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ERIN

Vor einer Stunde hat mir eine Frau ein Kleid vorbei gebracht, und mich Gebeten es anzuziehen. Mich würde jemand aus dem Zimmer abholen, genau in einer Stunde. Die Stunde ist um. Vor dem Spiegel im Badezimmer zupfe ich das knappe Kleid so weit wie nötig nach unten, um all das zu bedecken, was bedeckt werden muss. Das Kleid ist unerwartet klassisch. Reicht mir bis zum Knie und hat einen kantigen Ausschnitt, der meinen Busen hervorhebt. Die breiten Träger passen gut. Wo es hingeht? Ich weiß nicht mal, wieso ich mich in Schale schmeißen sollte. Aber neben dem Kleid habe ich nur meine Haare gekämmt und sie mir über die Schultern gelegt. Ich bin vor lauter Ungewissheit so nervös, das ich das erste Klopfen nicht vernehme. Erst als es unsanft gegen die Tür donnert, schrecke ich auf und eile zurück ins Zimmer. »Ja!«, rufe ich sofort und die Tür wird ruppig aufgerissen. Ein schwarzhaariger bulliger Kerl, den ich nur flüchtig wiedererkenne, langt nach meinem Arm, zieht mich in den langen Flur. »Hey, nicht so fest!«, beschwere ich mich und stolpere ein paar Schritte über den Teppich. Der Schotte schnaubt unbeirrt und zerrt mich wie Vieh hinter sich die Treppen hinab. In der Ferne höre ich Besteck klappern und Teller aufeinander scheppern. Der unfreundliche Kerl zieht mich vor sich und schubst mich voraus in einen großen Raum. Keuchend komme ich zum stehen und fange mich gerade so an einem Stuhl ab. »Da bist du ja«, erklingt eine mir bekannte Stimme. Erschrocken hebe ich meinen Kopf und blicke direkt in Ewans Gesicht. Er sitzt an der Kopfseite des langen Tisches und hält ein Weinglas in der Hand. Mit der anderen schnipst er und sogleich erscheint eine Dame im Raum, die das leere Glas vor mir auffüllt. Ich blicke schluckend zurück und sehe, dass der schroffe Typ die Flügeltüren hinter sich schließt und damit verschwindet. Die zwei breiten Durchgänge, die sich links und rechts gabeln, sind so die einzige Möglichkeit zu gehen. Ich vermute, dass der rechte in die Küche führt, da die Frau immer wieder hinter der Wand verschwindet und mit Tellern wiederkommt. Ewan hat sich inzwischen ebenfalls erhoben und wandert um den Tisch, um meinen Körper von oben bis unten abzuscannen. Ihm scheint zu gefallen, was er sieht. »Setz dich.« Seine Hand drückt mich unbeherrscht in den Stuhl und schiebt mich federleicht an den Tisch heran. Dann umrundet er die Glasplatte mit festen Schritten und lässt sich nieder. Ich spähe auf die Speisen zwischen uns. Eine Platte mit Obst, Käse und Schinken liegt auf dem Tisch. Daneben Dips und Gemüse. Die stumme Frau, die immer zwischen den Räumen umher eilt kehrt mit zwei dampfenden Tellern zurück. Den Ersten setzt sie vor Ewan ab, den zweiten vor mir. Ich sauge den Duft der Gemüsesuppe ein, die sich mir so köstlich präsentiert. Dennoch misstraue ich der ganzen Sache.
»Was mache ich hier?«
Ewan hebt seine Augenbrauen, als er seinen Löffel anhebt und mich ungläubig an. »Willst du weiter auf deinem Zimmer verrotten?«, fragt er höhnisch. Viel zu schnell schüttle ich den Kopf und entlocke ihm ein fieses Schmunzeln. »Dann iss und stell keine Fragen.«

Ausnahmsweise tue ich genau das. Ich bin viel zu hungrig, um noch weiter zu protestieren. Verdammt schmeckt das gut. Die heiße Suppe wärmt mich besser als alle Decken der Welt es je tun könnten. Und so viel besser als der Fraß aus dem Hotel. Ich spüre Ewans Augen mit jedem Löffel, den ich nehme, stärker auf mir ruhen. Im Gegensatz zu mir hat er seine Suppe nicht mal angerührt. Schluckend sehe ich auf, kann seinen Blick nicht deuten. Was geht durch seinen gut frisierten Kopf? Seine Finger streifen über seinen Bartschatten, die dunkelblonden Haare liegen ihm perfekt auf dem Kopf. Und seine blauen Augen graben sich in die meine. Mir wird noch heißer. Nicht von der Suppe, sondern allein von den Blicken, die er mir zuwirft. Er zieht mich mit ihnen aus und das kann ich ihm nicht mal verübeln. Das ist alles dem engen Kleid geschuldet, was mir eine Größe zu klein ist. Ich sitze wie auf dem Präsentierteller für ihn.
»Isst du nichts?«, durchbreche ich die aufgeheizte Stille. Unter dem Tisch überschlage ich meine Beine und Wippe nervös mit meinem Fuß, um mich etwas abzuregen. Der Schotte schüttelt bloß den Kopf und nippt am Wein. »Ich mag keine Suppe. Zumindest keine in der Gemüse schwimmt.«
Mit gerunzelter Stirn nehme ich ebenfalls einen Schluck. »Und welche dann? In jeder Suppe ist Gemüse.«
Er schüttelt schmunzelnd den Kopf, als mache er sich über mich lustig. »Nein, du wirst schon noch drauf kommen«, versichert er mir Zunge schnalzend. Mhm, da bin ich mir nicht so sicher.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt