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ERIN

Diese Nacht habe ich etwas besser, als die Nacht davor geschlafen. Ich habe mir heute morgen ein Bad gegönnt und als ich zurück in mein Zimmer kam, stand mein Frühstück bereits auf dem Tisch. Jemand muss es still und heimlich dort abgesetzt haben.
Selbst während des Essen kreisen meine Gedanken um Ewan. Ich muss immer wieder an gestern Abend denken. Dabei kann ich mir nicht erklären, wieso er mir nichts erzählt. Was könnte es schon sein? Fakt ist, das er mich so nur noch neugieriger macht, als ich ohnehin schon bin. Ewan scheint mir ein mysteriöser Mann zu sein. So düster und doch so anziehend. Ich sollte mich von ihm fernhalten, aber egal wie sehr ich mir das auch wünsche um mein Herz zu schützen, es wird nie passieren. Uns beide zieht etwas an, das ich mir nicht erklären kann. Aber vielleicht finde ich irgendwann heraus, was Ewan vor mir verbirgt. Allein der Fakt, das ihn jemand umbringen wollte, lässt mich darauf schließen das er Leichen im Keller hat. Dann die Plantage in Inverness. Ich wäre dumm, würde ich denken damit sei es erledigt. Er verhält sich nicht so, als wäre die Plantage alles, sondern vielmehr als wäre sie nur Teil von etwas großem. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Vielleicht sind es die Plantagen, mit denen seine Familie Geld verdient, was ich nicht denke. Ich hatte bis jetzt nur eine flüchtige Begegnung mit den beiden. Sie waren schick gekleidet. Ewans Vater hat wie ein strenger Geschäftsmann ausgesehen, nicht wie jemand, der mit Gras sein Geld verdient. Und seine Mom? Die hielt sichtlich wenig von all dem.
Also was ist es dann? Immobilien? Treuhandfonds?

Grübelnd stütze ich das Kinn in die Handfläche. Wenn es etwas legales wäre, würde er nicht so einen großen Bogen um das Thema machen. Es ist definitiv nichts legales. Vielleicht brennen sie illegal Whisky, was ebenfalls unwahrscheinlich ist, da ich nicht eine Destillerie in der Nähe gesehen habe. Was auch immer es ist, ich bin ratlos.
Ausatmend erhebe ich mich und falle seitwärts auf das riesengroße Bett. Je länger ich die Landschaft draußen betrachte desto langsamer vergeht die Zeit in meinem eigenen Käfig. Nichtmal der Fernseher gegenüber des Bettes funktioniert, weil ein Kabel fehlt. Ich bin mir sicher das dies Absicht ist. Wer sonnst würde das Stromkabel vom Fernseher entfernen? Niemand.
Durch das angelehnte Fenster höre ich mehrere Stimmen, die ich nicht zuordnen kann. Neugierig erhebe ich mich wieder und schaue über den Rand des Hauses in dem Garten. Auf den Wegen zwischen den penibel geschnittenen Hecken laufen mehrere Männer. In ihren Händen tragen sie Luftgewehre und mehrere Kleinkaliberwaffen. Was wollen die mit so viel Feuerkraft? Sie tragen sie auf eines der Gästehäuser zu. Die Waffen bestätigen nur, das hier etwas illegales vor sich gehen muss. Fakt ist, das ich Ewan unbedingt danach fragen muss. Egal ob er mir antwortet oder nicht, ich nerve ihn solange bis er es tut. Ich trete ein Stück hinter die Gardine als ich Ewan erblicke. Er verlässt das Haus am Abhang und nimmt zwei der Gewehre entgegen, die er sich am Gurt über die Schultern schwingt und mit in das Gespräch der anderen einstimmt. Plötzlich höre ich ihn lachen. Bis jetzt hat er das noch nie getan. Verwundert trete ich ein Stück näher ans Fenster, halb hinter dem Vorhang versteckt. Er wirft den Kopf in den Nacken und schüttelt den Kopf. Als er sich wieder etwas fängt, schaut er auf und mir direkt in die Augen. Sie stechen sich förmlich in meine. Er versucht sich nichts anmerken zu lassen und spricht weiter. Schluckend ziehe ich den Vorhang vor mir zu und trete zurück. Er sieht so anders aus wenn er lacht - freundlicher.

Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Magen breit, der noch voller essen ist. Ich reibe mir über den Bauch und greife nach der Flasche Wasser auf den Tisch. Selbst nach einem Schluck Wasser wird es nicht besser. Verdammt, ich habe eindeutig zu viel gegessen. Als es an der Tür klopft und eine leise Stimme von der anderen Seite mitteilt, das sie mein Mittag hat, stürze ich ins Bad und übergebe mich über der Toilette. Binnen weniger Sekunden ist mein Magen leer. Hinter mir ertönen Schritte, die langsam lauter werden. »Alles in Ordnung?«, höre ich eine weibliche Stimme an der geöffneten Badezimmertür. Hustend kralle ich meine Finger in das Keramik und richte mich wieder auf. Vor der Toilette kniend stütze ich das Gesicht in meine Handflächen und lasse einen Schluchzer aus meinem Mund entfliehen. Mein Körper zittert überall, meine Augen fallen zu. Ich spüre eine zarte Hand auf meiner Schulter, die wohl der Frau gehören muss, die soeben das Zimmer betreten hat. »War das Essen nicht gut?«, fragt sie leise nach. Schnell wische ich mir die Tränen fort und erhebe mich. »Nein, alles gut. Es war nur zu viel«, antworte ich wispernd und kehre ihm den Rücken. Ich betätige die Spülung und drehe mich zum Waschbecken. Durch den Spiegel erkenne ich eine blonde Frau mit roten Lippen und schweren Ohrringen. Ewans Mutter. Was macht die denn hier? Grübelnd spüle ich mir den Mund aus, wasche mir die Hände und laufe an ihr vorbei ins Zimmer. Auf dem Tisch steht ein Tablett mit einem dampfen Teller Nudeln. Still schlage ich die Bettdecke zurück und falle, mit dem Gesicht zum Fenster, ins Bett. Hinter mir vernehme ich ihre Schritte. Sie hält vor dem Ende des Bettes inne, schaut mich spürbar an. »Dein Name ist Erin, oder?«, fragt sie. Ich antworte nicht.
Sie seufzt und sinkt neben meinen Füßen aufs Bett. »Ich entschuldige mich für Ewan, das er dich hier eingesperrt hat. Mein Sohn ist wie sein Vater und neigt manchmal dazu, impulsive Entscheidungen zu treffen«, flüstert sie. Ich schnaube leise. Als ob das etwas an meiner Situation ändern würde. Schniefend wische ich mir wieder über die Wange.
»Du sollst wissen das ich das nicht befürworte«, fährt sie fort, »im grundegenommen verabscheue ich es.«
Wieder bleibe ich still. Mir ist nicht klar was ihr Besuch zu bedeuten hat, oder was sie vorhat. Der blumige Duft ihres Parfüms legt sich langsam im Raum ab, er passt zu ihrem sommerlichen Kleid. Sie streckt ihre roten Fingernägel aus und legt sie auf der Decke, genau über meinem Bein ab. Es fühlt sich merkwürdig an. Ich spüre die Wärme ihrer Hand durch die Decke.
»Ich werde der Küchenhilfe sagen, das sie dir eine Suppe bringen soll. Sag ihr, falls du etwas brauchst. Ich werde sicherstellen, das es ankommt«, flüstert sie nun. Als sie merkt das ich wieder nichts antworte, erhebt sie sich vom Bett und nimmt das Tablett wieder mit aus dem Raum. Erst als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, drehe ich mich um.
Sie hat nicht abgeschlossen.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt