ERIN
Reißverschlüsse ratschen. Donner grollt tief durch den Himmel. Es blitzt grell. »Glaubst du, wir schaffen es, nicht vom Blitz getroffen zu werden?«, frage ich Ewan, der sich gerade eine Regenjacke angezogen hat. Er bleibt vor mir stehen und streckt seine Hände in meine Richtung aus. Seine Finger ziehen mir die Kapuze über die Haare. »Fünfzig Prozent. Wenn ich dich Huckepack nehme, sind wir schneller. Aber es wird wehtun.«
»Wenn du mir Pillen gibst, die stark genug sind, sobald wir drüben sind?«
Er nickt stumm und kehrt mir auffordernd den Rücken. Ich humple fünf Stufen auf der Treppe nach oben und lege meine Arme um seinen Hals. Er nimmt mich Huckepack und hält meine Beine fest. Mein Oberschenkel beginnt unangenehm zu pochen. Das hier ist eine doofe Idee, die sich nicht vermeiden lässt. Irgendwie müssen wir ins Castle kommen. Mit einer Hand öffnet er die schwere Haustür und sogleich wird der Regen der auf die Erde hämmert, lauter. Er huscht hinaus und ich höre noch, wie sie hinter uns ins Schloss fällt. Der Schotte zieht mich enger, beginnt schnell auf den Weg abzubiegen. Es ist eisig kalt, der Regen peitscht uns ins Gesicht. Der Weg zurück läuft wie ein Film an mir vorbei. Ich halte die Luft an, bis wir im trocknen des Castles ankommen. Erleichtert rutsche ich im Flur von Ewans Rücken und suche halt am Pfosten der Treppe.
»Ihr seht aus, wie nasse Pudel«, erklingt eine weibliche Stimme aus dem offenen Wohnzimmer. Ich ordne sie Ewans Mutter zu. Tatsächlich sitzt sie auf dem Sofa, mit einer Zeitschrift in der Hand. Sie scheint eine gute Frau zu sein. Was tut sie nur hier?
»Weil es regnet«, merkt Ewan an und streift sich seine Jacke ab. Ich öffne meinen Reißverschluss still und reiche ihm das nasse Stück. Er hängt sie an zwei Haken auf und kommt wieder auf mich zu. Unterdessen hat seine Mutter schon das Wort ergriffen. »Das sehe ich, mein lieber. Ich frage mich nur, wo ihr wart.«
Ewan schnaubt leise. »Ich bin sicher, du hattest heute schon ein Gespräch mit dem Hausmädchen, also weißt du, das wir drüben waren.«
»Was soll das heißen?«
»Das ihr beide euch regelmäßig Dinge steckt, die hier vorgehen«, brummt er und hebt mich unangekündigt an. Er will hier so schnell wie möglich weg. Seine Mutter erwidert noch etwas, das ich nicht mehr verstehe. Ich werde zurück in mein Zimmer gebracht, die Tür fällt ins Schloss. Er setzt mich auf dem gemachten Bett ab und wühlt auf meinem Nachttisch nach den Tabletten.
»Wieso bist du so unhöflich zu ihr?«, frage ich kaum hörbar.
»Weil sie denkt, dass - Ach, ist ja auch egal.«
Ewan zieht die Schmerztabletten hervor und bricht mir eine aus der Packung. Verwirrt von seinen Worten, runzle ich die Stirn und lege die weiße Pille auf meine Zunge. Ich spüle sie mit einem Schluck Wasser hinunter und lehne mich zurück. Es dauert nicht lang, bis sie beginnen zu wirken. »Ich muss noch ein paar Sachen erledigen...«, erhebt er seine Stimme leise. Er legt mein Bein auf einem Kissen ab und legt eine Decke über mich. Als ich die Augen öffne, sieht er auf mich hinab. »Was denn?«
»Das wirst du bald erfahren«, versichert er mir. Das muss ich ihm wohl abkaufen. »Wenn ich nicht da bin, will ich, dass du auf deinem Zimmer bleibst.«
»Wieso?«
»Sag einfach das du es tun wirst.«
»Okay, versprochen«, gebe ich nach. Zufrieden schaut er auf mich hinunter und setzt sich in Bewegung. »Ruh dich aus. Ich bekomme alles mit«, warnt er mich gruselig ruhig. Ich bin mir sicher, das dies kein Scherz ist. »Hast du Kameras versteckt?«, rufe ich ihm nach. »Wenn du nicht auf mich hörst, muss ich das wohl«, antwortet er aus dem Flur. Die Tür fällt ins Schloss. Schmunzelnd neige ich meinen Kopf zu den großen Fensterscheiben und lausche dem Gewitter. Es scheint nicht besser zu werden. Vielleicht brauche ich das. Bei dem schlechten Wetter, mag ich den ganzen Lieben Tag nur im Bett liegen. Erst jetzt fällt mir auf, das ich noch immer Ewans Sachen trage. Seine Hose und der Pullover sind mir viel zu groß, aber verdammt gemütlich. Ich lege meine Arme verschränkt auf der Bettdecke ab und verfolge die Regentropfen auf der Scheibe mit meinen Augen. Grelles Blitzes erfüllt den Raum, Donner folgt. Sobald der Donner abklingt, fährt ein leichtes ziepen durch mein Unterleib. Es fühlt sich an wie Periodenschmerzen. Ohne nachzudenken schiebe ich meine Hand unter die Decke, auf den Stoff des Pullovers. Meine Hand strahlt Wärme aus, sie sich in meiner Mitte breitmacht und das ziepen für den Augenblick lindert. »Was soll ich tun?«, flüstere ich ins nichts. Meine Augen sind stets auf das graue Wetter gerichtet. Meine Fingerkuppen streifen die Stelle, an der der Stoff meine Haut entblößt. Es fühlt sich merkwürdig an. So merkwürdig gut und doch so falsch. Wie kann ich eine Entscheidung treffen? Das alles ist nicht einfach. Es ist verdammt schwer. Die Wahrheit ist, das ich mich im Moment nicht damit beschäftigen will. Das Gespräch mit Ewan hat zu viele Dinge meiner Vergangenheit aufgewühlt, über die ich zum ersten Mal gesprochen habe. Niemand sagt mir, wie ich damit umgehen soll. Ich bin allein, das war ich schon immer, und werde es immer sein. Allein mit meinen Problemen und vielleicht ist diese Erbse in meinem Bauch das auch. Vielleicht ist es auch nur mein Problem und nicht seins.
Meine Hand ruht flach auf meiner Haut, während ich über viele Dinge grüble bis mir der Kopf raucht. Das Bild, welches Ewan mir heute morgen gezeigt hat will nicht von meinem inneren Auge verschwinden. Es war ein Hauch von nichts. Nur ein Punkt, wenige Millimeter groß. Das pochende Herz hallt mir durch Mark und Knochen, ich höre es, seit die Ärztin abgereist ist. Immer wieder, wie auf Dauerschleife schallt es mir in den Ohren, als wolle es nicht, das ich es vergesse. Gestern Abend, in Ewans Bett, habe ich es nicht gehört. Die Welt war mucksmäuschenstill. Je länger ich hier liege, desto mehr sehne ich mich nach diesem unbeschwerten Gefühl. Das erste mal muss ich mir eingestehen, das ich mich in seine Arme wünsche, da sie mich wie ein Schutzschild von der Welt abschirmen und ich all meine Sorgen loswerde, wenn ich sein Herz in seiner Brust pochen höre.
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Highland King | 18+
Romance»Ewans verruchte, dominante Art sollte mich in die Flucht schlagen. Doch stattdessen zieht sie mich an wie ein Magnet, zudem ich der Gegenpol bin.« Erin fällt dem gut-aussehendem Schotten Ewan buchstäblich in einer Bar vor die Füße. Sie denkt sich n...