwer atmend schließe ich meine Augen und hoffe das sich die Bilder von Erins berauschtem Gesicht sich endlich verflüchtigen. Sie hat sich mir entgegengebäumt und sich dem Genuss meiner Finger sichtlich hingegeben als dürste sie schon lang danach. In ihren Augen habe ich gesehen, wie sehr sie mehr wollte. Und obwohl sie mich hasst, kann sie nicht genug bekommen. Fast hätte ich meine Fassung verloren und sie einfach dort genommen. Ich musste es mir verbieten. Es war nicht der richtige Zeitpunkt. Leider muss ich mich noch um andere Sachen außer um sie kümmern. Alistair und meine Mutter sind vor einer halben Stunde zurückgekehrt und unterhalten sich in seinem Arbeitszimmer. Deswegen warte ich in der Küche und leere meine Tasse mit einem großen Schluck. Der heiße Kaffee brennt sich meine Kehle hinab in meinem Magen. Das habe ich gebraucht. Grübelnd starre ich aus dem Fenster hinaus. Von hier oben kann ich in der Ferne Loch Ness betrachten. Es sind ein paar Kilometer bis zum Ufer. Meine Familie ist seit Jahrzehnten im Besitz des Landsitzes. Einst Behausung der Jakobiten, die gegen England in den Krieg gezogen sind, nun dies der Duncans. Der erste Herr dieses Hauses übernahm das Schloss nach dem Krieg gegen die Engländer und vererbte es seinem Sohn. So führte dieser die Linie der Duncans fort, bis heute. Nun bin ich der Erbe des Imperiums. Mit meinem Vater geht es seit Jahren bergab. Er ist inzwischen Ende sechzig und ich Anfang dreißig. Er hält keine zehn Jahre mehr durch mit seinem Herz und den vielen Blutverdünnern, die er schluckt. Es steht schlecht um seine Gesundheit.
»Er will dich jetzt sehen«, erklingt Hamishs Stimme aus dem Türrahmen. Nickend schaue ich das letzte Mal hinab auf Loch Ness. Die Landschaft um den berühmten See ist von Tälern und Hügeln geprägt. Endlosen Wiesen und Wäldern. Ich kann mir keinen schöneren Ort der Welt vorstellen, als hier in meiner Heimat.
Meine Schuhe hallen über die polierten Fließen, die das Hausmädchen jeden Tag schrubbt. Auf beiden Seiten der Haustür zweigen sich die Flure vom Hauptflügel ab. Ich nehme den linken von der Tür aus gesehen. Im Westflügel liegt Vaters geräumiges Büro, das mehr einer Bibliothek gleicht. Zwischen meterhohen Schränken mit antiken Büchern, die bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückreichen steht sein schwerer Schreibtisch, hinter dem er sitzt. Ich erkenne die Lehnen seines Rollstuhls hinter seinen Schultern. »Komm rein«, weißt er mich mit kehliger Stimme an. Hinter ihm zeichnet sich die grüne Landschaft durch die hohen Fenster ab. Ich schließe die Tür mit einer Hand und nehme auf dem grünen Sessel vor seinem Schreibtisch Platz. »Ich habe gehört was passiert ist«, brummt er und schiebt mir ein Glas Whisky zu, was ich wortlos entgegennehme und einen Schluck trinke. Der kühle Schnaps brennt sich wie Feuer meine Kehle hinab und wärmt meinen Magen mehr als der heiße Kaffee. Während der Alkohol sich in meinen Knochen breitmacht, breite ich die Beine gelassen aus und lege meinen linken Unterarm auf der Armlehne ab. »Ich kann mir nicht vorstellen, wer es gewesen sein sollte...«, murmle ich konzentriert. Ich habe die Szenarien gestern Nacht in meinem Kopf durchgespielt und habe keinen Schuldigen gefunden. »Mhm« brummt Alistair genervt, »...hast du etwas gesehen was uns eine Fährte liefern könnte?«
Ich schüttle meinen Kopf und starre auf den Boden des leeren Glases zwischen meinen Fingern. »Nein. Ich habe die Leiche nur beseitigen lassen. Kyle und Fergus bringen ihn weg. Sie werden nach Tätowierungen oder ähnlichem suchen«, erkläre ich. Die beiden sind meine engsten Vertrauten. Ich tue nichts ohne sie. Kyle und Fergus sind mit mir aufgewachsen. Sie stammen wie ich aus Familien, die Jahre im Geschäft sind. Kyles Vater hat für Alistair in der Organisation als Vollstrecker gearbeitet. Seine Familie ist unserer auf ewig ergeben. Und Fergus stammt aus Inverness. Wir sind Cousins. Nach dem Tod seiner Eltern ist er bei uns eingezogen und zwei Jahre später mit achtzehn zurück in die Stadt. Nach drei Monaten kam er zurück und hat sich um einen Job bei meinem Vater bemüht. Mom fand die Idee nicht gut. Sie wollte nicht, dass der Sohn ihrer toten Schwester ebenfalls umkommt. Seit Tantes Tod durch einen Auftragsmörder ist sie nicht mehr gut auf die ganze Geschichte zu sprechen. Die Wahrheit ist, dass sie es hasst, was wir tun. Es tief verabscheut. Sie kann daran genauso wenig ändern wie ich. Seit meiner Geburt ist mein Leben vorbestimmt. Manchmal fühle ich mich wie in einer grusligen Bruderschaft, denen ich durch meine Geburt meine Treue geschworen habe. Dabei hatte ich nie eine Wahl. Ich bin behütet aber mit Menschen, die töten würden, aufgewachsen. Das erste mal, das ich eine Waffe hielt war mit neun. Alistair hat mir im Park hinter dem Schloss gezeigt, wie man mit seiner Beretta schießt. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen.
Mein Vater atmet schwer auf und zieht sich das schmale Schächtelchen Tabletten über den Tisch, aus dem er fünf bunte nimmt und sie mit Whisky die Kehle hinunterspült. »Wir sollten diesen Arschgeigen die fressen polieren«, zischt er und knallt die Schachtel zurück auf den Tisch. Er schüttelt sich und verzieht die Lippen angewidert. »Ich hasse diesen Scheiß«, flucht er auf seine Tabletten bezogen. Ein Kommentar spare ich mir, um seinen ohnehin hohen Blutdruck nicht mehr in die Höhe zu treiben. Seit er im Rollstuhl sitzt, ist er mit allem und jedem unzufrieden. Lediglich meine Mutter kann seine schlechte Laune besänftigen. Manchmal ist er so unausstehlich, das ich alle Reisleinen ziehe und mich verpisse, bevor er es an mir auslassen kann.
»Und die Frau in meinem Keller, was ist mit der?«, keift er genervt in meine Richtung, schaut mich mit schmalen Augen an. Seine schwarzen Iriden trotzen nur so vor Boshaftigkeit. Mom ist der Meinung, das kommt von seinen Tabletten, die er dreimal täglich nehmen muss. Sie sagt es seien Nebenwirkungen, doch da bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht redet sie es sich auch nur ein, um besser schlafen zu können. Denn immerhin ist er nicht so zu ihr, sondern immer noch der Alte, wenn er mit ihr spricht. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass er es ist, der die Hosen in ihrer Ehe anhat. Es ist eindeutig Sie.»Nichts worüber du dir sorgen machen müsstest, ich habe das im Griff«, murre ich ebenso genervt. Ich will nicht mit ihm über die Britin reden. »Gut«, knurrt er und lehnt sich mir zu, »besser ist es, denn sonst muss ich ihr eine Kugel in den Kopf jagen.« Sein ernster Blick untermauert das, was er gesagt hat. Ich zweifle nicht, das er es nicht tun würde. Ich habe oft gesehen, wie er abgedrückt hat. Es ist für mich nichts Neues. Und doch sträubt sich etwas in mir, wenn ich daran denke, das er sie töten würde. »Ich habe das im Griff«, zische ich wiederholend, um ihm zu zeigen, das ich es ernst meine. »Sie wird mein kleines Projekt werden.«, ungläubig schüttle ich selbst den Kopf. Sie wird sich verdammt sträuben. Und doch ist es besser als das sie die ganze Zeit oben in ihrem Zimmer vergammelt. Vielleicht kann sie mir zur Hand gehen, um denjenigen der mich vor ihr exekutieren wollte, ausfindig zu machen.
»Eine Kugel könnte deine Probleme lösen«, schlägt Alistair mir vor. Kopfschüttelnd setze ich mein leeres Glas am Rande des Schreibtisches ab und lehne mich wieder im Sessel zurück. »Nein.«
»Wieso nicht? Wie viel hat sie gesehen?«
»Alles. Und du weißt das wir uns eine weitere Leiche im Moment nicht leisten können.«
Er seufzt ergeben, denn er weiß, wie recht ich habe. Die Beziehungen unter den Familien sind angespannt. Wir müssen das Geradebiegen und unsere Verbindung stärken, die Sie einst geschlossen haben. Zusammen sind wir stärker. Sollten mehr Attentate ausgeübt werden, haben wir vielleicht einen gemeinsamen Feind. Keiner der Clans wird so dumm sein und uns angreifen. Mich erst recht nicht töten. Es muss jemand sein, dem ich noch nicht begegnet bin. Und es fragt sich, wer dieser jemand ist, und was er abgesehen von meinem Tod will.
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Highland King | 18+
Romance»Ewans verruchte, dominante Art sollte mich in die Flucht schlagen. Doch stattdessen zieht sie mich an wie ein Magnet, zudem ich der Gegenpol bin.« Erin fällt dem gut-aussehendem Schotten Ewan buchstäblich in einer Bar vor die Füße. Sie denkt sich n...