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EWAN

Haare raufend sinke ich auf mein Bett nieder. Im Moment, weiß ich nicht wo mir der Kopf steht. Das ist alles so viel. Viel zu viel. Ich will endlich aus diesem Albtraum aufwachen. Als sie vorhin sagte, das es praktisch unmöglich ist, das sie schwanger ist, habe ich für einen Moment Licht am Ende des Tunnels gesehen. Aber wieso sollte ihr sonst so kotzübel sein? Ich verstehe nichts mehr. Für heute habe ich eine Ärztin bestellt, die sie untersuchen wird. Bis jetzt habe ich noch niemanden davon erzählt. Offiziell wird sie herkommen, um ihr Bein zu behandeln. Ich will vorerst nicht, das irgendjemand davon erfährt, schon garnicht meine Eltern. Mein Vater würde ausflippen.
Geschafft streiche ich mir übers Gesicht und atme tief durch. Im Moment hätte ich gern Fergus hier, aber selbst der weiß nichts davon. Ich habe mich zu tief ins Schlamassel geritten und hätte vorsichtiger sein müssen. Das ist alles meine Schuld.

Ungeduldig erhebe ich mich von meinem Bett und krame eine Schachtel Kippen hervor, von denen ich mir eine nehme und durch die Tür auf den schmalen Balkon austrete. Von hier vorne, habe ich einen perfekten Ausblick auf die Einfahrt und alles was vor sich geht. Von der Ärztin ist noch nichts zu sehen. Mit jeder weiteren Minute die verstreicht, werde ich nervöser. Erin habe ich seit gestern morgen nicht mehr gesehen. Das Hausmädchen hat nach ihr gesehen und ihr Essen gebracht. Ich habe sie angewiesen, ihr alles zu geben was sie will, aber bis jetzt hat sie noch nichts verlangt. Sie erzählte mir, das sie nichtmal mit ihr gesprochen hat. Hinter der Sache muss noch etwas anderes stecken, oder? Ich fühle es.
Das Nikotin füllt meine Lungen und gibt mir etwas Zeit, runterzukommen. Ich streiche mir immer wieder die Haare aus dem Gesicht und schließe die Augen, während der Qualm meine Lungen füllt. Ich will über etwas anderes nachdenken und schaffe es doch nur für wenige Augenblicke. Keith und die anderen haben immer noch nichts weiteres über Erins Chef herausgefunden, der Typ scheint ein verdammter Geist zu sein, abgesehen von seiner Präsenz in der Firma. Sobald dieser Typ endlich in Inverness aufschlägt, werden wir ihn beschatten. Ich bin mir sicher, das er einen Fehltritt machen wird, der uns weiterhelfen wird. Hundert prozentig.

Endlich ertönen Räder auf dem Schotter der Einfahrt. Ich blicke auf. Ein helles Auto rollt auf das Haus zu, das nur die Ärztin sein kann. Ich nehme einen letzten Zug von der Zigarette, Puste den Rauch in den blauen Sommerhimmel und schnippe den Stummel über die Reling. Mit großen Schritten mache ich mich auf den Weg nach unten. Meine Eltern sind zum Glück nicht da. Sie sind für zwei Tage in Fort William, bei einem Freund meines Vaters. Er hat sie eingeladen, als vor ein paar Tagen hier war und zugesehen hat, wie die Rekruten sich gejagt haben.
Ich öffne die große Haustür und erblicke sogleich eine Frau mit strengem Zopf und blonden Haaren, die zwei Taschen in den Händen trägt. »Sind sie Ewan?«, fragt sie mich nach. Ich nicke und deute ihr einzutreten.
»Schön, mein Name ist Doktor Hale.«
Sie streckt mir freundlicherweise eine Hand entgegen, die ich kurz schüttle. »Freut mich, folgen sie mir doch«, bitte ich sie und deute auf die Treppe. Wir laufen nach oben in den ersten Stock und biegen zu den Zimmern ab. »Sie wissen ja schon, wieso ich sie angerufen habe. Ich weiß ihre Diskretion zu schätzen«, sage ich. Die blonde holt schnell auf und nickt. »Natürlich. Sie sagten, dass sie verletzt ist?«
»Ja, deswegen konnten wir nicht in ihre Praxis kommen.«
»Nun, dass ist überhaupt kein Problem. Ich habe alles dabei«, lächelt sie und deutet auf eine der Taschen. Ich klopfe zweimal an Erins Tür, bevor ich sie eintreten lasse und selbst folge. Die Britin liegt im Bett und mustert Doktor Hale's Taschen akribisch, die sich gerade bei ihr vorstellt. Erin schüttelt etwas abwesend ihre Hand und nickt nur, als sie gefragt wird ob alles in Ordnung ist. Ihre Augen treffen meine und ich schwöre sehen zu können, wie unsicher sie sich fühlt. Wieso?
Während die Ärztin ihre Sachen ausbreitet und ihr einige Dinge erklärt, gehe ich um das Bett und bleibe neben ihrem Kopf stehen.
»Würden sie ihre Beine anstellen?«
Ich schnaube über ihre Frage. »Wirklich? Sie kann sich nichtmal bewegen und dass ist ihre Frage?«, will ich wissen. Erin legt mir ihre Hand auf meine. »Schon Gut«, murmelt sie und tut was sie sagt. Sie kneift unter schmerzen ihre Augen zusammen, und selbst wenn sie versucht es zu verdrängen, sie schafft es doch nicht. Ihre Finger zucken, auf meinen liegend und ich tue das einzig logische, halte sie fest. Doktor Hale hat einen kleinen Monitor und ein Gerät dazu, das sie unter der Decke verschwinden lässt. Ich will garnicht wissen, wo dieses Ding hingeht. Erin drückt meine Hand fester.
»Wie lange haben sie diese Spirale schon?«, fragt die Ärztin nebenbei, während sie auf dem Monitor tippt. Noch erkenne ich nichts, das so aussieht wie ein Kind. »Seit ich sechzehn bin«, flüstert Erin und starrt auf den Monitor. Ihre Finger schließen sich fest um meine. Doktor Hale sieht sie undeutbar an. »Das ist ... früh«, spricht sie ihre Gedanken aus. Ich sehe Erin schlucken und Nicken. »...Ja«, wispert sie, so als würde ein dicker Kloß in ihrem Hals stecken. Ich verstehe nur Bahnhof. Die Ärztin seufzt bedrückt tippt weiter auf dem Gerät herum. »Nun ja, sieht so aus als ob sie nicht mehr da wäre. Die Lebenszeit variiert von drei bis fünf Jahren. Da sind sie drüber.«
»Das wusste ich nicht...«, gibt sie zu. Doktor Hale nickt und bewegt ihre Hand. Meine Augen sind auf den Bildschirm gerichtet, auf dem ich nichts erkennen kann. Es ist alles schwarz weiß und ich habe keine Ahnung, was das alles sein soll. Erst als sie das Bild stoppt und ein winziger schwarzer Punkt auftaucht, erkenne ich vage etwas. »Da ist es. Vielleicht sechs Wochen alt«, lächelt sie.

Mein Blut gefriert mir in den Adern. Ich kann meine Augen nicht von dem kleinen Punkt nehmen, den sie fotografiert. Es ist ein Hauch von nichts. »Alles ist an seinem Platz. Anscheinend hat sich der Embryo gut platziert. Ich höre mir noch den Herzschlag an«, lässt sie uns wissen und betätigt eine Taste. Als ein dumpfes klopfen den Raum erfüllt, löse ich meine Hand aus Erins und trete einen Schritt zurück, um mich gegen das Fenster zu lehnen. Gott...
»Hört sich sehr gut an«, erklärt die Ärztin. Ich höre Erin leise schniefen. »Können sie das...das ausmachen? Bitte«, fleht sie sie an. Verwundert schaltet die Ärztin das Gerät ab und zieht sich zurück. »Natürlich«, flüstert sie einfühlsam. Ihre Hand legt sie auf Erins Knie ab und sieht sie traurig an. Inzwischen verstehe ich nur noch Bahnhof. Was geht hier ab?
»Ich werde ihnen etwas verschreiben, gegen die Magenschmerzen und die Übelkeit. Versuchen sie viel zu trinken, frische Luft tut auch gut. Sie muss jeden Tag mindestens eine Stunde raus.«
Im letzten Satz wendet sie sich an mich. Nickend warte ich bis sie alles zusammengepackt hat und folge ihr dann zur Tür. Auf dem Kommode daneben, legt sie eine Broschüre ab. »Ich emaile ihnen die Bilder und bitte kontaktieren sie mich, wenn sie sich entschieden haben, ob sie es behalten oder nicht.«
»Ja, danke«, schnieft Erin leise. Doktor Hale verabschiedet sich und ich Geleite sie hinunter, mit der Stimme im Hinterkopf die mir sagt, das ich dringend herausfinden muss, wieso Erin so reagiert hat.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt