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ERIN

Sprachlos. Ich schaue ihn an als wäre er ein außerirdisches Wesen, das gerade vor mir im Fahrstuhl steht. Denn im Grunde
genommen ist er das soeben geworden. »Bist du krank?«, frage ich krächzend nach. Der Kloß in meinem Hals wird sekündlich größer. Die Worte die soeben seinen Mund verlassen haben, hören sich einfach zu verrückt an, um wirklich von ihm zu stammen. »Du hast eine Gehirnerschütterung, oder?«, plappere ich mit klopfendem Herzen weiter und lasse mein Hände sinken, ich trete einen Schritt zurück. Ewans Stirn liegt in tiefen Falten. »Denkst du, ich mache Witze?«, will er gepresst wissen. Schluckend schaue ich in seine funkelnden Augen. Im Moment weiß ich überhaupt nicht, was ich denken soll. Mein Gehirn kann einfach kein Netz um die Worte spinnen, die soeben seinen Mund verlassen haben. Dafür bin ich viel zu verwundert und aufgewühlt. Was ist nur in ihn gefahren?
»Erin«, holt er mich ins hier und jetzt als die Fahrstuhltüren sich öffnen. Er zieht mich durch die Eingangshalle, zurück ins freie. Perplex zieht alles wie ein Film an mir vorbei. Wir steigen ins Auto, Fergus fährt los. Es wird still. Meine Augen starren Ewan an, als wäre er wirklich ein Alien. »Genau wie lange willst du mich weiter so durchlöchern?«, will er wissen. Schluckend schaue ich weg. Er schnaubt leise. Mein Kopf brummt und ich kann nicht unterscheiden ob es vom Aufprall oder Ewans Geständnis kommt. Denn beides scheint mir nicht abwegig zu sein. »Ist irgendwas zwischen euch vorgefallen?«, will Fergus, skeptisch durch den Rückspiegel blickend, wissen. Ich schüttle den Kopf, Ewan antwortet gar nicht. Also verdreht sein Cousin bloß sichtbar die Augen und murmelt etwas, das wir beide nicht verstehen.

Ich bin erleichtert als ich das Castle in der Ferne ausmache. Denn viel länger halte ich es in diesem totstillen Wagen nicht mehr aus. Ich muss dringend hier raus. Wir passieren das Tor, doch leider hält Fergus an um ein paar Worte mit dem einen Mann zu wechseln. Es muss dieser Kyle sein, der damals auch im Keller dabei war. Nach ein paar Sätzen geht es aber weiter. Um was es ging weiß ich nicht, mein Kopf ist nicht Aufnahmefähig. Er fährt den Wagen die lange Einfahrt hinauf, um den Springbrunnen vor die Garagen. Kaum stehen die Räder, da steigt Ewan auch schon aus. Fuck.
»Danke fürs fahren Fergus«, sage ich eilig und schnalle mich ab, »danke.«
»Kein Ding«, antwortet er und schaut zu, wie ich aus dem hohen Auto hüpfe und hinter Ewan her stürme. Obwohl meine Seite noch immer wehtut, hetze ich die Treppen hinauf ins Castle und folge ihm. Ich sehe, wie er die Stufen zum Garten hinabgeht. Er will sicher ins Gästehaus. »Ewan, warte!«, rufe ich ihm hinterher, eile durchs Haus, hinaus in den Garten. Inzwischen stehe ich auf den warmen Platten, er kurz vor dem Schwimmteich. Ich hole ihn mit schmerzen ein. Meine Seite fühlt sich an, als  würde mir jemand darauf herumtrampeln. Das alles ist mir im Moment egal. Gerade als er sich umdreht, schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und küsse ihn stürmisch. Überrascht taumelt er ein paar Schritte nach hinten. Wir fallen. Plötzlich ist da nur noch Wasser. Wir sind in den Schwimmteich gestürzt. Ich schnappe beim auftauchen nach Luft, streiche mir die Haare aus dem Gesicht und sehe mich nach Ewan um. Der dunkelblonde Schotte taucht wenige Zentimeter neben mir auf. Das Plätschern des Springbrunnens unweit neben uns übertönt fast das Zwitschern der Vögel in den Baumkronen. Es ist so still hier, das jeder unseren Platscher gehört haben muss.
Ewan schaut mich an, ich schaue ihn an. Mein Herz klopft so sehr, dass es das Wasser zum Beben bringen könnte. Plötzlich herrschen vierzig Grad. Mir ist warm, fast schon heiß. Ich schwimme auf einer Stelle, mit geöffneten Lippen schaue ich ihm entgegen. Ewan kann stehen. Er greift nach mir, zieht mich zu sich und drückt seine Lippen harsch auf meine. Ich versinke in seinen Armen, in dem Kuss den er mir gibt, aber vor allem in meinen Gefühlen. Mein Herz macht einen Satz, als hätte man es reanimiert. Und verdammt, genau so fühle ich mich gerade. Ewans Kuss ist weich, dennoch stürmisch, aber mit so viel Gefühl, das ich mich wie ein warmes Stück Butter fühle, das unter seinen Lippen schmilzt. Meine Hände verfangen sich in seinen nassen Haaren. Unterwasser schlinge ich meine Beine um seine Hüften. Nichts und niemand könnte diesen Moment zerstören. Denn es ist perfekt. Niemand von uns muss es aussprechen, denn wir wissen es beide. Dieser Kuss bestätigt es nur.

Nach Luft schnappend löse ich mich von seinen Lippen. Gerade als ich ihn erneut küssen will, erhascht etwas meine Aufmerksamkeit. Im Fenster neben der Terrasse steht Ewans Vater, der uns mit eisernem Blick beobachtet. »Ewan«, wispere ich mit gemischten Gefühlen. Er folgt meinem Blick für einen Moment. Seine Hand drückt mein Gesicht wieder zu sich. Sie ist so groß, das sie mir den Blick zu seinem Vater versperrt. »Lass ihn«, flüstert er mir gegen die Lippen, »ignoriere es. Wenn er etwas sagt, dann kann dir das egal sein, hörst du? Dir kann alles egal sein.«
»Ja«, wispere ich. Ewan küsst mich noch einmal, bevor wir die Treppen aus dem Schwimmteich hinaus gehen. Er führt mich direkt ins Gästehaus. Wie zwei nasse Pudel laufen wir über die Platten, hinterlassen eine tropfende Spur. Ich schmiege mich an Ewans Seite, weil mir im Moment alles egal ist. Weil er gesagt hat, das er mich liebt.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt