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EWAN

Mein Gesicht ist fest gegen Erins Schulter gepresst. Sie schläft tief und fest, nichts scheint sie wecken zu können. Nichtmal der krachendlaute Donner, der mich geradeeben aus dem Schlaf gerissen hat. Mein Arm ist eng um sie geschlungen und sie hält meine Hand fest, als wäre sie ihr Rettungsboot. Wir waren uns noch nie so nah, über einen so langen Zeitraum. Es fühlt sich beängstigend gut an. Vor allem, weil sie die erste Frau ist, die in diesem Bett liegen darf. Nachdenklich blicke ich über ihre Schulter hinweg an die kahle Wand. Unter der Decke hat sie ihren Hintern gegen meine Mitte geschoben und bewegt sich die ganze Zeit im Schlaf. Brummend ziehe ich sie enger, damit sie damit aufhört. Will sie etwa das ich sie gleich hier flachlege? Sicher nicht. Gestern musste ich mich ganz schön zusammenreißen es nicht zu tun. Ich habe in ihren Augen gesehen, wie sehr sie es wollte. Aber mit einem verletzen Bein? Das wäre dumm und würde den Heilungsprozess hindern. Nein danke. Ihre Haare liegen in meinem Gesicht. Sie sind so dunkel und lang, das sie sich überall auf dem Kissen verteilt haben. Aber riechen, tun sie nach mir. Egal wie sehr ich es wollen würde, das sie verschwindet und nicht zurückschaut, mein Vater würde sie umbringen, da wäre sie nichtmal durchs Tor. Nun, da sie ein Mitglied seiner Organisation ist, sowieso nicht mehr. Niemand entkommt diesem Strudel aus Gewalt und Furcht. Irgendwann wird sie so wie ich. Sie wird töten, auch wenn sie das früher nicht von sich gedacht hätte. Wir alle tun das irgendwann. Ihre Finger zucken im Schlaf über meinen tätowierten Arm. Sie fahren über den spitzen Dolch, über den Totenkopf mit Stacheldraht und die kleine Abbildung einer Totenschlinge. Ich hindere sie nicht, da sie ohnehin schläft. Jede Stelle die sie berührt, glüht warm auf. Ihre Finger fühlen sich, wie Brennstäbe die auf meiner Haut liegen, an. Ein letztes Mal lasse ich sie machen, bevor ich mich zurückziehe und aufstehe. Ich lege die Decke wieder über ihren Körper, der tief in meinen Sachen versunken liegt. Es sieht lustig aus.
Den Türrahmen durchquerend, werde ich erneut von lautem Donnergrollen begrüßt. Das Wetter scheint noch nicht besser geworden zu sein. Mist. Ich steige unter meine große Dusche und lasse das warme Wasser meinen Körper hinab plätschern, bevor ich mich abtrockne und mir etwas anderes überziehe. Zuguterletzt lege ich mir die Armband Uhr ums Handgelenk und laufe zurück ins Schlafzimmer. Erin hat sich von all dem nicht stören lassen, sie schläft seelenruhig zwischen meinem Kissen.

Leise sinke ich auf die Bettkante hinunter und beobachte, wie die Bäume sich im Wind biegen.
»Bist du schon lange wach?«, höre ich ihre leise Stimme hinter mir fragen. »Nein«, erwidere ich ebenso leise. Sie atmet tief ein und schlägt die Decke hörbar beiseite. »Das Wetter ist ja immer noch so mies...«, stellt sie fest. Ich nicke still und drehe mich zu ihr um. Sie reibt sich ihr verbundenes Bein. »Es wird nicht besser...«
»Es wird immer schlimmer, bevor es besser wird«, murmle ich. Sie schnaubt und zieht es auf den Boden. »Wo willst du hin?«
»Ins Bad, es sei denn, du willst, das ich dir gleich auf den Teppich kotze...«
»Wenn du es auch weg machst?«, zucke ich mit den Schultern und laufe auf sie zu, um sie auf die Beine zu ziehen. »Scherzkeks«, brummt sie genervt und humpelt neben mir her. Zur Sicherheit greife ich ihr unter die Arme und bringe sie in Richtung Bad. Kaum sind wir bei der Toilette angekommen, übergibt sie sich tatsächlich. Mit fest aufeinander gepressten Lippen halte ich ihre Haare zurück und knie mich neben sie.
»Deine Tabletten sind drüben, oder?«
Sie nickt hustend und krallt ihre Finger in die Klobrille. Bei den würgenden Geräuschen die sie von sich gibt, wird mir auch glatt kotzübel. Nach ein paar Augenblicken, hebt sie ihren Kopf an um tief durchzuatmen. Langsam lasse ich ihre Haare los. Unsere Augen treffen sich. »Ich habe trotzdem Hunger«, haucht sie fertig und bringt mich zum grinsen. Ist das ihr Ernst? Kopfschüttelnd hebe ich sie an und trage sie die paar Schritte bis zum Waschbecken, vor dem ich sie auf dem Boden ablasse und zurückgehe, um die Spülung zu betätigen. Erin säubert sich denn Mund, wischt sich die Lippen an einem Handtuch ab und stützt ihre Hände auf den Waschtisch. Mit hängenden Schultern betrachtet sie sich im Spiegel. Sie wirkt unzufrieden. Ich gehe auf sie zu, bleibe hinter ihr stehen und schaue sie durch den Spiegel an. Vorsichtig tippt sie mit ihrem Finger gegen die Tapes auf ihrer Stirn, die die kleine Wunde zusammenhalten. »Hättest du mir nicht früher sagen können, wie ich aussehe?«, meckert sie unzufrieden. Amüsiert sehe ich sie dicht hinter ihr stehend an. »Und? Hätte das etwas geändert?«
Schulterzuckend klemmt sie sich eine dicke Haarsträhne hinter ihr Ohr. Ich hebe meine Hand, um ihr die restliche Haarpracht über die Schultern zu legen. Sie reichen ihr bis zu den Ellenbogen, sind so dunkelbraun wie das Holz der Bäume hier draußen. Der Kontrast, den ihre blauen Augen dazu geben, habe ich vorher noch nie bei einem Menschen gesehen. Wie das warme blau des Pazifiks spiegeln sie sich im künstlichen Licht des Waschtischs.

»Müssen wir uns in den Regen wagen?«, fragt sie mich nachdenklich, mit einem flüchtigen Blick zu den nassen Fensterscheiben. »Früher oder später, ja. Aber der Kühlschrank ist voll, falls du-«
»Ja«, unterbricht sie mich schnell, »ich will noch nicht ins Zimmer zurück.«
»In Ordnung, dann darfst du mir heute mal deine Kochkünste zeigen.« Mit diesen Worten hebe ich sie an und verlasse das Zimmer. Erin quietscht erschrocken auf und klammert sich wie ein Äffchen an mich. »Ich?«, piepst sie, »ich bin verletzt.«
»Ich stell' dir einen Stuhl vor den Ofen.«
»Sehr nett von dir«, murrt sie und boxt mir gegen die Schulter. Amüsiert biege ich, am Wohnzimmer vorbei in die offene Küche ab. Sie ist nicht so groß wie im Castle, dennoch gut bestückt. Wie angekündigt setze ich Erin auf einem der Barhocker an der Kücheninsel ab, ihr Bein lege ich auf einen anderen. Als ich ihr gegenüberstehe, lege ich meine Hände auf der Arbeitsfläche ab und sehe sie erwartungsvoll an. »Also, was soll ich kochen?«
Grübelnd stützt sie ihr Kinn in die Handfläche. »Pfannkuchen?«
»Aye«, seufze ich und mache mich an die Arbeit. Da ich selbst keine möchte, mache ich mir in einer zweiten Pfanne Spiegeleier. Erin beobachtet mich die ganze Zeit über genau.

Während ich den Teig für ihre Pfannkuchen rühre, fällt mir etwas ein. »Die Ärztin hat mir auch die Bilder gemailt«, erzähle ich. Sie beißt sich unsicher auf die Lippe und senkt ihre Augen auf die Arbeitsplatte. »Ach ja?«, fragt sie wispernd. Ich nicke bestätigend. »Möchtest du sie sehen?«
Erin atmet aus, nickt schluckend. Ich sehe ihr an, wie schwer es ihr fällt, die Hand nach meinem Telefon auszustrecken. Ich klicke auf das erste Bild und reiche es ihr. Mit einem Pfannenwender drehe ich ihr Frühstück um, dabei lasse ich sie nicht aus den Augen. Für eine Weile starrt sie gedankenverloren auf das Display und schweigt. Ich würde gern wissen was in ihr vor geht, doch im Moment scheint sie eine dicke Mauer zu umgeben. »Hast du schon eine Idee, was du tun wirst?«, komme ich dennoch darauf zu sprechen, selbst wenn es ihr nicht gefällt dass ich das Thema aufbringe. Früher oder später müssen wir darüber sprechen. »Nein«, flüstert sie nachdenklich, »was würdest du tun?«
Will sie das wirklich wissen, oder ist sie nur höflich? Mit einem Handgriff schalte ich die Herdplatte aus und schaufle unser Frühstück auf zwei Teller. »Keine Ahnung«, gebe ich ehrlich zu.  Bis jetzt habe ich nie ernsthaft über Kinder nachgedacht. Sowieso hätte ich nie gedacht, mal in diese Situation zu kommen. Meine Eltern wollten mich schon ein paar mal mit einer Frau verkuppeln, von der sie dachten das sie gut in unsere Familie passt. Meinem Vater ging es dabei wohl eher um ihren Vater, der einer der anderen Clanchefs ist. Die Heirat hätte unser Gebiet verdoppelt und uns sehr viel Macht verlieren. Macht, die wir auch so erlangt haben. Manchmal denke ich, dass er immer noch sauer auf mich ist, weil ich abgelehnt habe.
»Was hältst du davon, wenn wir klären wer mich umbringen wollte und dann darüber sprechen?«
Ich schiebe ihr einen Teller hin und Besteck dazu. Erin schraubt sich ein Glas Nutella auf, das ich aus dem Schrank hole. »Das hört sich gut an«, stimmt sie zu. Erin nimmt eine volle Gabel ihrer Pfannkuchen und wendet ihr Gesicht ab, in Richtung Fenster. Ich pikse mir ein Stück Spiegelei aus der Pfanne an und studiere ihr Gesicht, während sie auf die nassen Scheiben starrt.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt