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ERIN

Ich hole tief Luft. Es ist warm, dort wo ich liege. Mein Körper wurde weich gebettet, vermutlich auf einer Matratze. Es ist hell im Raum, was mir verrät das es bereits Tag sein muss. Mir ist kotzübel und mein Kopf brummt wie ein Dieselmotor. An meiner Hand mache ich etwas kaltes aus, das durch meine Venen fließt. Es fühlt sich wie eine Infusion an. Ein kleiner Schlauch liegt unter meiner Nase, der sanft frische Luft in meine Nase pustet. Mit geschlossenen Augen Taste ich nach dem kleinen Plastikschlauch in meinem Gesicht, er soll mir anscheinend beim atmen helfen. Mein Bein tut schon nicht mehr weh, doch das liegt vermutlich an diversen Schmerzmitteln, die ich bekomme. Ich bin also nicht Tod. Orientierungslos schlage ich meine Augen auf und blinzle gegen die grelle Sonne an. Meine Stirn pocht unangenehm auf.

Tatsächlich befinde ich mich in meinem Zimmer. Ich liege im Bett, wurde mit zwei Decken zugedeckt. An meinen Fingern klebt kein Blut mehr. Wie immer bin ich allein. Verwirrt schaue ich an mir hinab. Eine Infusion hängt neben dem Bett und fließt in mein Handgelenk. Was das wohl ist?
Angestrengt will ich mich aufsetzen und merke schnell, das mein Körper noch zu schwach dafür ist. Frustriert sinke ich wieder in die Kissen zurück und spüre sofort wie mein Bein schmerzt. Keuchend atme ich aus und jemand bewegt sich. Erst jetzt mache ich Ewan aus, der im Sessel neben dem Fenster, im Schatten sitzt. Er trägt einen schwarzen Kapuzenpullover und hat die Hände tief in den Taschen vergraben. Er schaut mich undeutbar an. Mit klopfendem Herzen blicke ich ihm in die Augen. Ich kann nichts aus seinen Iriden ablesen. Weiß weder, was er fühlt noch was hier los ist.
»Habe ich es geschafft?«, krächze ich am Ende meiner Kräfte. Der dunkelblonde Schotte nickt einmal. »Hast du«, flüstert er rau. Ich sinke erleichtert zusammen. In meinem Kopf herrscht Nebel, der sich nicht lichtet. Was haben die mir gegeben? »Was ist passiert?«, wispere ich fragend. Die letzten Minuten vor meinem Zusammenbruch sind verschwunden und haben ein schwarzes Loch hinterlassen.
»Du wurdest angeschossen. Die Kugel ist glatt durch deinen Oberschenkel, du hast viel Blut verloren.«
»Aber ich lebe«, erwidere ich trüb, meine Augen fallen immer wieder zu. Als der Schmerz in meinem Bein stärker wird, verziehe ich die Lippen unangenehm. Ewan erhebt sich stöhnend und kommt auf mich zu. Prüfend mustert er den Infusionsbeutel und hebt seine Hand, aus dem Pullover an den Beutel. An einem kleinen Rädchen am Schlauch dreht er und sogleich fließt mehr Schmerzmittel in meine Vene. Ruhe macht sich in meinem Körper breit. Ich seufze müde auf, schließe die Augen für einen Moment. Sein Blick ist spürbar auf mich gerichtet. Ich streife unter der Decke mit der Hand gegen mein Bein und fühle einen dicken Verband um meinen Oberschenkel.
»Musste es genäht werden?«
»Ja, es wird noch eine Weile wehtun.«
Blinzelnd sehe ich auf. Er steht noch neben dem Bett und blickt monoton auf mich hinab. Ich kann sehen, das er etwas hat. Etwas scheint ihm nicht zu passen. »Was?«, krächze ich mit trockener Kehle, »was hast du?«

Ewan antwortet nicht. Stattdessen wandern seine Augen meinen Körper hinab und wieder hinauf. Frustriert mustere ich seine Züge. Sie sind steinhart und kalt. So kalt wie damals, als er mir die Waffe an den Kopf gehalten hat. Irgendetwas hat er. Verheimlicht er mir etwas? Mein Herz klopft schmerzlich auf, das ganze Schmerzmittel muss meinem Körper zu schaffen machen. Irgendwie muss ich mich ablenken. »Du hast mir versprochen, das du mir alles erzählen wirst«, wechsle ich das Thema, bin mir nichtmal sicher ob er es gehört hat, da meine Stimme so leise klingt. Er kehrt mir den Rücken und blickt aus dem Fenster, die Hände noch immer tief in den Taschen vergraben. Ich starre seinen breiten Rücken an, warte bis er antwortet.
»Du solltest erst zusehen, das du wieder in Ordnung kommst. Ich denke nicht, das du gerade sehr Aufnahmefähig bist. Nichts für ungut, aber die Schmerzmittel sind ziemlich stark«, merkt er an. Vermutlich hat er recht. Trotzdessen sehne ich mich nach antworten. Die paar Tage, werde ich wohl oder übel noch warten müssen.

Unter der Decke ziehe ich kleine Kreise auf meinem Oberschenkel. Mein Bein drückt unangenehm gegen den straffen Verband und ich bin froh, nicht all meine Schmerzen ertragen zu müssen. Nur die Übelkeit ist mir geblieben. Schluckend stütze ich mich auf meinen linken Unterarm und versuche mich aufzusetzen, als mir schlechter wird. Laut ausatmend versuche ich irgendwie, mich zu halten. Als Ewan das mitbekommt, läuft er auf mich zu und hält mich fest. Er zieht einen Eimer herbei und schon übergebe ich mich. Da mein Magen leer ist, steigt nur Galle auf. Meine Lippen brennen und ich fühle mich elendig. Zitternd grabe ich meine Fingerkuppen in sein Bein und schnappe nach Luft. Ich kann mich nicht mehr halten.»Mach langsam«, mahnt er mich leise und hilft mir, mich wieder hinzulegen. Er sitzt noch immer auf der Bettkante, schiebt den Eimer mit dem Fuß weg und sieht mich an. »Wir müssen reden«, murmelt er ernst. Er reicht mir ein Glas Wasser, aus dem ich einen kleinen Schluck trinke und wieder in die Kissen sinke.
»Über was?«
»Hast du in den letzten Wochen deine Periode gehabt?«, will er trocken wissen. Nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ein einfaches Kopfschütteln reicht als Antwort. In letzter Zeit war so viel los, dass ich das total vergessen. Das ist einfach unmöglich...
»Das kann nicht sein, ich... ich habe eine Spirale. Das ist unmöglich«, flüstere ich aufgewühlt. Wie in aller Welt könnte das passieren? Meine Ärztin hat mir versichert, das es absolut zuverlässig ist. »Und wenn dieses Ding nicht mehr an Ort und Stelle ist?«, fragt Ewan. Ungläubig schüttle ich meinen Kopf abermals, solang bis meine Augen glasig werden. »Das kann nicht sein!«, wiederhole ich mich wieder. Es fühlt sich an, als würde mir jemand eine Schlinge um den Hals ziehen. Ich bekomme kaum noch Luft, auch meine Sicht wird verschwommener, als Tränen meine Wangen nässen. »Bitte glaub mir, Ewan. Das muss ein Missverständnis sein«, wispere ich flehend. Mein Herz schmerzt bei jedem Schlag. Er verzieht seine Lippen und starrt an die blanke Wand vor uns. »Besser wäre es. Ein Kind ist gerade das letzte, das ich gebrauchen kann«, brummt er. Dabei weiß er nicht, wie sehr er mich damit verletzt. Ich hoffe einfach, das es für alles eine plausible Erklärung gibt. »Morgen kommt eine Ärztin, die dich untersuchen wird. Dann wissen wir es.«
Er erhebt sich, langt nach dem Eimer und läuft fort. Schluchzend sehe ich ihm nach und kneife meine Augen zusammen. Jeden Schritt den er fortläuft, wiegt schwer auf meinem Herzen. Ich hoffe, das all das ein Ende hat.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt