EWAN
Erin ist die letzte, die in den Wald gerannt ist. Seitdem stehe ich, an einen der Tische gelehnt auf der Wiese und starre an die Bäume, zwischen denen sie verschwunden ist. Ich höre Schüsse, Schreie, aber noch niemand hat eine der Flaggen gefunden. Die Sonne ist gerade untergegangen, also kann es noch etwas dauern. Mein Vater steht neben seinem besten Freund und seinen ältesten Mitgliedern, sie plaudern gutgelaunt. Zu meiner rechten brennt ein kleines Lagerfeuer, an dem ein paar andere seiner Männer sitzen. Man könnte meinen, dies hier sei ein Fest. All die gutgekleideten Männer hier schauen aus, als würden sie zu einem schicken Essen gehen oder einer Feier. Stattdessen zelebrieren sie dieses grausige Event. Ich hasse es, das habe ich schon immer. Ich weiß, genau wie mein Cousin, wie unfair es ist. Nur weil wir Duncans sind, blieb uns diese Farce erspart.
Fergus reicht mir ein Glas Schnaps und gesellt sich neben mich. Er setzt sich auf die Tischplatte, während ich dagegen lehne und das Glas in meinen Händen kreisen lasse. »Kippe?«, nuschelt mein Cousin. Ich sehe ihn an, nicke dann. Er hat schon eine zwischen den Lippen und streckt mir seine Schachtel entgegen. Still nehme ich mir eine und entzünde sie mit dem silbernen Feuerzeug, das kurz darauf wieder in meiner Hosentasche verschwindet. Der erste Zug verschafft mir Ruhe, darauf folgt ein Schluck des Schnapses aus meinem Glas. Fergus schnaubt kopfschüttelnd neben mir. Seine Lippen sind amüsiert verzogen. »Was?«, murre ich ihm entgegen, ohne mein Gesicht vom Wald abzuwenden. Der Boden seines Glases berührt hörbar den Tisch. »Denkst du etwa, die kleine wird es nicht schaffen?«, fragt mich mein Cousin. Auf dem Kiefer mahlend, überlege ich, was ich antworte. Ob ich glaube, das sie das packt? Die letzten Tage hat sie mir gezeigt, das sie gut mit meiner Pistole umgehen kann, also ja, ich denke schon. »Sie hat gute Chancen«, murmle ich. Fergus schaut mich ungläubig an, das ist wohl nicht die Antwort, die er erwartet hat. »Wieso? Weil du sie fickst?«
»Halt deine Klappe, Fergus«, brumme ich genervt und exe mein Glas. Mit einem Knall landet es neben seinem auf dem Tisch. Ich werfe ihm einen knappen aber bösen Blick zu, bevor ich wieder an meiner Zigarette ziehe.
»Du bist ein Arsch.«
»Erzähl mir was neues«, grinst er. Augenverdrehend schiebe ich meine freie Hand in meine Hosentasche und Puste den Rauch in Richtung Himmel. Es ist kälter geworden. Es ist windstill, aber höchstens zehn grad warm. Vielleicht sollte ich mir langsam mal eine Jacke besorgen. Wenn ich hier noch für weitere Stunden stehe, wird selbst mir kalt werden. Normalerweise feiere ich nicht so schnell, doch bei Nacht, ist die Kälte unerträglicher.
»Hast du eigentlich etwas neues herausgefunden, das uns weiterhelfen könnte?«, wechsle ich das Thema und ziehe erneut an meiner Kippe. Mein Cousin schiebt sich die Hände in die Taschen seiner Jacke und schüttelt den Kopf. »Bis jetzt nicht«, verneint er leider meine Frage. »Das ist beschissen, weißt du das?«, nörgle ich genervt. Ich bin es leid, nichts in Erfahrung bringen zu können, was meinen Angreifer angeht. Es sind Wochen vergangen und ich weiß immer noch nicht, wieso oder wer mich töten wollte. Das macht mich einfach fertig. Nichtmal mein Vater kann sich das erklären. Es ergibt einfach alles keinen Sinn.
»Du willst mir erzählen, das dieser Typ vor sechs Wochen versucht hat, mich umzubringen und wir nichts in Erfahrung bringen konnten? Weißt du, wie mich das abfuckt?«, lasse ich meiner Wut freien Lauf. Sauer stampfe ich den glühenden Stängel auf der feuchten Wiese aus und richte mich auf. Fergus schweigt. »Ich gehe mir eine Jacke holen«, brumme ich und laufe los. Das was er noch zu mir sagt, verstehe ich nicht mehr. Mit großen Schritten gehe ich zurück zum Castle. Im Wohnzimmer sehe ich noch Licht brennen. Meine Mutter sitzt auf dem Sofa und starrt lustlos in den Fernseher. Wie jedes Jahr an diesem Abend, kann sie nicht schlafen.
»Hey«, lächelt sie mich dennoch müde an. Ich nehme mir einen Moment und halte inne. »Hey, alles okay?«, frage ich sie und verdränge meine Wut vorerst. Die Schottin nickt matt lächelnd. »Mhm, ich kann nicht schlafen. Wie läuft es?«, erkundigt sie sich und schaut durch die großen Fenster in den beleuchteten Garten. Von hier vorn sieht man rein gar nichts. »Bis jetzt ist noch niemand zurück«, antworte ich. Mom nickt. Sie pustet nachdenklich ihren Tee kalt und schenkt mir ein letztes Lächeln, das ich erwidere, bevor ich weiterlaufe. Aus dem Fernseher höre ich eine aufgeregte Diskussion, die sie zum Lachen bringt. Bis auf das, ist es völlig still im Haus.Ich eile die Treppe nach oben in den ersten Stock, um mir eine Jacke aus meinem Zimmer zu holen. Üblicherweise schlafe ich im zweiten Gästehaus, aber seit Erin hier ist, habe ich meine Sachen hier, um sie besser beobachten zu können. Vor meiner Tür stehend halte ich inne und werfe einen Blick auf ihr offen stehendes Zimmer. Das Fenster ist noch immer geöffnet und lässt kalte Luft hinein. Kurzerhand entschließe ich mich dazu, es zu schließen. Ich betrete ihr Zimmer und es fühlt sich sofort merkwürdig an, das sie nicht hier ist. Ihre Sachen liegen hier herum, obwohl sie recht ordentlich ist. Eine Packung Tabletten fällt mir ins Auge, die auf ihrem Nachttisch liegt. Mit gerunzelter Stirn lange ich nach der weißen Packung und lese was darauf steht. Es sind Magentabletten. Wieso zum teufel nimmt sie die? Und wo hat sie die her? Mir fällt nur eine Person ein - meine Mom. Mit aufeinander gepressten Lippen lege ich sie auf ihren Platz zurück und schließe endlich das Fenster. Das meine Mutter mit ihr gesprochen hat, gefällt mir nicht. Sie vergisst, das Erin kein Gast ist. Sie ist schon viel zu lange hier. Kaum zu glauben, das es schon sechs Wochen sein sollen. Habe ich mich da auch nicht verzählt? Grübelnd schaue ich nach draußen, auf die sprudelte Fontäne des Schwimmteiches. Ich gehe es in meinem Kopf durch, aber komme zum gleichen Ergebnis. Es sind tatsächlich sechs Wochen. Sechs Wochen in denen wir jede Woche Sex hatten.
Nein.
Mein Herz springt panisch auf. Ich stolpere ein paar Schritte ins Zimmer, eile in ihr Badezimmer. Neben der Toilette steht ein silberner Mülleimer, den ich eilig aufreiße. Neben einer leeren Packung Tabletten liegt nichts darin. Nichts das darauf hinweisen könnte, das sie ihre Periode gehabt hätte. Nichts. Kopfschüttelnd knalle ich den Deckel zurück auf den Eimer und raufe mir die Haare. Das darf nicht wahr sein. Im Moment, ist dass das letzte, das ich gebrauchen kann. Wie konnte ich so dumm sein? Wütend schnellt meine geballte Faust gegen die kalten Fließen. Es kracht und ein Schmerz macht sich in meinen Fingerknöcheln breit, den ich vollständig ignoriere und aus ihrem Zimmer in meines stolpere. Ich greife mir die erstbeste Jacke und sinke verwirrt auf mein Bett. Was soll ich jetzt tun? Was verdammt? In diesem Moment hasse ich mich selbst. Ich hasse es, das es passiert ist. Hasse es, das wir es im Hotelzimmer getrieben haben. Vielleicht wären wir uns nie begegnet, hätte ich nicht noch einen Drink gebraucht. Dann wäre das alles ohne sie geschehen und ich würde vielleicht irgendwo tot in einer Ecke liegen, oder immernoch im Dunkeln tappen, wer mich töten wollte. Aber das? Nein, nichts auf der Welt könnte etwas an dieser Sache ändern. Ich habe mich endlos tief in die Scheiße geritten. So tief, das ich mich nicht mehr retten kann. Haare raufend stütze ich meine Ellenbogen auf die Knie und schließe die Augen.
»Du bist so ein Idiot!«, zische ich mir zu. Das darf nicht wahr sein. Wie konnte es nur soweit kommen?
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Highland King | 18+
Romance»Ewans verruchte, dominante Art sollte mich in die Flucht schlagen. Doch stattdessen zieht sie mich an wie ein Magnet, zudem ich der Gegenpol bin.« Erin fällt dem gut-aussehendem Schotten Ewan buchstäblich in einer Bar vor die Füße. Sie denkt sich n...