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ERIN

Nach Luft ringend wache ich auf. Hustend und röchelnd drehe ich mich herum. Das Auto liegt noch auf dem Dach, mitten im Gras. Unter mir knirscht die zerborstene Frontscheibe. Es dampft aus dem Motor heraus und riecht verkohlt. Was zum Teufel ist passiert?
Wieder muss ich husten. »Ewan?«, krächze ich erschöpft. Meine Haut ist blutbefleckt und ich fürchte, das meine alte Wunde an der Stirn sich erneut geöffnet hat. Ein Schwall der roten Flüssigkeit klebt mir nämlich im Gesicht. »Ewan!«, stoße ich wimmernd aus. Doch der Fahrersitz ist leer, die Tür ist geöffnet, aber es ist zu dunkel um etwas zu erkennen. Mit aller Kraft die ich aufbringen kann ziehe ich meinen Körper durch das kaputte Fenster auf die feuchten Grashalme. Wir müssen von der Straße abgekommen sein, denn den Asphalt mache ich etwas weiter aus. Scheinwerfer leuchten ihn aus. Mein Herz beginnt zu klopfen als ich die dunkle Gestalt eines Mannes erkenne. Schwach erinnere ich mich an die Beretta, die Ewan im Handschuhfach liegen hat. Die, die er mir heute geschenkt hat. Es ist nur wenige Zentimeter entfernt. Ich lange wieder in das zertrümmerte Auto und zerre so fest ich kann an der Klappe. Einige Papiere rieseln heraus und die Beretta fällt mir direkt in die Hände. Mit zitternden Fingern öffne ich das Magazin. Es ist voll. Erleichtert raffe ich mich am Wrack auf und halte mir hustend meinen Bauch. Ein stechender Schmerz hat sich in der Gegend meines Magens breitgemacht. Doch mir bleibt keine Zeit zum verschnaufen, denn die Person von der Straße nähert sich.
»Ewan, Ewan, Ewan?«, murmle ich immer wieder völlig desorientiert wie ein Mantra vor mich hin. Eine Hand an meinem Bauch, die andere an der Beretta. Ich fühle mich, als würden mir gleich alle meine Eingeweide herausfallen. Was passiert hier nur?

Langsam entferne ich mich vom Unfallort und bringe mehr Abstand zwischen uns. Im Mondschein erkenne ich fast nichts. Wo ist nur Ewan? Tränen steigen mir in die Augen. Ich habe Angst. Mehr Angst als damals im Hotel. Schniefend wische ich mir mit dem Handrücken meine Tränen weg. Hinter einem Baum gehe ich in Deckung und beobachte die Szene vor mir. Ich muss mich an der Rinde abstützen, da ich sonst vermutlich zusammenbreche. Gott ist mir schlecht und mein Kopf brummt... Höchstwahrscheinlich habe ich eine Gehirnerschütterung. Der Aufprall war heftig. Mich würde es mehr wundern, wenn ich keine hätte.
Tief durchatmend Kralle ich mich in den Stoff den Pullovers, als wäre er mein Fels in der Brandung. Die unheimliche Gestalt ist nicht allein. Mehrere Personen umrunden den Wagen, der mittlerweile Funken sprüht und droht zu brennen. Sie sprechen miteinander, doch das klingeln in meinen Ohren ist zu laut. Ich bin so kurz davor die Nerven zu verlieren.

»Ihr Blut klebt am Fensterrahmen. Findet sie. Die kleine kann nicht weit sein«, dringt es mir in die Ohren und ich schrecke auf, als mir bewusst wird, das sie mich meinen. Mich.
So schnell ich kann hetze ich den Hügel hinauf, falle bei jedem zweiten Schritt auf spitze Äste und Stöcker. Doch das ist mir egal. Im Moment zählt nur, das ich Ewan finde und wir lebend aus der Sache herauskommen. Bei jedem Schritt den ich gehe, droht mir mein Essen wieder rauszukommen. Ich bete das dies nicht passiert. Todesangst beherrscht meinen Körper und meine Gedanken. Und wo ist nur Ewan?

Gerade als ich auf der Straße ankomme, packt mich ein paar Hände grob und ich gehe zu Boden. Erschrocken falle ich auf die Knie und Kralle mich fest an die Beretta in meinen Händen. »Hier bist du also«, erklingt eine furchteinflößende Stimme. Ich zucke zurück als die dreckigen Griffel des Mannes nach mir haschen. Stolpernd raffe ich mich auf und Ziele auf ihn. Er beginnt zu lachen, aber verstummt als ich die Beretta entsichere. Endlich schaue ich auf. Im Schein der Lichter erkenne ich den Mann wieder. Es ist der Investor meines Chefs. Der Mann, von dem Ewan glaubt, das er etwas mit dem Angriff zutun hat.
Nun steht er mir gehobenen Armen vor mir und grinst mich geisteskrank an. »Du musst Erin sein. Barnes hat eine Menge von dir erzählt«, lacht er. Mit aller Kraft versuche ich die Pistole nicht fallen zu lassen. Alles was ihn davon abhält mich anzugreifen ist die Waffe die ich auf seinen Kopf richte. Keinesfalls werde ich nachgeben. »Was wollen sie und wer sind sie überhaupt?«, fahre ich ihn bissig an. »Wer ich bin?«, schnaubt er und kommt mir einen Schritt näher. »Stehenbleiben!«, schreie ich ihn an und lege meinen Finger auf den Abzug. Niemand wird sich mir nähern.
»Gut, schon gut kleine.«
»Nennen sie mich nicht so!«, spucke ich ihm entgegen. Er verzieht die Lippen und verdreht die Augen. »Verstanden, jetzt leg die Waffe weg«, fordert er. »Nein«, weigere ich mich mit gefletschten Zähnen. »Ich will wissen, wer sie sind!«
»Ich bin Chuck Baklan, und ich bin der rechtmäßige Erbe der Duncans.«

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt