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ERIN

Ich bin überrascht, was er mit Essen meinte. Statt in ein snobbiges Restaurant zu gehen, sitzen wir mit Burger im Auto auf einem düsteren Parkplatz. Der Regen plätschert auf die Scheiben des Geländewagens,  mein Körper ist tief in den Sitz gesunken. Ich fühle so unglaublich wohl in diesem Moment, weiß aber das dieses Gefühl nicht ewig anhalten wird. Die letzten Stunden verwirren meinen Geist so sehr, das ich immer noch nicht begriffen habe, was geschehen ist. Ich habe keinen blassen Schimmer wieso jemand von meiner Arbeit, ein Attentat auf Ewan verüben sollte. Ich arbeite in einer Hotelfirma und mehr als ein verschütteter Kaffee passiert dort eigentlich nicht. Es ist ein schrecklicher langweilige Job. Und trotzdem wurde ich in etwas hineingezogen von dem ich nicht weiß, wie es ausgehen wird. Ich bin so ratlos das mir der Kopf brummt.

Nachdenklich beiße ich in meinen warmen Burger, sitze im Schneidersitz auf dem Beifahrersitz. Er ist bequem und weich, obwohl er mit Leder überzogen ist. Die Heizung läuft und im Moment ist mir dieses Auto sogar lieber als das stille Zimmer in das ich nachher wieder verwiesen werde. Ich hasse die Ruhe dort. Kauend beobachte ich eine Gruppe freunde, die sich auf den Weg in einen Pub gegenüber macht. Sie scheinen Spaß zu haben. Mal wieder frage ich mich, was seit meinem verschwinden in Manchester passiert ist. Hat mich jemand als Vermisst gemeldet? Sehr unwahrscheinlich, es sei denn jemand von der Arbeit war es. Nach meiner Schicht habe ich kaum noch Kraft oder Zeit etwas anderes zu machen. Mit meiner ehemaligen besten Freundin bin ich schon seit einem Jahr nicht mehr in Kontakt. Familie habe ich keine. Niemand wird es bemerken. Vielleicht die nette Sekretärin im Büro, die mir jeden Morgen einen Kaffee und ein aufmunterndes Lächeln geschenkt hat. Ja, vielleicht ist sie die einzige, der mein verschwinden auffällt. In Momenten wie diesen merke ich das ich keinen Menschen habe, der sich wirklich um mich sorgt. Es ist schon seit dem Tod meiner Eltern so. Ich konnte es die letzten Jahre gut verdrängen. Als sie starben war ich sehr klein und kann mich heute kaum an sie erinnern. Aber sie bleiben immer in meinem
Herzen.
Ich schiebe mir eine Pommes in den Mund und lehne meinen Kopf gegen die kühle Scheibe, um das pochen in meiner Stirn etwas zu lindern. Ewan und ich haben seit einer halben Stunde nicht mehr miteinander gesprochen, nur das leise Radio erfüllt den Innenraum des Wagens. Es ist Wochen her seit ich Musik gehört habe. Die sanften Klänge des Liedes sind wie Balsam für meine Seele. Für einen Moment versinke ich in den Tropfen die über die Scheibe rinnen. Sie sind so klar und verfolgen ein Ziel, von dem sie sich nicht abbringen lassen. Sie sind wie Ewan. Er ist zielstrebig und ehrgeizig, bekommt immer das was er will. Aber über seinen Kopf schwebt ein großes Fragezeichen, weil ich nicht einschätzen kann, was hinter seiner Maske steckt. Und wieso dieser Typ es auf ihn abgesehen hat.

»Darf ich dich um etwas bitten?«, nuschle ich mit vollem Mund. Der Schotte nickt aber wirft mir einen skeptischen Blick zu. »Kommt drauf an was es ist«, antwortet er. Ich lasse meine Hände auf die Folie sinken, in die der Burger gewickelt war.
»Frische Luft. Ich möchte jeden Tag in den Garten.«
»Wenn du mir lieferst was ich will, bekommst du es. Für jede Info die mir weiterhilft bekommst du eine halbe Stunde. Ist das ein Deal?«
Eines muss man ihm lassen, er ist knallhart. Seine Miene verändert sich kein bisschen als er mir seine Hand über die Mittelkonsole hinstreckt und darauf wartet das ich einschlage. Grübelnd mustere ich seine tätowierten Finger. Mit schwarzer Tinte sind seine Knochen auf seinen Handrücken und den Fingern nachgestochen. Es erinnert mich an die Hand eines Skelettes. Auf seinem Mittelfinger prangt ein geschmückter Dolch, um den sich Dornen schlängeln. Es ist dasselbe Motiv wie auf seinem Unterarm, wo es seine Haut vom Handgelenk bis zur Innenseite seines Ellenbogens ausfüllt. Blut tropft von den Dornen auf den Dolch. Der Griff ist mit Rosen geschmückt. Ich frage mich, ob es eine Bedeutung für ihn hat.
»Deal«, schlage ich ein, bevor er es sich anders überlegt. Fürs erste reicht mir das. Ich habe ohnehin keine bösen Absichten und will einfach nur wissen, in welcher Welt er lebt. Denn sie scheint nicht so simpel wie meine zu sein. Was auch immer er vor mir verbirgt, ich werde es herausfinden. Da bin ich mir sicher.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt