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ERIN

Die Gewölbe sind eisig kalt. Nach etwa zwölf Stunden, in denen ich schon hier bin, ist mir kälter denn je. Meine Finger sind Eiszapfen und mein Oberkörper hat zu zittern begonnen. Ich kann es nicht stoppen. Noch dazu muss ich dringend pinkeln. Seit Ewan mich vor Stunden besucht hat, bin ich allein gewesen. Ich hatte genügend Zeit, um über einen Fluchtweg nachzudenken, doch bin immer zu dem Entschluss gekommen, das es keinen gibt. Ich habe mich an gestern Nacht erinnert. Mehrere hundert Meter die Schotterstraße hinab haben wir ein stattliches schmiedeeisernes Tor mit fünf schmächtigen Typen passiert, die Wache gehalten haben. Auch wenn es dunkel war, habe ich sofort die Waffen an ihren Gürteln entdeckt, die sie mit sich geführt haben. Irgendetwas sagt mir, das dieses Schloss eine verdammte Festung ist. Hier unten müssen die Wände meterdick sein. Sie lassen keine Chance zu entkommen. Fröstelnd ziehe ich meine Finger zu Fäusten zusammen und winde mich unter den Fesseln, die sich schmerzhaft in meine Handgelenke geschnürt haben. Erschöpft lehne ich mich zurück und senke meinen Kopf gen Boden. Mir ist kalt, ich habe Hunger und ich muss dringend. Dazu sitze ich in einem Shirt und einer Jeans da. Selbst im Sommer würde ich hier unten frieren. Durch die kleinen Kellerfenster erkenne, ich das es wieder angefangen hat zu regnen. Die Tropfen peitschen auf den Kies hinab und hinterlassen plätschernde Geräusche, als sie durch die Regenrinnen fließen. Seufzend schließe ich meine Augen. Meine braunen langen Haare fallen mir ins Gesicht. Mein Rücken schmerzt. Ich würde alles dafür geben von diesem Stuhl runterzukommen. Sogar auf dem steinharten Betonboden zu schlafen scheint mir eine bequeme Alternative zu sein. Alles ist besser als dieser Holzstuhl.

Eine Ewigkeit später öffnet sich endlich die schwere Tür knarzend und Ewan spaziert hinein. Sein eisiger Blick sitzt fest in seinem Gesicht wie eine Maske. »Wieso bist du wieder hier?« Nach vorhin kann ich ihm nicht in die Augen schauen. Noch immer sehe ich ihn vor mir, wie seine Hand in meiner Hose war und er mich die ganze Zeit über angestarrt hat. Er geniest es Macht auszuüben, zu regieren und dominieren. Das ich auf diesem Stuhl festgebunden bin, kommt ihm ganz gelegen.
»Soll ich wieder gehen?«, fragt er und umgeht meine Frage. »Nein!«, wende ich zügig ein, als er einen Schritt auf die Tür zu geht. »Nein... bitte«, schiebe ich schnell hinterher. Verzweifelt reiße ich wieder an den Fesseln und sehe ihn an. »Bitte, ich muss mal«, flehe ich am Rande der Verzweiflung. Allein der Gedanke daran noch eine Sekunde länger hier zu sitzen treibt mich in den Wahnsinn. Der dunkelblonde Schotte hält vor mir inne und schielt auf mich hinab. Er trotzt nur so vor Selbstbewusstsein. »Und dann? Binde ich dich wieder an den Stuhl?«, hinterfragt er. Hastig schüttle ich meinen Kopf und sehe ihm endlich in die Augen. »Bitte lass mich einfach gehen... ich habe doch nichts-«

»O doch«, schneidet er mir das Wort ab und stützt sich mit den Händen auf die freien Stellen der Armlehnen. Sein Gesicht schwebt gefährlich nah vor meinem. Seine Augen stieren mich zornig an. »Du hast alles gesehen und kennst meinen Namen. Du weißt wo ich wohne und vermutlich war dich hier her zu bringen der größte Fehler meines Lebens«, spuckt er verächtlich. Ich zucke unter seiner autoritären Stimme im Stuhl zusammen und mache mich klein wie eine Maus. »Ich werde nichts verraten«, schwöre ich ihm und versuche, irgendeine Art von Gefühl in seinen eisblauen Augen zu erkennen. Doch es bringt nichts. Seine Blicke treffen wie tausende kleiner Nadeln auf meine Haut und lassen mich unwohl fühlen. Ich winde mich im Stuhl und drehe meinen Kopf zur Seite, damit ich nicht weiter seinen Augen standhalten muss. Ich schaffe es nicht. »Ich habe nichts gesehen«, beteure ich erneut. »Ich will nur nachhause.«

Er schnaubt verächtlich und zückt ein Messer aus seiner Hosentasche. Erschrocken presse ich mich gegen das Holz des Stuhles. Will er mich umbringen? Es hier erledigen? Mit geweiteten Augen sehe ich seine Hand näher kommen. Keuchend rüttle ich an den Fesseln. Was hat er nur vor? Er ratscht mit einem Zug die Seile an meinen Gelenken durch und befreit mich aus dem Stuhl. Erleichtert fällt mir ein Riesen Stein vom Herzen, als ich endlich los bin. Ich reibe mir meine Wunden Handgelenke schmerzlich und spüre, wie er die Seile um meinen Knöcheln löst. »Das du mir nicht auf die Idee kommst, abzuhauen«, warnt er mich vor, »du würdest eh nicht weit kommen, Kätzchen.« Er hascht grob nach meinem Oberarm und zieht mich auf meine wackligen Beine. Unbeholfen stolpere ich ein paar Schritte und kann mich geradeso auffangen. Mir bleibt keine Zeit zum Verschnaufen, denn der ungehobelte Schotte zieht mich schon weiter am Arm aus dem Raum hinaus in einen Flur. Warmweiße Spots leuchten von der Decke auf uns hinab und erhellen den Flur mit den unzähligen Türen. Am Ende führt eine alte Sandsteintreppe hinaus aus den Gewölben ins Erdgeschoss. Ich kann mich wage daran erinnern, sie gestern hinabgelaufen zu sein. Ich war einfach zu müde, um jedes Detail aufzusaugen.

Wortlos schleppt Ewan mich durch die riesige Eingangshalle die Treppen hinauf in den ersten Stock. In einem der vielen Flure drückt er mich in ein Zimmer und schließt die Tür hinter uns. »Deine Sachen liegen im Schrank. Geh duschen und verlasse den Raum nicht, sonst kannst du was erleben.« Mit diesen Worten verflüchtigt er sich und schlägt die Tür ins Schloss. Luftholend sehe ich ihn nach und höre, wie er das Schloss von außen verriegelt. Verzweifelt rüttle ich an der Klinke und schlage gegen das unnachgiebige Holz. Verdammter Mist.

~

Das Zimmer ist doch nicht so schlecht, wie ich gedacht habe. Es gibt ein großes Bett und ein angrenzendes Bad, in dem ich endlich auf der Toilette war und mich geduscht habe. Im monströsen Kleiderschrank lag tatsächlich meine Reisetasche, aus der ich mir eine bequeme Hose und ein langärmliges Shirt zusammen mit frischer Unterwäsche genommen habe. Nun liege ich umgezogen auf der Bettdecke des riesigen Bettes, das mit feinen Laken bezogen wurde. Gedankenverloren starre ich aus den Fenstern zu meiner linken, von denen aus ich in einen grünen Park sehen kann. Mein Herz schlägt beruhigend langsam und ich bin kurz davor in den wohlverdienten Schlaf abzudriften. Allein meine Gedanken hindern mich daran, die Augen zu schließen. Sucht irgendjemand nach mir? Ist meinem Chef bewusst das ich nicht übermorgen zurück nach Manchester kehre? Oder das ich nicht beim Frühstück im Hotel aufgetaucht bin? So viele unbeantwortete Fragen kreisen mir im Gedächtnis herum. Viele auf die ich vermutlich nie eine haben werde. Denn wenn Ewan mich je wieder gehen lässt, wird es sicher nicht lebend sein. Ich komme mir dumm vor. Ich hätte ablehnen sollen, als er mich in der Bar auf einen Drink eingeladen hat. Die Verlockung war zu groß und zu schwer um nein zu sagen. Vielleicht ist es allein meine Schuld, das ich in dieser Situation bin.

Seufzend ziehe ich kleine Kreise über die schwere Bettdecke. Der Regen ist noch nicht versiegt und plätschert kaum hörbar gegen die großen Scheiben, auf die ich meinen Blick gerichtet habe. Blitze schießen durch den Himmel wie Kugeln aus einem Gewehr. Und als es das erste Mal donnert, fallen meine Augen schlussendlich doch von selbst zu.

Highland King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt