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ERIN

Monate später...

Mein Magen macht Geräusche, als hätte ich tagelang nichts mehr gegessen. Dabei hatte ich heute morgen ein üppiges Frühstück. Leise beginne ich zu lachen. Auch Ewans Lippen, die sich gegen meine Schulter drücken, verziehen sich zu einem Lächeln. »Klingt als würdest du hungern«, bemerkt er und schiebt seine Hand von meiner Seite, über das straffe Shirt auf meinen runden Bauch. Seine Hand strahlt eine beruhigende Wärme ab. Meine Hand schlängelt sich auf seine. Augenblicklich tritt das kleine Mädchen Ewan kräftig gegen die Hand und bringt uns zum Lachen. »Wie frech sie doch ist. Ich glaube nicht das sie mich mag«, lacht er und ich halte mir den Bauch vor lachen. »Gott bitte hör auf dich darüber zu amüsieren, mein Rücken tut vor lauter lachen schon weh«, kichere ich aber verziehe meine Lippen schmerzlich. Ewan verstummt langsam. Auch die Tritte werden zarter. Entspannt schließe ich wieder meine Augen. Ewan und ich liegen auf dem Sofa im
Gästehaus. Das Feuer knistert im Kamin. Draußen fallen die letzten Blätter vom den Bäumen. Nicht mehr lang und es wird Winter. Nächste Woche soll es bereits das erste mal schneien. Ewan ist erst vor wenigen Minuten aus Inverness zurückgekommen. Er und die anderen Männer haben ein paar Dinge erledigt. Wissen um was es ging, tue ich nicht. Seit Monaten schon rückt er nicht mit der Sprache raus. Ich weiß nur, dass es etwas illegales ist, mit dem sie ihr Geld verdienen.

»Wie war dein Tag?«, frage ich ihn und ziehe kleine Kreise auf seinem Handrücken. Seine Daumen streichelt immer wieder über das Shirt. Die kleine boxt ihm gegen die Hand. »Produktiv. Aber ich bin froh wieder hier zu sein.«
»Ich bin auch froh, dass du wieder hier bist. Das sind wir beide«, korrigiere ich mich flüsternd. Der Schotte küsst meinen Hals sanft. Er ist in letzter Zeit sehr sehr lieb zu mir. Er passt auf das ich nichts falsches esse, kocht mir alles was ich will, kauft mir alles was ich will. Würde ich ihm nach hundert Litern Eis fragen, würde er sie mir ohne zu zögern besorgen. Zu seiner Unzufriedenheit, verlange ich allerdings nicht viel. Mir reicht etwas warmes zu haben und ihn bei mir. Das ist alles was ich möchte. Alles was mein Herz begehrt.
»Wie war dein Tag?«
»Gut. Ich habe endlich geschafft ihre Wäsche zusammenzulegen und sie in den Schrank zu sortieren. Danach habe ich meine Beretta saubergemacht. Sie verstaubt oben in der Schublade...«
»Langsam klingst du wie eine richtige Duncan, Kätzchen. Die Pistole hättest du auch mir geben können. Und ich habe dir doch gesagt, dass das Hausmädchen auch die Sachen zusammenlegen kann«, erinnert er mich. Ewan ist süß. Er sorgt sich, aber manchmal vergisst er, das ich nicht aus Glas bin.
»Ich kann das selbst, da muss ich doch nicht noch das Hausmädchen deiner Eltern einspannen. Immerhin ist das unser Baby.«
»Solange du keinen Fuß auf einen Stuhl oder eine Trittleiter setzt...«
In seinen Armen drehe ich mich auf den Rücken und winkle meine Beine an. Meine Hände ruhen auf meinem Bauch. Augenblicklich lassen meine Rückenschmerzen etwas nach. Seufzend sinke ich tiefer ins Sofa. »Als ob ich noch auf einen Stuhl klettern könnte Ewan«, murmle ich. Der blonde Schotte wirkt erleichtert. »Das ist gut. Ich will nicht das etwas passiert«, erklärt er mir. Dieses kleine Mädchen liegt ihm sehr am Herzen. Seit er das erste mal ihre Tritte gespürt hat, geht er jeden Tag sicher, dass sie einen Kuss bekommt. Egal was andere Menschen über ihn sagen oder wie kalt er auf sie wirken mag. Ewan hat den weichsten Kern wenn es um sie geht, das mir das Herz fast schmilzt.

Verträumt tippe ich meinen Finger gegen die Stelle gegen der ihr Füßchen tritt. Sie antwortet sofort darauf und kickt erneut. Ich könnte das stundenlang machen. Aber immer wenn ich schlafen will, ist sie wach und tobt. Es ist anstrengend.
Ewan richtet sich langsam aber sicher vom Sofa auf und streckt mir seine beiden Hände entgegen, die ich dankend annehme. Er zieht mich vom Sofa hoch auf die Beine und schlingt seine Arme um meinen Rücken. Zwischen uns passt kein Blatt mehr. »Was möchtest du essen?«, fragt er lächelnd nach. »Mhm, ich weiß nicht. Vielleicht etwas von der Kürbis Pasta, die du letztens schon einmal gemacht hast. Die war lecker«, fällt mir ein. Er nickt. »Sicher, wir haben noch einen Kürbis. Willst du mir helfen?«
»Ja, gerne.«
Er küsst mich vorerst das letzte mal, dann folge ich ihm die paar Meter weiter in die offene Küche. Wie immer sinke ich auf den einen Stuhl an der Kochinsel und lasse mir von ihm das nötige Zeug geben. Ich soll ein bisschen Parmesan hobeln. Er köpft den großen Kürbis und schon geht es los.

~

Vierzig Minuten später laufe ich mit einer Decke um den Schultern über einen der Wege im Garten. Ewan hat ein Feuer an der Feuerstelle gemacht und das Essen auf zwei Teller geschippt. Ich gehe die paar Stufen hinab und setze mich neben ihm auf das Ecksofa. Von hier aus hat man einen fantastischen Ausblick. Über dem Loch Ness liegt eine leichte Nebeldecke. Zu dieser Jahreszeit ist es hier oft neblig. Ich lasse Ewan mit unter die Decke schlüpfen und bekomme von ihm einen Teller in die Hand gedrückt. Meine Füße lege ich auf den Rand der Feuerschale.
Die Nudeln die ich mir auf die Gabel wickle dampfen noch. Die ersten Bissen schmecken immer am besten. Das süßliche des Kürbis und das herbe des Parmesans gehen gut einher. Es ist wahnsinnig lecker. Den Teller habe ich auf meiner Bauchdecke abgesetzt. Die kleine scheint es nicht zu stören, die ist nämlich gerade am schlafen. »Möchtest du mir wirklich nicht erzählen, was du in der Stadt treibst?«, hake ich kauend nach. Ewan schiebt sich schnell noch eine Gabel in den Mund, um mehr Zeit zum antworten zu haben. »Ich glaube das die Antwort dir nicht gefallen wird«, meint er. Ich halte für einen Moment inne und beobachte ihn von der Seite. Seine markanten Züge sind weicher, wenn er bei mir ist. »Ich glaube das ist mir egal. Geheimnisse sind blöd«, sage ich. Zustimmend nickt er. »Ich weiß und es gefällt mir auch nicht, glaub mir Erin. Aber ich will dich im Moment nicht damit belasten.«
»Mit was?«, hake ich verwundert nach. Was verschweigt er mir?
»Was tust du da für deinen Vater?«
»Es ist nicht für meinen Vater. Naja nicht ausschließlich. Frühs bis Nachmittags arbeite ich für ihn, abends komme ich einer anderen Sache nach.«
»Und die wäre?«
Wieder lässt er eine Pause. Seine ernsten Augen treffen die meine. Was in ihnen zu erkennen ist fast unmöglich. Selbst nach all den Monaten sehe ich noch ein wenig Schmerz in ihnen. Das mit dem Attentat und allem was danach passiert ist, hat ihn mehr mitgenommen als er zugeben will. Er ist ein Sturkopf, aber trotzdem liebe ich ihn. Deswegen fühle ich auch so mit ihm mit.

Ewan atmet tief aus und starrt mir entgegen. »Ich weiß das es blöd von mir ist, aber in den letzten Wochen war ich damit beschäftigt, deinen Onkel ausfindig zu machen«, offenbart er mir. Meine Augen weiten sich und meine Kehle schnürt sich zusammen. »Wie bitte?«, krächze ich und stelle meinen Teller beiseite. Mir ist alles vergangen. Ewan streift sich durch die Haare und stellt ebenfalls seinen Teller zur Seite. »Ich hätte zuerst zu dir kommen sollen, aber ich wusste nicht, wie ich es ansprechen soll. Du hast viel mit dem Baby zu tun und hast dich nicht gut gefühlt, da wollte ich nicht auch noch für mehr Schmerz sorgen«, versucht er mir zu erklären. Kopfschüttelnd wende ich meinen Kopf nach vorn und starre ins Lagerfeuer. »Wieso hast du es überhaupt getan?«, wispere ich fragend mit dünner Stimme. »Weil ich nicht zusehen kann, wie er weiter dein Leben beeinflusst. Du leidest immer noch darunter. Erst wenn du damit abschließen kannst, wird es dir seelisch besser gehen, Erin. Ich will dir nur helfen süße.«

Blinzelnd kämpfe ich gegen die Tränen an, die sich ihren Weg bahnen. Was soll ich nur davon halten? Das was mein Onkel damals getan hat, ist schon so lange her und doch beeinflusst es mich noch heute. Ich weiß nicht ob ich bereit bin, diesem Kapitel meines Lebens wieder entgegenzutreten. Allein die Erinnerungen daran, gehen mir unter die Haut. Ich hasse mich dafür, das ich weinen muss.
Schniefend wische ich mir die Tränen weg und lasse zu, das Ewan mir seinen Arm um die Brust schlingt und uns mehr in die Decke hüllt. »Erin-«
»Nein, schon gut...«, unterbreche ich ihn, »was hat deine Suche ergeben? Hast du ihn gefunden?«, will ich hauchend wissen. Die Stille die folgt sagt mir alle. Ich will es nicht wahrhaben, selbst als er es ausspricht. »Ja habe ich.«

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt