»Zwiespalt«

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Wie benommen saß ich am Strand und schaute rauf auf das unruhige Meer. Die Wellen rauschten in meinen Ohren und die Sonne knallte auf mich herunter, doch ich nahm das Alles sowieso nur noch nebenher wahr.

Ich spürte rein gar nichts mehr und es fühlte sich an, als wäre alles Glück aus mir heraus verschwunden, seit Rian mir vorletzte Nacht die Worte unter Tränen gesagt hatte, die jeden Menschen aus der Bahn werfen würden...

Deine Mutter ist verstorben...

"Oh Gott", hauchte ich schluchzend beim Gedanken daran und vergrub mein Gesicht in meinen Händen, während meine Augen angestrengt versuchten zu weinen, doch es kamen keine Tränen mehr aus ihnen heraus. Ich war wie ausgetrocknet, da ich die ganze Nacht in Rians Armen bitterlich geweint hatte.

Meine Mum war tot und ich war nicht da... Nichtmals in der Nähe. Ich konnte mich nicht verabschieden, ihr nicht sagen, wie sehr ich sie liebte... Da war einfach nichts, was ich ihr mitgegeben hatte...

Und dann das lange Telefonat mit meinem Vater heute morgen, dass mir jegliche Energie raubte...

Ich solle sofort zurück nach Hause...

Doch nun war hier mein Zuhause und trotzdem wusste ich, dass ich Rian zurücklassen musste. Mein Vater hatte niemanden mehr und für die Familie da zu sein, war bei uns Zigeunern, das Wichtigste überhaupt. Ich wäre eine Schande für alle, würde ich einfach hier bleiben und glücklich sein. Selbst meine Mutter würde sich schämen, wenn ich meinen Vater jetzt alleine lassen würde, nach Allem, was er für mich im Leben schon geopfert hatte.

Das Gefühl, an meinen eigenen Gedanken zu ersticken, breitete sich plötzlich in meinem ganzen Bewusstsein aus und kraftlos erhob ich mich von dem warmen Sand, um ein letztes Mal aufs Meer hinauszuschauen, ehe ich mit Nero zurück zur Villa lief.

Jeder einzelne Schritt, kam mir unmöglich vor und ich wollte einfach, dass das alles nicht wahr wäre. Ich hoffte, es wäre ein böser Traum, aus dem ich gleich erwachen würde, doch als ich zögerlich das Wohnzimmer betrat und Rian mit seinem verzweifelten Blick am Tisch sitzen sah, wusste ich, dass alles bitterte Realität war und ich keine Chance mehr darauf hatte, mit ihm je glücklich zu werden.

"Keeva, du kannst hier bleiben. Dein Vater kann auch hier wohnen", redete er sofort mit zitternder Stimme los, doch ich schüttelte unter Tränen den Kopf, wie ich schon die ganze Zeit tat, wenn er versuchte mich umzustimmen. Ich kannte meinen Vater, meine Familie und es wäre keine Lösung gewesen... Zumindest für den Rest meiner Familie nicht.

"Rian, ich muss nach Hause. Mein Vater würde niemals hierher ziehen und er schafft es ohne mich nicht", gab ich ihm zurück und ich hasste mich selbst dafür, ihm wieder diese glasigen Augen zu bereiten, die mein Herz in tausend Scherben zersplittern ließen.

Wir hatten heute morgen schon lange darüber gesprochen, was nun passieren würde und ich hatte den alles in mir zerstörenden Entschluss geäußert, uns scheiden zu lassen. Es tat weh, so weh, dass ich es kaum ertrug, aber ich hatte meine Mum schon alleine sterben lassen und würde meinen Vater nun sicher nicht im Stich lassen können. Rian bot zwar an, das alles hier hinter sich zu lassen, selbst seine Karriere und mit mir zu kommen, doch das konnte ich nicht verlangen...

"Tu mir das nicht an", flüsterte er und schaute dabei auf seine Hände, die vor ihm auf dem Tisch lagen, während ich einige Schritte auf ihn zuging und genau hinter ihm stehenblieb.

"Ich muss-"

"Nein!", schrie er plötzlich und stand so hastig auf, dass der gesamte Tisch wackelte und sein Stuhl laut zu Boden fiel, während ich erschrocken die Luft einzog und einen Schritt nach hinten machte. "Du kannst mich nicht verlassen, Keeva! Weißt du eigentlich, wie viel es mich gekostet hat, mich dir zu öffnen?! Und für was das alles?! Dafür dass du mich dann einfach verlässt?!?!"

Rian - Bis dass der Hass uns scheidet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt