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ERIN

Es vergehen Minuten, die sich wie Stunden anfühlen. Ich wir sitzen im Wagen und warten darauf, das Fergus zurückkehrt. Im Moment ist weder er, noch Mister Barnes in Sicht. Auch der SUV wurde vor vierzig Minuten in eine Parklücke umgeparkt. Es ist ungewöhnlich ruhig in den Straßen der Stadt. In Manchester ist viel mehr los, was nicht wunderlich ist, die Stadt ist größer. Nur aus der Bar kommen ab und zu zwielichtige Gestalten getorkelt. »Denkst du, das alles in Ordnung ist?«, frage ich Ewan nach einer Weile der Stille. Nichtmal das Radio läuft. Ich habe meine Beine noch auf dem Sitz angezogen und bin tiefer in das Leder gerutscht. Meine Schuhe stehen im Fußraum, es ist bequemer ohne sie. Ewan, der seinen Arm auf der Tür abgelegt hat und seinen Kopf in die Hand stützt, zuckt mit den Schultern. In seiner rechten Hand liegt das silberne Feuerzeug, mit dem er die ganze Zeit spielt. »Er weiß, was er tut«, erwidert er ruhig. Ihn scheint es offenbar nicht zu beunruhigen. »Wie lange willst du noch warten?«
»So Lange wie möglich.«

Ich seufze und schaue wieder auf den Eingang des Hotels. Niemand ist weit und breit in Sicht. »Was, wenn du dich geirrt hast?«
»Habe ich nicht«, brummt er sofort. Kann er sich den nicht eingestehen, wenn er sich geirrt hat?
»Aber es wäre eine Möglichkeit«, spreche ich weiter. Der Deckel des Feuerzeuges klatscht auf das Stück, Metall auf Metall. Er schiebt seine Hand in die Tasche seiner Hose, nur um gleich darauf etwas winziges, glitzerndes hinauszuziehen. »Und was denkst du wer der gehört?«, fragt er mich ernst und hält mir einen funkelnden Ring unter die Nase. Mit gerunzelter Stirn und den Brauen tief zusammen gezogen, nehme ich ihn selbst in meine Hände und drehe ihn in meinen Fingern. Das Gold fühlt sich kalt an, der Ring schwer. Ein B ist darauf gedruckt, alles schreit nach einem Siegelring. »Denkst du er gehört Mister Barnes?«, spreche ich meine Gedanken leise aus. »Ich denke da bleibt kein Zweifel«, erwidert Ewan. Trotzdessen schüttle ich meinen Kopf Lippenbeißend. »Nein. Er trägt nie Schmuck. Außerdem ist der viel zu groß und schwer, um ihn den ganzen Tag zu tragen. Mein Chef mag keinen Schmuck, erst recht nicht sowas. Der kann niemals ihm gehören«, versuche ich Ewan klarzumachen. Mister Barnes würde sowas nie tragen. Er ist nicht der Mensch dafür. Ich bin mir sicher, das er nichtmal einen Ehering tragen würde, würde er verheiratet sein. Unmöglich kann er ihm gehören. Also wem dann?

»Dafür würde ich meine Hände nicht ins Feuer legen, Erin«, rät Ewan mir und schnappt ihn sich wieder, um ihn zu verstauen. Nachdenklich sehe ich ihn von der Seite an. Im schummrigen Licht der Laternen ist sein kurzer Bart nur ein Schatten. Immer wenn ich meine Augen schließe, sehe ich den dunkelblonden Schotten vor mir. Es mag dumm klingen, aber in letzter Zeit ist er mein einziger Vertrauter. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, zurück nach Manchester zu gehen. Dafür ist es viel zu spät. Meine Mundwinkel zucken als sich unsere Blicke treffen. Er erwidert es nicht. Stattdessen hebt er seine Hand an meine Wange und streicht mir ein paar Strähnen meiner Haare hinter das linke Ohr. Mein Herz flattert auf.
»Danke das ich mit durfte«, bedanke ich mich flüsternd. Der einsetzende Regen plätschert beruhigend auf die Frontschreibe und lässt mich noch tiefer in seine Blicke abdriften. »Du bist jetzt eine von uns«, murmelt er. »Ach ja?«, frage ich nach. Er will gerade zu seiner Antwort ansetzen, als seine Augen zum Hotel gleiten und seine Züge eiskalt werden. »Fuck, dieser Idiot!«, zischt er und seine Hand verschwindet. Ich folge seinem Blick und mache einen pitschnassen Fergus aus, der auf uns zuläuft. Er schaut aus wie ein nasser Pudel. »Du bleibst sitzen«, brummt Ewan neben mir und steigt aus. Ich höre nicht was die beiden besprechen. Fergus Hände fliegen abwehrend in die Luft und er gestikuliert wild mit ihnen. Auch Ewan scheint sich aufzuregen. Ahnungslos verfolge ich, wie sie nach einigen Worten wieder einsteigen. Fergus hievt sich auf den Rücksitz, genau in die Mitte, und zieht die Tür knallend hinter sich zu. Durch den Rückspiegel erkenne ich, wie er sich seine tropfenden Haare aus dem Gesicht streicht.
»Alles okay?«
Ich neige meinen Kopf in seine Richtung und schaue ihn an. Unterdessen steigt Ewan ein und startet den Wagen. Sein Cousin antwortet ein einfaches »Mhm«, mit finsterem Blick. Noch bevor Ewan ausgeparkt hat, liegt eine Tüte in seinen Händen. Ich will nicht wissen, was er für Drogen sind, weswegen ich meinen Kopf abwende und ziellos aus dem Fenster in die düstere Nacht blicke. Die Scheibenwischer tuen ihr bestes, aber die Straße verwandelt sich in einen einzigen Bachlauf. Während der Fahrt, wechseln wir keine Worte mehr. Was auch immer zwischen den beiden eben vorgefallen ist, niemand spricht darüber.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt