Epilog Teil 1 von 3

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EWAN

...Ende Februar...

Die glänzenden Patronen fallen klirrend auf den Tisch vor mir. Das leere Magazin gleich daneben. Mit einem Tuch wische ich über die silberne Waffe. In der letzten Zeit kommt sie nicht viel zum Einsatz. Ich bin die meiste Zeit nicht mit Fergus und den anderen unterwegs. Mein Vater hat mich von allen Verpflichtungen freigestellt. Trotzdem liegt sie immer neben dem Bett, für den Fall der Fälle.
Es ist gerade etwas ruhig im Castle. Doch die Stille wird nicht lang anhalten. Hinter mir blubbert die Suppe bereits im Topf. Die Beretta und ihre Einzelteile landen in einem Korb, den ich vorerst auf den oberen Küchenschrank stelle. Vermutlich muss ich mich später darum kümmern. Neben dem Ofen steht bereits ein Tablett mit einer Schüssel und einem Löffel daneben. Ich schöpfe etwas in das Porzellan und mache mich auf den Weg nach oben. Der Regen plätschert auf das Dach des Gästehauses und die gedimmten Lampen, die die Natursteinwand an der Treppe leuchten, lassen das ganze Haus warm wirken.

Bereits als ich den Flur oben betrete, höre ich die Geräusche aus dem Schlafzimmer. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen als ich mit dem Ellenbogen die Tür öffne und eintrete. Mit dem Fuß kicke ich sie zu trete in den Raum. Erin sitzt zwischen drei Decken im Bett und schaukelt unsere Tochter in ihren Armen. »Was hast du denn?«, fragt sie verzweifelt und schaut mich überfordert an. Sie hat kaum geschlafen die Nacht. »Rosy...«, murmelt sie und drückt das kleine Mädchen eng an sich. So leise wie ich kann, setze ich das Tablett Suppe neben ihr auf dem Nachttisch ab und sinke auf die Bettkante. »Hat sie Hunger?«, erkundige ich mich. Die dunkelhaarige schüttelt ihren Kopf und legt ihre an das kleine Köpfchen. »Sie hatte erst was«, erklärt sie leise. Nachdenklich lege ich meine Hand auf das kleine Wesen. Inzwischen ist sie leiser geworden und hat sich gegen Erins Brustkorb gedrückt. Ihre Händchen liegen neben ihrem Kopf, sie schließt die Augen wieder. Tief ausatmend lehnt die Britin sich zurück in die Kissen und zieht die Decke über das Mädchen. »Bei Gott«, murmelt sie glücklich. Meine Mundwinkel zucken in die Höhe. Ich reiche ihr die Schüssel und sie nimmt sich einen Löffel. »Danke«, wispert sie und pustest die Suppe kalt. »Soll ich sie nehmen?«, schlage ich vor. Erin nickt mit vollem Mund. Ich stelle die Schüssel zur Seite und nehme ihr das Baby aus dem Arm. Am Fußende des Bettes liegt die kleine Decke, die meine Mom uns geschenkt hat. »Pscht«, murmle ich und erhebe mich. Ich wippe das kleine Bündel in meinen Armen hin und her, laufe auf den Sessel neben dem Fenster zu, damit Erin in Ruhe essen kann. Meine Augen liegen wie gefesselt auf meiner Tochter. Sie ist so winzig und zart, das sie in ihrem rosa Strampler völlig untergeht. Als sie mich das erste mal angesehen hat, habe ich mir geschworen sie immer zu beschützen. Seit Rosy vor vierzehn Tagen auf die Welt gekommen ist, geht es mehr oder wenig drunter und drüber. Sie schreit viel, das geht Erin sehr nahe. Auch wenn sie es nicht zugeben will, ich weiß das sie gestern im Badezimmer geweint hat. Es bricht mir das Herz sie so zu sehen.
»Ich nehme sie heute Nacht, dann kannst du schlafen«, sage ich und Erin lehnt sich im Bett zurück. »Danke, das wäre unglaublich nett von dir. Aber wenn du morgen-«
»Nein, ich habe nichts vor. Also abgemacht?«
Wieder nickt sie. Ich will ihr irgendwie helfen, auch wenn ich mit dem kleinen Menschen in meinen Armen selbst überfordert bin. Wer hat gedacht das Babys so klein sind? Ihre ganze Hand kann meinen Finger umgreifen. Und ihr Füßchen ist so groß wie mein Ohr. Das ist beängstigend.
»Übrigens hat Kyle mir auch ein paar Infos zugespielt«, fällt mir ein. Sie weiß schon worum es geht. Nachdenklich rührt sie in ihrer Suppe herum und beißt sich auf ihre Unterlippe. »Ach ja? Was steht darin?«
»Es ist eine Aktualisierung seines Aufenthaltsortes. Deine Tante ist auch da«, erkläre ich und senke meine Augen wieder auf Rosy hinab, die leise quengelt. Ich lehne mich im Sessel zurück und lege das kleine Mädchen auf meinen Oberkörper. Sie krallt ihre Finger in meinen schwarzen Pullover und kneift die Augen müde zusammen. Ein winziges Gähnen entfährt ihren Lippen. Behutsam richte ich ihre Söckchen und Decke sie zu. Neben uns plätschert der laute Regen gegen die Scheiben. Eigentlich sollte es heute schneien, aber nur das ist dabei herausgekommen. Kalter Regen.
»Ist er immer noch in dem Haus an der Grenze?«
»Ist er«, bestätige ich. In den letzten Monaten muss sie oft darüber nachgedacht haben. Wir haben nur selten darüber gesprochen. Das was ihr dort widerfahren ist, will ich gar nicht erneut in meinem Kopf durchgehen. Für jeden Gedanken den ich an dieses Schwein von Onkel verschwinde, könnte ich mich selbst Ohrfeigen.

»Ich glaube ich bin jetzt bereit«, wispert Erin zu meiner Überraschung. Verwundert schaue ich sie an. »Sicher?«, hake ich nach. Meiner Meinung nach, sollte sie sich ausruhen. Ich könnte das für sie klären, aber ich weiß, dass sie das selbst tuen muss. Sie muss ihren Dämonen gegenübertreten um sie zu bekämpfen.
»Ja, langsam wird es Zeit. Rosy kann doch bei deiner Mom bleiben, oder? Auch wenn ich sie nicht verlassen will...«
»Bis dorthin sind es mehr als fünf Stunden Erin«, erinnere ich sie. Es wird anstrengend für sie werden. »Ja, das ist mir bewusst. Bitte fahr mit mir, ich muss ihn treffen um das ein für alle mal zu klären«, bettelt sie fast schon. Skeptisch denke ich über ihre Worte nach. Meine Unentschlossenheit kann sie in meinen Augen ablesen. Zum ersten Mal seit einer Weile, weiß ich nicht was ich tun soll. Ich will Erin nur beschützen.
»Ich möchte damit abschließen, verstehst du? So wie du es mit deiner Sache konntest. Ich bitte dich nur einmal. Entweder du kommst mit, oder ich suche mir einen anderen, der mich an mein Ziel bringt«, stellt sie mir ein Ultimatum. Ein kleines ehrliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. In den letzten Monaten hat sie so viel gelernt. Sie ist stärker und entschlossener geworden, weiß was sie will. Ich bin stolz auf Erin, stolz auf das was aus ihr geworden ist. Und sie ist die einzige, bei der ich es durchgehen lasse, das sie so mit mir spricht. Jedem anderen hätte ich schon den Kopf abgerissen.
»Wirklich eine Duncan...«, murmle ich eher zu mir selbst. Sie hebt ihre Hand und deutet auf ihren leeren Ringfinger. »Nicht wirklich.«
»Vielleicht ändert sich das ja irgendwann mal, aber du gehörst sowieso schon zur Familie. Schon weitaus länger als du denkst«, erkläre ich. Die junge Britin erhebt sich aus dem Bett und läuft langsam auf mich zu. Sie setzt sich auf meine Oberschenkel, legt einen Arm um meine Schulter, den anderen an Rosy. Sie ist fasziniert von dem kleinen Mädchen, während ich nicht aufhören kann, Erin zu betrachten. Ich liebe sie sehr. Rosy auch. Deswegen fällt es mir so unglaublich schwer nein zu sagen. Denn mir wird klar; ich bin der einzige der ihr in der Sache helfen kann. Wenn sie nicht abdrückt, werde ich den Boden mit dem Blut ihres Onkels tränken, komme was wolle.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt