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EWAN

Es war zu schön um gut zu sein. Bis vorhin hatte ich noch die Hoffnung, das der Ring Mister Barnes gehören würde. Dann hätte ich endlich das Rätsel lösen können, aber nun stehe ich wieder am Anfang wie zuvor. Immer noch bin ich mir sicher, das der Chef trotzdem etwas damit zutun hat. Irgendwie ist er darin verwickelt und die einzige Möglichkeit dies herauszufinden ist ihn zu beschatten. Fergus Vorschlag, ihn zu kidnappen habe ich abgelehnt. Das können wir nicht gebrauchen. Vorerst muss er ihm weiter hinterher laufen, bis wir mehr Informationen haben. Wenn es jemanden gibt mit dem er zusammenarbeitet, wird dieser Barnes früher oder später einen Fehler machen. Irgendwann tun sie das alle. Man muss nur geduldig sein.
Das Licht des Blitzes erhellt mein Bett für einen Moment, bevor Donner einsetzt und der Raum wieder schwarz wird. Regen plätschert gegen die Scheiben, die Kronen der Bäume biegen sich im Wind. Erins Körper ist fest gegen meinen gedrückt. Obwohl ich vor ein paar Stunden noch müde war, bekomme ich nun kein Auge mehr zu. Selbst wenn ich es ihr nicht erzählt habe - Erin redet im Schlaf. Ihre Träume müssen sich so real anfühlen, das sie sich windet und leise weint. Es hat mich beim ersten Mal überrascht, das sie nichts davon ahnt. Auch heute träumt sie. Zwar nicht so lebhaft wie sonst, aber sie murmelt immer wieder etwas, das ich nicht verstehe. Eins weiß ich sicher, in jedem Traum erwähnt sie ihre Familie. Sie streitet sich mit ihrer Tante und ihrem Onkel, bevor sie beginnt sich zu winden. Ich kann nur erahnen, von was sie träumt. Wecken will ich sie nicht, es würde sie vermutlich belasten und im Moment brauche ich ihre volle Konzentration bei der Sache mit meinem Angreifer.

»Nein...«, nuschelt sie leise in die Kissen. Ich schlinge meine Arme fester um die brünette Britin, in der Hoffnung das sie endlich aufhört. »Nein, nicht«, fleht sie, es ist nur ein wimmern. Ich schließe meine Augen und versuche wieder zu schlafen. Das ist alles, was ich tun kann. Dennoch will mein Kopf nicht abdriften. Blinzelnd starre ich die junge Frau vor mir an. Sie zuckt und windet sich, aber irgendwann wird sie ruhiger, ihr Atem wieder flacher. Mit meiner flachen Hand, streiche ich ihr eine dicke Haarsträhne aus dem Gesicht. Selbst wenn ich hinter ihr liege, erkenne ich es durch die Dunkelheit. Ihre Finger verfangen sich im Schlaf mit meinen und sie zieht sie gegen ihre Lippen. Murmelt etwas, das ich nicht verstehe. Als sie endlich ruhig schläft, klappen meine Augen müde zu und ich drifte in einen ruhigen Schlaf ab.

Am nächsten Morgen stehe ich mit einer Zigarette in der Hand auf dem Balkon. Mein faltenfreies Hemd hängt offen an meinem Körper hinab, der warme
Wind pustet gegen meine Haut. Trotzdem ist es bewölkt. Der Himmel ist grau und ich fürchte, das der Regen bald wieder einsetzen wird. Hoffentlich nicht. Fergus wird heute allein nach Inverness fahren, während ich von hier aus seine Schritte überwachen werde. Wir statten ihn mit einer Kamera aus, so kann ich mithören und sehen, was geschieht. Er wird Mister Barnes bei seinem Geschäftsessen in einem Restaurant, aus annehmbarer Ferne beschatten. Ich halte noch immer daran fest, das er etwas damit zutun hat.
Ausatmend schnippe ich den Stummel der Zigarette über das steinerne Geländer des Balkons und trete zurück in mein Schlafzimmer. Erin ist vor zehn Minuten gegangen. Wenn ich mich recht entsinne, wollte sie duschen. Während sie noch nicht wieder aufgetaucht ist, mache ich mich auf den Weg, die Treppen nach unten. Mein Magen grummelt hungrig und mein Kopf verlangt nach einer Tasse Kaffee. Koffein kann ich im Moment gut gebrauchen.

»Guten Morgen«, begrüße ich meine Mutter, die im Esszimmer am Tisch sitzt und gerade ein gekochtes Ei löffelt. Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln und erwidert meine Worte. »Guten Morgen mein Liebling. Kommt Erin auch nach unten?«
Durch den offenen Durchgang gelange ich in die angrenzende Küche. Von dem Hausmädchen ist nichts zu sehen, aber ich weiß, das sie zuvor für meine Mom gekocht hat. »Ja gleich«, antworte ich und öffne den Kühlschrank. Die Kaffeemaschine läuft schon seit ich nach unten gekommen bin. Ich nehme mir eine Packung Eier und krame mir eine Pfanne dazu aus dem Schrank. Dazu Tomaten und ein paar Kräuter. Die Schale knackt auseinander als ich sie auf den Rand der Pfanne schlage.
»Ich möchte, das wir heute Abend gemeinsam essen«, eröffnet meine Mutter mir. Verdutzt schaue ich sie an, während ich das Omelette in der Pfanne brutzeln lasse. »Wie kommt es?«
»Nun ja, Erin ist schon Wochen unser Gast und ich habe nicht viel mit ihr gesprochen.«
»Das soll ein Grund sein? Ich denke nicht, das sie mit Vater an einem Tisch sitzen will.«
Meine Mutter legt ihren Kopf schief und überschlägt ihre Beine. »Kind, das war keine Frage, sondern eine einfache Eröffnung meines Planes. Du kannst nichts daran ändern, ich erwarte euch beide heute Abend beim Essen. Pünktlich.«
Mit diesen Worten erhebt sie sich, schnappt sich ein Stück Apfel und verschwindet im Flur. Ich höre noch wie sie mit jemandem spricht, bevor es wieder still im Haus wird.
Meine Schultern verkrampfen sich bei dem Gedanken, das ich heute mit ihnen an einem Tisch sitzen soll. Schon lange haben wir nicht mehr zusammen gegessen, also wieso nun? Nur wegen Erin? Meine Mutter scheint mir Bekanntschaft mit ihr machen zu wollen. Sie will mehr über sie in Erfahrung bringen. Etwa, weil sie für Erin so etwas wie Mitgefühl hegt?

»Hey, deine Mom hat mich gerade zum Essen eingeladen«, ertönt ihre überraschte Stimme sogleich aus dem Esszimmer. Sie humpelt langsam auf mich zu und stützt sich schließlich mit beiden Unterarmen auf die Marmorplatte. »Mhm, heute Abend«, murmle ich konzentriert. Ich schöpfe das erste Omelette auf einen Teller und beginne das zweite zuzubereiten. Wie beim ersten kommen geschnittene Tomaten und Kräuter hinein, dazu etwas kleingeschnittenen Speck, der das ganze etwas aufwürzt. Ich erwische Erin am Teller schnuppernd. »Das riecht fantastisch, aber deine Worte klingen nicht begeistert. Was hast du gegen ein Essen mit den beiden?«, fragt sie mich ahnungslos. Ein belustigtes schnauben entfährt mir. »Das ist nur ein Vorwand, um dich auszufragen«, versuche ich ihr klarzumachen.
»Vielleicht will sie einfach nur nett sein«
»Verteidigst du sie etwa?«, frage ich sie mit gerunzelter Stirn. Versteht sie nicht, das meine Mutter sie bloß mit Fragen durchlöchern will?
Erin richtet sich nur kopfschüttelnd auf und legt den Kopf schief. »Komm schon, Griesgram«, murmelt sie und sticht mit ihren Ellenbogen in die Seite. Ich zische bloß genervt und drücke ihr einen vollen Teller in die Hand. »Als ob wir überhaupt eine Chance hätten, nein zu sagen«, schnaube ich und schiebe die Pfanne vom Herd. Erin lacht leise und läuft in Richtung Tisch. Ich folge ihr kopfschüttelnd.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt