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ERIN

Fuck.
Mit eiligen, aber humpelnden Schritten laufe ich nach oben. Vor keinen fünf Minuten haben sich seine Eltern von uns ins Bett verabschiedet. Wir haben gewartet bis sie weg waren und gehen nun selbst nach oben. Bereits die ganze Zeit schwirrt mir die Szene von eben durch den Kopf. Glenna weiß es - da bin ich mir sicher. Wieso sollte sie mich sonst so angesehen haben?
Frustriert werfe ich mir die Haare nach hinten und zwirble sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Ewan ist schon fünf Schritte vor mir, ich kann kaum mithalten. »Warte doch mal«, murre ich genervt und zupfe an seinem Hemd. Er zieht mich an der Hand zu sich und drängt mich rückwärts in sein Zimmer. Mit seinem Schuh kickt er die Tür achtlos zu und schaut hinab. »Was?«, fragt er mit rauer Stimme. Sein Gesicht schwebt wenige Millimeter vor meinem. Meine Hände gleiten an seinen Oberkörper und drücken ihn von mir. Er stolpert einen Schritt nach hinten und lässt die Hände sinken. Seine verwirrten Augen treffen meine.
»Sie weiß es!«, zische ich ihm entgegen. Er schnaubt ungläubig und lässt seine Hände gegen seine Hose fallen. »Komm schon, sie weiß gar nichts«, versucht er mich zu überzeugen, aber es funktioniert kein Stück. Haare raufend humple ich an ihm vorbei in den Raum und sinke auf sein weiches Bett. Er verweilt im Schatten des Mondes, genau vor der Tür. »Ich habe es doch gesehen...«, murmle ich verzweifelt. Müde reibe ich mir über die Augen und schlage die Hände vor meinem Gesicht zusammen. »Sie weiß es und sie wird es deinem Vater erzählen...«
»Wird sie nichts, weil sie nichts ahnt. Vertrau mir«, ertönt Ewans stimme ganz nah. Schwer atmend lehne ich mich nach vorn und meine Stirn trifft auf seine Bauchmuskeln. »Was wenn doch?«, frage ich nuschelnd in sein Hemd und halte weiter meine Augen geschlossen. Draußen blitzt und donnert es gewaltig. So wie schon die letzten Nächte tobt ein Sturm draußen, während am Tag alles ruhig ist. Welch ein komisches Wetter es doch ist.

Ewans raue Fingerkuppen streifen meine Wange. Als ich meine Augen öffne sehe ich das Gold seiner Uhr im Mondschein glitzern. Mein Herz schlägt ängstlich auf, bei dem Gedanken das Glenna es doch wissen könnte. »Und wenn doch?«
»Sei kein Pessimist«, brummt er leise. Alle Luft weicht mir aus den Lungen. »Wieso musstest du überhaupt mein Glas austrinken? Ich hätte es nicht angerührt und kein Verdacht wäre aufgekommen«, erkläre ich. Ewan schweigt. Stattdessen drückt er mich, wie ich zuvor ihn, mich von sich. Fragend blinzle ich ihn an. Er streift sich über den Bart und tritt ein paar Schritte zurück. »Machst du mich etwa dafür verantwortlich?«, will er wissen. Ich erwidere nichts und versuche seine Blicke zu deuten, die er mir schenkt. Was geht gerade in ihm vor?
»Antworte verdammt!«
Seine Faust donnert in die Schranktür neben uns und mein ganzer Körper zuckt zusammen. Plötzlich sehe ich nicht mehr den Ewan, der er in den letzten Wochen war, sondern der, der er damals war. Kalt, sauer, skrupellos. Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken und frisst sich tief in meine Knochen.
Seine Hände sind zu Fäusten geballt und seine Atmung ist schwer. Unsicher erhebe ich mich vom Bett und bringe mehr Abstand zwischen uns.
»I-ich...«, wispere ich stotternd, versuche Worte zu finden. Er schüttelt nur seinen Kopf missbilligend. »Das reicht mir als Antwort.«
Mit diesen Worten verschwindet er im Bad und knallt die Tür hinter sich zu. Erneut zucke ich zusammen als das Holz den Rahmen trifft. Für einen Augenblick traue ich mich nicht mich von der Stelle zu bewegen. Erst als das Wasser aus der Dusche plätschert verschwinde ich so schnell ich kann in mein Zimmer.

Nach Luft ringend taste ich mich in der Dunkelheit bis zu meinem Badezimmer vor. Es ist als würde man mir eine Schlinge um den Hals ziehen, die immer enger wird. Würgend falle ich vor der Toilette auf die Knie und ein verdammter Schmerz setzt in meinem Oberschenkel ein. Aber ich habe keine Zeit einen Gedanken daran zu verschwenden, denn das köstliche Essen von gerade eben kommt mir bereits die Kehle hoch und ich kralle meine Finger, auf der Suche nach halt, in die Porzellanschüssel. Hustend übergebe ich mich und falle zitternd wie ein Kartenhaus zusammen. Ich will weinen, aber keine Träne verlässt meine Augen. Schwach ziehe ich mich auf die Beine und betätige die Spülung. Ich entledige mich meiner Kleidung und ziehe mich um, putze anschließend meine Zähne um den widerlichen Geschmack aus meinem Mund zu verdrängen. Kraft zu duschen habe ich heute nicht. Ich werde es morgen früh tun.
Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding, als ich durch die Dunkelheit in mein Bett finde und die zwei Decken über mich ziehe, um das Zittern das meinen Körper erbeben lässt, zu mindern. Ich ziehe sie bis zum Kinn und starre aus den Fenstern. Mein Körper zuckt bei jedem Blitz und Donner zusammen, der sich am Nachthimmel breitmacht. Meine Augen ruhen auf dem Mond der hinter den schwarzen Wolken hervor scheint.
Das Gespräch mit Ewan geht mir nicht aus dem Kopf. Wieso sollte er dieses Glas leer trinken? Er hätte keinen Grund dazu, es sei denn, es würde ihn wirklich kümmern. Mit schwerem Herzen rutscht meine Hand meinen Körper hinunter bis auf auf das Shirt, das ich trage. Meine Fingerkuppen berühren die zarte Haut an meinen Bauch und das erste mal löst es ein kribbeln in mir aus. Wie kleine Blitze die durch meine Haut direkt in mein Inneres zucken. Ich atme flatternd ein und aus, um die aufkommenden Tränen zu verdrängen. Meine Hand ruht flach auf meinem Bauch entfacht eine rasende Wärme unter ihr. Unter der Decke ziehe ich meine Beine an. Meine Augen fallen zu als die erste Träne über meine Wange kullert. Ich verspüre das Bedürfnis meine Hand nie wieder zu lösen. Mein Daumen fährt sanfte Linien.
Ich kann das nicht.
Die Wahrheit ist, das ich Angst habe. Angst das etwas passiert. Angst das ich eines morgens aufwache, und allein bin. Allein mit meinen Gefühlen und allein mit diesem Kind.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt