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EWAN

Ich bin ihr so unglaublich nah und doch so sauer. Meine Hand hält ihr Genick fest, ohne die Chance mir entkommen zu können. Ich drücke noch ein bisschen mehr zu, um ihren Kopf meinem entgegen zu drücken. Sie atmet gepresst aus, ihre Lippen stehen offen und ihre Augen werden größer. Sie sagt zwar, sie hat keine Angst, aber ich kann sehen, dass dies nicht der Wahrheit entspricht.
»Du willst was wissen?«, stelle ich mich dumm. Erwartet sie wirklich eine Antwort auf ihre Fragen? Sie sollte inzwischen gelernt haben, dass sie das nichts angeht. Anscheinend hat sie das nicht. Ihre Augen sprühen so viel Sturheit und Entschlossenheit aus, das mich ihre nächsten Worte weniger überraschen, als sie sollten. »Alles. Wieso willst du es mir nicht sagen, obwohl du weißt das ich ohnehin nie mehr von dir wegkomme? Ich werde dieses Land nicht lebend verlassen, das ist mir bewusst.«
Sie blinzelt mehrmals, ich spüre wie sie ihren Kopf gegen meine Hand drückt und ihre Finger an meine Brust. Sie streifen langsam über mein Hemd, fahren über den derben Stoff bis zu meiner Wange. Ohne darüber nachzudenken schlage ich ihre Hand weg und packe sie noch fester. Sie wimmert leise auf, aber bleibt standhaft. Keine Träne verlässt ihre Augen. »Du bist ein Idiot«, presst sie heraus, »ein verdammter Idiot.«
Keuchend schließt sie ihre Augen und versucht mich wegzudrücken. Aber ich bewege mich keinen Millimeter. »Du willst nicht wissen, was hier vor sich geht«, rede ich ihr ein. Für all das ist jemand wie sie, nicht gemacht. Sie würde zerbrechen wie eine teure Vase. Millionen Scherben ihrer Seele würden die Böden des Castles pflastern. Darauf kann ich verzichten.
»Und wenn ich es doch will? Ich bin es leid, den ganzen Tag in diesem Zimmer zu sitzen. Ich will etwas sinnvolles tun«, versucht sie mir unter Schmerzen zu erklären. Ich schnaube gehässig. »Du gibst mir Infos, und deinen Körper«, erinnere ich sie. Reicht ihr das nicht? Was will sie noch?
»Du bist kein Gast«, knurre ich, »das meine Mutter bei dir war, ist ein Fehler gewesen. Es kommt nie wieder vor.«
»Ach ja? Du denkst doch nur, das ich keine Stunde überleben würde, bei der Sache, die ihr tut«, faucht sie wie ein saures Kätzchen. Sie hat ihre Krallen ausgefahren und fletscht ihre Zähne. Ihre Hände graben sich tief in den Stoff meines Hemdes, während sie sich langsam zu Fäusten ziehen. »Verkaufst du Drogen? Menschen?«, rätselt sie und es amüsiert mich wahrlich, selbst wenn ich mir das nicht anmerken lasse. »Oder Geld? Waffen?«
Ich übe stärker Druck auf ihren Nacken aus und bringe sie zum Stöhnen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickt sie auf. Mein rasender Puls bringt mich jeden Moment etwas zu tun, das ich bereuen werde. Ich hasse es, das sie mir Widerworte gibt, aber gleichzeitig turnt es mich Verdammt an, was ich niemals zugeben würde. Erin ist dickköpfig, genau wie ich. Vielleicht prallen wir deswegen so oft aneinander.

»Halt deine Klappe«, Schnauze ich ihr entgegen und werde lauter. »Du hast keine Ahnung, was das hier ist.«
»Ja weil du mir nichts sagst!«, schreit sie mich an und trommelt wild auf meine Brust ein. Da packe ich sie auch mit meiner anderen Hand und schleife sie neben mir zurück in den Flur. Sie tritt mich und boxt um sich, aber gegen mich hat sie wenig Chancen. »Lass mich!«
Ich schubse sie in Richtung Treppe und lasse von ihr ab. Bevor sie auf mich zustürmen kann, weiche ich ihr aus und stelle ihr ein Bein. Sie stolpert, kreischt erschrocken. Bevor sie Bekanntschaft mit dem Boden macht, fange ich sie ab, drücke ihren Rücken gegen meine Brust und schlinge meine Arme wie eine Zwangsjacke um ihre, sodass sie mir vollkommen ausgeliefert ist. Ich merke wie schwer sie atmet und sich in meinen Armen verkrampft. Sie ringt mit sich und auch mit mir. Sie windet sich unter meinen Armen, aber gibt schon bald auf. Angestrengt sinken ihre Schultern und ihr Kopf gen Boden. Ich neige meine Lippen zu ihrem Ohr und lehne meine Stirn gegen ihren Kopf. »Du willst das nicht, vertrau mir«, brumme ich mit kehliger Stimme. Sie schnauft erschöpft und windet sich weiter, nicht verstehend wieso ich das sage. »Wieso denkst du das?«, krächzt sie verzweifelt. Im Flur stehend, drücke ich sie enger, damit ihr Widerstand endlich nachlässt. »Weil ich es auch nicht wollte. Ich kenne das alles viel zu gut. Du bist nicht dafür gemacht.«
»Aber für was?« Sie klingt verzweifelt, fast schon weinerlich. Für drei Sekunden schließe ich meine Augen und schiebe meine Nase in ihre Haarpracht. Sie duftet nach Blumen. Mein Herzschlag flacht von Augenblick zu Augenblick immer weiter ab, bis auf normale Geschwindigkeit. Meine Finger zucken auf ihren Unterarmen, die ich so fest gegen ihren Körper drücke, das sie keine Chance hat, mir zu entfliehen. Ihr schmaler Körper ist so warm, das sich in mir ein merkwürdiges Gefühl breit macht. Sie reicht mir gerade mal bis ans Gesicht und ich kann mühelos über ihren Kopf hinaus in den Garten schauen. Wir sind allein im Castle. Meine Eltern sind unterwegs und die Jungs weit weg von uns, am Rande des Waldes. Nichtmal das Hausmädchen ist anwesend.
»Es ist nicht so, wie du denkst. Meine Familie ist... schwierig«, versuche ich mich zu erklären. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wieso ich das überhaupt tue. Ich schulde ihr keine Antwort. »Und du nicht?«, merkt sie leise an. Meine Mundwinkel zucken nach oben. Sie muss immer alles witzig machen, genau wie ich. »Mein Vater hat Prinzipien und setzt die immer durch. Er ist nicht so wie ich. Vielleicht ein bisschen, aber viel härter.«
»Und was hat das mit der Sache zu tun?«
Tief ausatmend stütze ich mein Kinn auf ihren Ansatz und starre ins Grün der Pflanzen. »Du verstehst nicht, dass er das sagen hat. Du verstehst nicht, das ich dann nichts mehr für dich tun kann.«
»Wieso?«, wispert sie planlos. Mein Herz sinkt ein Stück tiefer. Ich hasse mich dafür. Hasse, das sie mir die Dinge entlockt, die ich ihr nicht verraten will. Erin bekommt immer was sie will und irgendwie, verstehe ich nicht wieso. Sie hat etwas an sich, das mich immer die Dinge sagen lässt, die sie hören will. Ich bin verdammt dafür. Wenn mein Vater das wüsste, würde er sie umbringen. Er schreckt nichtmal davor zurück.

»Ich bin kein guter Mann«, murmle ich. Die junge Britin lehnt sich plötzlich gegen mich und entspannt sich, so als fühle sie sich wohl in meinen Armen. »Das habe ich auch nie behauptet«, antwortet sie. Ich weiß ganz genau, das sie weiß, das ich ebenfalls getötet habe. Und doch lehnt sie gegen mir, als wäre ich, wenigstens für einen Moment, die Auszeit von ihren Problemen.
»Bitte erzähle es mir. Vielleicht verstehe ich dann, wieso man dich töten wollte«, fleht sie kaum hörbar. Aber wenn ich das wüsste, würde ich dann solang nach antworten suchen?
»Ich darf nicht.«
Sie atmet kopfschüttelnd aus und lässt den Kopf hängen. Ich sehe auf sie hinab, während sie auf ihre Füße blickt und etwas murmelt, das ich nicht verstehe. »Wieso? Ist das hier so eine Art gruselige Bruderschaft?«
Diesmal schüttle ich meinen Kopf, auch wenn sie das nicht sehen kann. »Ist es nicht.«
»Und was dann?«
»Etwas schlimmeres.«
»Was? Seit ihr etwa die Avengers?«, scherzt sie. Sie merkt nicht das ich nicht darauf eingehe. Natürlich sind wir das nicht. Die Avengers tun nicht die Dinge, die wir tun. Grausige und dunkle Dinge, die uns jedem lebenslange Haftstrafen bescheren könnten. Wieso will sie ein Teil von so einer grausigen Welt sein? Vielleicht, weil sie nie eine Familie hatte? Meinen Recherchen nach, sind ihre Eltern früh gestorben und es scheint nicht, das sie zu ihrer Tante und ihrem Onkel, die sie aufgezogen haben, keine enge Verbindung pflegt. Ich kann spüren, das viel mehr dahinter steckt, als dass, was sie zugeben will. Irgendwann werde ich dem auf die schliche kommen. Für jetzt reicht das, über was wir gesprochen haben.
»Ich bringe dich zurück auf dein Zimmer. Morgen Abend darfst du raus«, eröffne ich ihr. Zu meiner Verwunderung lässt sie sich ohne Protest zurückführen.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt