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ERIN

Der Abend war das, was ich gebraucht habe. Selbst jetzt als ich im Gästehaus stehe, hinter der Kücheninsel Obst schneide, geht es mir besser als zuvor. Der Fernseher läuft im Wohnzimmer, doch die Nachrichten sind zu leise um zu verstehen, um was es geht. Ewan telefoniert oben mit Fergus. Sicher sprechen sie über Mister Barnes. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er in die ganze Sache verwickelt sein soll. Das scheint mir doch etwas aus der Luft gegriffen. Aber Ewan wird seine Gründe haben, dies zu vermuten. Vielleicht liege ich ja auch falsch.
Mit meiner rechten Hand werfe ich mir ein Stückchen Erdbeere in den Mund und lasse mir die süße Frucht auf der Zunge zergehen. Alle Früchte die vor mir liegen wachsen im Garten des Castles. Die Anlage hinter dem Haus, auf dem der große Schwimmteich, das Labyrinth, die Gästehäuser stehen und sich unzählige Rasenflächen begingen, muss mindestens vier Fußballfelder groß sein. Wenn nicht sogar mehr. Überall stehen große Obstbäume, Sträucher und Pflanzen, an denen sich die süßesten Früchte bilden. Ich liebe es. Das frische Obst schmeckt natürlicher als dass, das ich im Supermarkt bekomme. Irgendwann will ich ein Haus und einen Garten, in dem ich sie selber züchten kann. Selbst geerntet schmeckt es nunmal am besten.

Fertig geschnitten gebe ich alle Früchte in die weiße Schüssel neben mir und räume auf. Mit gewaschenen Händen und der Schüssel, laufe ich aufs Sofa zu und sinke in den weichen Stoff. Hier drüben in Ewans Haus, fühle ich mich wohler, als unter den Augen seiner Eltern. Es ist mehr sein Vater, dem ich auf keinen Fall über den Weg laufen will.
Ein Löffel nach dem anderen wandert in meinen Mund. Meine Augen sind aufmerksam auf die Telenovela gerichtet, die gerade im Fernseher läuft. »Hey, was schaust du da?«, fragt Ewan den Raum betretend. Mit vollem Mund schaue ich über die Lehne zurück in die offene Küche, in der er zum stehen kommt. »Eine Serie, aber ich weiß nicht, worum es geht.«
»Das klingt ja sehr spannend«, schmunzelt er. Der Schotte öffnet sich den Kühlschrank, schnappt sich eine Flasche Milch, dessen Inhalt er über sein Müsli schüttet und sich zu mir gesellt. »Ich wusste garnicht, das du das isst«, nuschle ich mit vollem Mund. Ewan nimmt einen Löffel voller Schokoladenmüsli und nickt. »Als ich klein war, habe ich das Zeug nur gegessen«, lässt er mich wissen. Ich rutsche dichter an ihn heran und strecke meine Hand nach seinem Besteck aus, um selbst zu probieren. Er lässt mich machen und bedient sich zur gleichen Zeit an meinem Obst. »Mhm, nicht schlecht«, gebe ich zu. Seine Augenbrauen schnellen in die Höhe. »Nicht schlecht? Das ist das beste Müsli der Welt.«
Ich lache leise und gönne mir die letzten Happen Obst. Meine Beine sind angezogen, mein Knie berührt die Seite seines Oberschenkels. Er lehnt lässig in den Kissen seines Sofas. Sogar wenn er isst, sieht er gut aus. Ich weiß nicht wie er das schafft, immer so elegant und .... reich auszusehen. Alles an ihm schreit, das er viel Geld hat. Es sind nicht seine feinen Hosen oder das teure Hemd, sondern die selbstbewusste Aura die ihn umgibt. Er nimmt jeden Raum ein und lässt die Menschen für sich arbeiten, ohne das sie es merken. Manchmal ist es einschüchternd auf mich.

»Worum ging es im Gespräch mit deinem Cousin? Um meinen Chef?«, erkundige ich mich neugierig und vertilge die letzte Erdbeere. Ewan schaufelt sich noch einen Löffel Müsli in den Mund und nickt. »Ja, wir vermuten das er sich heute mit dem mysteriösen Investor treffen wird«, erzählt er. Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Wir kommen der Wahrheit anscheinend immer näher. »Wird Fergus ihn beschatten?«, frage ich weiter. Der dunkelblonde stellt seine Schüssel beiseite und legt einen Arm hinter mich, auf die Lehne des Sofas. »Ja, mit uns. Wir machen einen kleinen Ausflug nach Inverness. Ich hoffe du spielst gerne Golf.«
Meine Augen Welten sich vor Schock ganz allein. »Wa...was? Golfen?«, vergewissere ich mich. Ewan nickt und schaut studiert mein Gesicht.
»Du wirst es hassen.«

~

Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, als wir zusammen im Geländewagen sitzen und am Loch Ness entlangfahren. Es ist schon Nachmittag, das weiß ich. Mir kommt die Gegend schon so vertraut vor. Als würde ich hier mein ganzes Leben verbracht haben. Im Radio spielt leise Musik. Mein Fenster steht offen und der Wind pustet mir um die Ohren. Ich fühle mich gut.
»Kommt Fergus auch zu uns?«, frage ich Ewan, der den Wagen konzentriert fährt. Er sieht mich dabei kurz an. »Ja, er hat ein Apartment in der Stadt und wird von dort aus allein zum Golfplatz kommen. Du magst ihn, hm?«
»Wir kennen uns doch kaum. Aber er scheint ein netter Kerl zu sein... vielleicht nur etwas distanziert«, gestehe ich. Wieder nickt der dunkelblonde über das was ich gesagt habe. »Ja, er macht schwierige Zeiten durch. Ich glaube das ihm das was wir tun, Ablenkung verschafft«, murmelt er. Meine Mundwinkel gleiten in die Höhe. »Ich finde es nett, dass du das tust. Nicht jeder würde das machen...«
»Das ist selbstverständlich... er ist mein Cousin.«
»Würdest du das für mich auch tun?«
Ich kann den Mund nicht halten, bevor es mir über die Lippen gekommen ist. Es interessiert mich so sehr, das ich es nicht mehr für mich behalten kann. Als Ewan an einer roten Ampel parkt, dreht sich sein Kopf in meine Richtung. Seine Fäuste umklammern das Lenkrad fest. Unsere Augen treffen sich.
»Ja«, lautet seine simple Antwort. Ohne unseren Augenkontakt zu unterbrechen, drückt er aufs Gas und bricht ihn doch ab, als wir über die Kreuzung in die Innenstadt rauschen. Auch meine Augen richten sich wieder nach vorn, doch ich kann das Lächeln nicht verbergen, das an meinen Mundwinkeln zupft. In meinem Bauch kribbelt es noch die gesamte restliche Fahrt über wie verrückt.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt