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ERIN
zwei Wochen später...

Es tut so gut, in der Sonne zu stehen und die warme Luft auf meiner Haut zu spüren. Die schweren Vorhänge wirbeln auf, die Vögel zwitschern in den Baumkronen. Es ist Sommer. Meine Haare kitzeln mich, bei jeder Strähne, die sich bewegt. »Ich weiß noch immer nicht, wohin wir gehen«, merke ich an und neige meinen Kopf ein Stück nach rechts. Ewan übt Druck auf meinen Hinterkopf aus, um ihn wieder gerade nach vorn zu richten. »Wenn du stillhältst, erzähle ich es dir«, erwidert er, also halte ich still. »Okay.«
Seine Finger fädeln sich durch meine langen Haare, er löst das Band um sie und lässt sie locker über meine Schultern fallen. »Also?«
Ich höre ihn leise lachen, das tut er nicht oft. »Du bist ungeduldig...«
»Und du verdammt mysteriös...«, murmle ich. Wieder bebt sein Körper belustigt hinter mir auf. Mein Rücken lehnt gegen seiner Brust, so spüre ich jede Erschütterung. »Du wirst es erfahren, sobald es soweit ist.«
»Und wann ist es soweit?«, frage ich weiter. Neugierig neige ich meinen Kopf gen Zimmerdecke und sein Gesicht taucht am Rand meines Sichtfelds auf. Er ist viel größer als ich und schaut, hinter mir stehend, auf mich hinab. »Du weißt, wie sehr ich das hasse...«, brummt er kehlig. »Was willst du dagegen unternehmen?«, frage ich unschuldig. Ich fühle seine Hand am Bund meiner Jeans entlangfahren. »Das willst du nicht wissen, Kätzchen. Glaub mir.«
»Und wenn doch?«
Seine Finger berühren meine Haut, streifen meine Hüften entlang bis zu meiner Mitte. Seine Lippen senkt er zu meinem Ohr hinab. »Wenn wir Zeit hätten, würdest du schon längst unter mir liegen«, raunt er heißer. Keine Sekunde später ist seine Hand verschwunden und er nimmt Abstand. Tief ausatmend drehe ich mich zu ihm. Bilder breiten sich in meinem Kopf aus, die das pochen in meiner Mitte nicht lindern, sondern nur anfeuern. »Heute Abend?«
»Wenn du für den Rest des Tages tust, was ich sage?«
»Tue ich das nicht schon die letzten Stunden über?«, lege ich meinen Kopf schief. Ewan schüttelt verneinend seinen Kopf. »Du bist eigensinnig. Aber wenn du willst, das ich dich ficke, musst du wohl oder übel nachgeben«, sagt er todernst. Frustriert presse ich meine Lippen aufeinander. »Du bist gemein, weißt du das?«
Er zuckt uninteressiert mit den Schultern und macht sich auf den Weg in Richtung Tür. »Stell dich hinten an, du bist nicht die erste, die das behauptet.«
»Und sicher nicht die letzte«, flüstere ich, so das er es nicht hört. Mit einem angestrengten seufzen humple ich hinter ihm aus dem Zimmer. Ich kann zum Glück wieder etwas laufen, wenn auch nur mit Schmerzmitteln und nur kurze Strecken. Immerhin ist es besser, als den ganzen Tag auf Ewan zu warten, damit er mich durch die Gegend trägt. Vor ein paar Tagen konnte ich nichtmal allein bis zum Klo, um mich zu übergeben. Es war mir unangenehm, das er neben mir saß und mir die Haare zurückhielt, selbst wenn seine Hand auf meinem Rücken mich beruhigt hat, nach dem Kotzanfall.

Ich folge dem großen Schotten durch den langen Flur bis zur Treppe, an der er auf mich wartet. Mit einer Hand am Geländer, komme ich neben ihm zum stehen und lege meinen anderen Arm um seine Schultern. Er steht schon drei Stufen weiter unten und hilft mir, hinunter zu laufen. Treppen sind das einzige, das ich noch nicht allein bewältigen kann. Bei jedem Schritt ziept es unangenehm in meinem Bein. Ich kann es kaum abwarten, bis der Spuk ein Ende hat.
Im Erdgeschoss, führt mich Ewan in eine Richtung des Hauses, in die ich noch nie gelaufen bin. Viele Türen zweigen sich vom Flur ab, wir halten vor einer Flügeltür inne, dessen eine Seite bereits geöffnet ist. Ich erkenne einen massiven Schreibtisch im Raum stehen, dahinter sitzt ein Mann, den ich als seinen Vater identifiziere. Er besitzt einen noch düsteren Blick als Ewan selbst. »Kommt doch rein«, bittet er uns tief, als er uns erblickt. Sobald wir im Zimmer stehen, schließt sein Sohn die Tür hinter uns. Sein Vater deutet auf die beiden Sessel vor seinem Schreibtisch. An den Wänden türmen sich Bücherregale, mit antiken Objekten, Artefakten und Fossilien als Buchenden. Der Kamin rechts von uns knistert, obwohl es draußen warm ist. Innerhalb des Castles, zwischen den dicken Wänden, können es nur sechzehn Grad sein, wenn überhaupt. Ich sinke in den linken Sessel nieder, Ewan nimmt im rechten Platz. Es riecht nach Zigarren und dem teuren Schnaps, der auf einer Kommode links neben mir steht.
Unbehaglich wandern meine Augen über den großen Schreibtisch. Ich traue mich nicht, seinem Vater in die Augen zu schauen. Er wirkt einschüchternd und eiskalt. Er macht mir Angst.
»Glückwunsch«, erhebt er seine Stimme zu mir und mein Herz macht einen Satz. Schluckend blinzle ich Ewan an, der nur still dasitzt und uns beobachtet.
»...Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, dass du die Prüfung schaffst.«
Erleichtert darüber, das er nichts von dem Kind weiß, fällt mir ein großer Stein vom Herzen. Ich weiß  nicht, was er tun würde, sollte er es erfahren. Aber eines weiß ich - er würde nicht zögern abzudrücken, egal was mit mir ist.
»Danke«, krächze ich mit trockener Kehle. Obwohl ich vorhin erst eine halbe Tasse Flasche getrunken habe, fühlt sich mein Hals staubtrocken an, so wie der Sand in der Sahara. »Sei nicht so bescheiden, Erin. Weißt du, wieso du heute hier bist?«
Gerade als ich den Kopf schütteln will, mahne ich mich selbst, es nicht zu tun. Ich erinnere mich schwach an die Worte, die Ewan einst sagte. Er mag es nicht, wenn er keine Antwort bekommt. Ich bin mir sicher, das sein Vater ebenso dazu steht, also erhebe ich meine Stimme. »Nein, das weiß ich nicht«, gebe ich zu. Nervös spiele ich mit meinen Händen in meinem Schoß und starre auf den Stiftehalter vor mir. Das lenkt mich ein bisschen ab. Ewans Vater, dessen Namen ich nicht kenne, lehnt sich entspannt zurück und mustert mich auffällig. »Da du nun ein Teil der Organisation bist, ist es nur fair, dass du erfährst was wir genau tun, bevor du an die Arbeit gehen wirst.«
Die Organisation? Ich verstehe nur Bahnhof.
»Wir, die Duncans, sind schon sehr lang hier in den Highlands angesiedelt. Zusammen mit einigen anderen Familien, haben wir uns zu einem Bündnis zusammengeschlossen, das uns allen helfen soll. Aber heute, machen wir eher unser eigenes Ding.«
»Wieso?«, erkundige ich mich neugierig. Mister Duncan führt seinen Daumen und den Zeigefinger zusammen an seine Lippen und fährt an ihnen entlang, als würde er einen Reißverschluss schließen. Ich soll die Klappe halten. Nervös spiele ich weiter mit meinen Fingern. Die Situation überfordert mich. Mister Duncan, strahlt so eine Kälte aus, das ich am liebsten rennen würde. Seine Blicke sind wie giftige Spritzen, mit denen er jemanden töten könnte. Und doch sitzt er hinter seinem Schreibtisch und fährt gelassen fort.
»Es sind einige Dinge passiert, die dich nichts angehen. Trotzdessen muss unser Business weiterlaufen. Zur Zeit gibt es viel zu tun, vor allem angesichts der Tatsache, das man meinen Sohn töten wollte. Eigentlich wollte ich dich den Leuten am Hafen zuteilen, um die Tonnen Waffen, die jeden Tag ankommen, umzulagern. Sie müssen in LKWs und dann in Richtung des Ärmelkanals. Aber Ewan sagte, es ist hilfreicher, wenn du ihm in der Sache mit dem Angreifer, zur Hand gehst.«
Waffen? LKWs?
Ich sehe Hilfesuchend zu Ewan, der sofort die Verwirrung in meinen Augen erkennt. All die Worte bilden nur ein riesiges Fragezeichen in meinem Kopf. Erst der Keller voller Hanfpflanzen, jetzt die Waffen. Was kommt noch? In der Bar, als ich ihn kennenlernte, dachte ich, seine Familie sei, wie viele andere hier, im Scotch Geschäft tätig. Aber das hier, wäre mir nichtmal in meinen Träumen eingefallen.

Der Schotte räuspert sich und rutscht im Sessel nach vorn. »Ich denke, das waren erstmal genug Information für heute«, sagt er zu seinem Vater, welcher nur missbilligend seine Lippen verzieht. »Nun Gut«, brummt er, »dann schaff sie wieder nach oben. Heute Abend kommen ein paar Freunde, bring sie spätestens sieben Uhr aus meinen Augen. Sie sollen sie nicht sehen.« 
Seine Stimme ist wie ein arktischer Schneesturm, der sich um einen Körper schlingt. Dieser Mann will nicht gemocht werden, sondern gefürchtet. Er schlägt seine Hand wie ein Verhandlungshammer auf den Tisch und Ewan erhebt sich. Beim verlassen des Zimmers denke ich mir nur eins - Ich hasse Mister Duncan.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt