»Villa2«

19.8K 705 194
                                    

Sein warmer Atem prallte gegen die Haut meines Halses, löste damit aus, dass kleine Härchen sich wie elektrisiert aufstellten und ich wie benommen meine Augen für einen Moment schloss, um dieses intensive Gefühl meines Körpers auf seine Reize zu genießen.

Diese Empfindungen waren mir vollkommen neu.

Nie hatte ich eine solch angenehme Gänsehaut auf meinen Armen gespürt, die mich leise aufseufzen ließ, während Rian anfing, leicht an meiner Haut zu saugen.

Ich wusste es war falsch, absolut falsch, nach allem, was er mir in kürzester Zeit angetan hatte, jetzt hier zu stehen und nichts gegen seine Annäherung zu unternehmen... doch ich war wie gefangen.

"Du riechst gut", flüsterte er mit seiner tiefen Stimme und ließ meine Haare dabei vorsichtig los, um seine Hand erneut an mein Kinn zu legen und mir tief in meine Augen zu sehen.

Mein Herz pochte in einem ungleichmäßigen Rhytmus, während mein Mund leicht offen stand und ich mich nicht von dem wunderschönen graublau seiner Iriden lösen konnte...

Da war etwas in seinen Augen. Etwas, das nur auftauchte, wenn er mich längere Zeit ansah und das mir das Gefühl gab, er hätte doch so etwas wie ein Herz unter dieser kalten Fassade.

Die Zeit stand still und ich wusste, selbst wenn die ganze Welt um mich herum untergegangen wäre, hätte nichts diesen magischen Augenblick zerstören können.

Außer er selbst...

Als würde er sich gegen etwas tief in sich drinnen wehren, ließ er mein Kinn plötzlich los und fuhr sich mit beiden Händen über sein Gesicht, als würde er damit versuchen, wieder zu Verstand zu kommen.

"Dein Zimmer ist oben", erklärte er dann so kalt und emotionslos wie zuvor und nahm mit einer Hand meinen Koffer, um mit der anderen die Tür hinter sich weiter aufzuziehen.

Ich sagte nichts, erwischte mich dabei ihm auf den Po zu starren und gab mir innerlich selbst eine Backpfeife für mein so dummes, naives Verhalten.

Jetzt, wo er mir nicht mehr nah war, kam mein Verstand zum Glück wieder zurück und ich ärgerte mich darüber, ihm überhaupt so lange in seine Augen geschaut zu haben.

Augenverdrehend lief ich ihm in den dunklen Flur hinterher und sah dann, als er ein Licht eingeschaltet hatte, tatsächlich eine helle Wendeltreppe am Ende des Ganges, die noch weiter nach oben führte.

"Ich gehe nicht dort hoch, aber da oben hast du alles was du brauchst und auch ein eigenes Badezimmer", ließ er mich noch wissen, während sein Blick kurz wehmütig wurde, bevor er wieder seine ausdruckslose Maske auflegte.

"Danke", hauchte ich immer noch unsicher über das alles und nahm meinen Koffer dabei vorsichtig entgegen. Ich wollte mit dem Feuer spielen. Verlangte innerlich, dass er mich nochmal ansehen würde, doch er tat es nicht und wandte sich schnell von mir ab, um an Nero vorbei zurück zu seinem Zimmer zu laufen.

Wie konnte jemand, der so kalt und abweisend wirkte, das Gefühl in mir wecken, ihm nahe sein zu wollen? War es, weil ich nun seine Frau war, wenn auch nur auf dem Papier? Vielleicht war das hier auch alles einfach nur zu viel für mich und meine Emotionen gingen mit mir durch.

Beim Heraufsteigen der wenigen Stufen, musste ich plötzlich an das Stockholm Syndrom denken. Entführte verliebten sich in ihren Entführer... Psychologisch gesehen gar nicht so unwahrscheinlich, realitätsbedingt musste ich sowas auf jeden Fall zu verhindern wissen.

Zu dem Zeitpunkt, war ich mir auch noch sicher, niemals etwas für diesen Mistkerl empfinden zu würden. Wie naiv ich manchmal war...

Oben angekommen war hier nur ein kleiner Flur mit zwei Türen. Neugierig öffnete ich die erste, die mich in ein Badezimmer führte, das kleiner, aber genauso gut ausgestattet wie das Untere war. Eine Badewanne, ein Waschbecken, eine Toilette und ein Wäschekorb. Das sollte reichen und war weitaus mehr, als wir im Wohnwagen besaßen.

Nachdem ich meinen Koffer auf dem Boden abgestellt hatte, wühlte ich noch nach meinen Hygieneartikeln und verfluchte meinen ältesten Cousin Padraig.

"Er hat mir nur Wäsche eingepackt, dieser Vollidiot", stellte ich genervt fest und hielt mir kurz die Hände an den Kopf. Wie blöd konnte jemand eigentlich sein? Aber kein Wunder, so oft wie er schon Prügel von meinem Onkel bekommen hatte. Im Endeffekt sollte ich froh sein, dass er überhaupt den Koffer heil zur Hochzeitsfeier gebracht hatte.

Frustriert schob ich den Koffer anschließend unter das breite Waschbecken, schaute mir danach im Spiegel ein flüchtiges, letztes Mal selbst entgegen und lief dann barfuß in den  engen Flur zurück, um voller Neugier die zweite Tür zu öffnen.

"Ach du....", entfuhr es mir beeindruckt und ich befand mich plötzlich in einem Raum, der selbst größer war, als Rians Zimmer.

Eine Seite bestand nur aus einem riesigen Fenster, das genau zum Strand zeigte und ich freute mich jetzt schon wahnsinnig darauf, jeden Morgen und jeden Abend diesen Ausblick zu haben.

Der Boden hier oben bestand im Gegensatz zu unten nur aus Teppich. Ein weißer Teppich, der sich einfach nur unfassbar weich unter meinen nackten Füßen anfühlte.

Dann fiel mein Blick auf das Himmelbett, welches mit roter Bettwäsche überzogen war und aus hellem Holz bestand.

Wieso, wenn dieses Zimmer so viel schöner war, als sein eigenes, kam Rian nicht hier hoch?

Mit dem Blick auf den großen, dunklen Kleiderschrank gerichtet, der sich gegenüber der Fensterfront befand, lief ich zu dem Bett und setzte mich im Schneidersitz darauf, um Nero mit einem Klopfen auf die Decke anzudeuten, dass auch er hier oben willkommen war.

Ein gekonnter Sprung und schon schmiegte er sich erschöpft an mich heran. Auch er hatte einen langen Tag...

Die Stille, die mich dann hier oben einnahm, machte mir dann doch ein ungutes einsames Gefühl, denn ich war sie nicht gewohnt.

Wir wohnten Wohnwagen an Wohnwagen und man konnte froh sein, wenn man vor 3 Uhr nachts Ruhe in unserem Viertel hatte. Dazu wohnten wir zu viert auf engstem Raum und nun, kam ich mir völlig alleine in einem Palast vor, der trotz seiner Größe drohte mich zu ersticken...

Ich versuchte nicht weiter über das alles nachzudenken, zwang mich auch, den Moment mit Rian zu vergessen und ließ mich müde nach hinten in die weichen Kissen fallen, um anschließend meine Augen zu schließen und langsam einzuschlafen.

Natürlich gelang es mir nicht sofort und jedesmal, wenn mein Verstand mich zwingen wollte, an diese prickelnde Gänsehaut zurückzudenken, zuckte ich wütend und drehte mich hin und her, bis selbst Nero vom Bett hüpfte und es sich lieber davor gemütlich machte.

Super! Jetzt haste auch noch deinen letzten Freund hier vergrault!

_______

Rian - Bis dass der Hass uns scheidet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt