»Nero1«

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Da Rian anscheinend nichts mehr dagegen hatte, dass ich hier hinten alleine für mich trinken würde, nahm ich mir erneut die Flasche Sekt, trank mehrere Schlücke von ihr und setzte mich dann auf den schönen, warmen Rasen, um Nero über sein schwarzes Fell zu streicheln und mein Gesicht der Sonne entgegenzustrecken, die schön warm auf meiner Haut prickelte.

Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich immer wieder Gelächter und laute Stimmen von der anderen Seite der Villa hörte. Der klarste Gedanke, war der, dass es sich anfangs wirklich heldenhaft anfühlte, etwas so selbstloses für jemanden zu tun, den man liebt. Doch nun, hier alleine auf der Wiese, wurde mir erst richtig bewusst, was ich da eigentlich mit meinem Leben angestellt hatte.

Immerhin war das hier meine Hochzeit und es schien ja nicht mal jemanden zu interessieren, wer ich überhaupt war oder wo ich mich aufhielt...

Vielleicht könnte ich ja einfach verschwinden und keiner würde es bemerken...

Wieder griff ich über all das frustriert zur Flasche, doch plötzlich stupste Nero, der mit seinem Kopf auf meinem Schoß lag, meinen Arm leicht an, sodass ich ihn verwundert anstarrte.

"Hast ja Recht", verdrehte ich schweratmend meine Augen und stellte die Flasche wieder zurück in die Wiese neben mich.

Die nächsten Jahre würden sicher schwer genug werden. Weitaus schlimmer, als dieser Tag heute und wenn ich jetzt schon dem Alkohol verfallen würde, dann würde er mich sicher die ganze Zeit über begleiten und das wollte ich nicht...

Ich ließ mich auf den Rasen fallen, starrte hoch in den wolkenlosen Himmel und schloss dann nach einer Weile die Augen, bis Nero sich schlagartig aufsetzte und ich neugierig über sein Verhalten, auch meinen Oberkörper wieder erhob.

"Deine Sachen sind da. Wir fahren jetzt."

Es war nicht Rian, sondern sein riesiger Bruder, der zielstrebig auf mich zugelaufen kam.

"Wo ist er?", wollte ich dann verwirrt wissen und stützte mich mit den Händen im Rasen ab, um mich ungeschickt wieder auf meine Beine zu stellen.

"Schon gefahren. Ich nehme dich mit."

Mir fiel ungläubig über seine Worte die Kinnlade herunter. Es wunderte mich nicht, dass er sicher überhaupt kein Interesse an mir hatte, aber er hätte mir wenigstens Bescheid sagen können, dass er mich nicht mitnehmen würde. Was für eine tolle Hochzeit, wo der Ehemann einfach abhaut!

Ohne dem Riesen etwas zu erwidern, lief ich ab ihm vorbei und durch einige übrig gebliebene Partygäste hindurch, bis ich in der großen Eingangshalle ankam, in der ich sofort wieder den Kopf hob, um den mächtigen Kronleuchter zu bewundern...

"Was trödelst du rum?", machte mich jetzt der Typ auch noch blöd an und genervt stieß ich die Luft aus und verschränkte dabei meine Arme, um ihn fragend anzusehen.

"Wie heißt du überhaupt?", erkundigte ich mich bei ihm, ohne überhaupt auf seine vorherige Frage einzugehen.

"Odran", kam es kalt von ihm und schon öffnete er die Eingangstür, um mir mit einer Geste seiner Hand klarzumachen, dass ich voraus laufen sollte.

Flüchtig schaute ich zu Nero herunter, der ruhig an meinen Füßen saß und lief dann mit ihm gemeinsam erhobenen Hauptes an Odran vorbei, wo mein Blick sofort wieder auf die vielen Sportwagen fiel.

Odran lief an mir vorbei zu einem gelben Flitzer, doch ehe ich ihm folgen konnte, spürte ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter und zuckte von dieser Berührung leicht zusammen.

"Du bist sicher Keeva. Willkommen in der Familie", meinte der Kerl und riss mich fest in seine Arme, wo mir sofort der Geruch von starkem Alkohol und Parfum entgegenwehte. "Ich bin Senan."

Er löste sich wieder von mir und ging dann lächelnd in die Hocke, um Nero freundlich zu begrüßen. Seine dunklenbraunen Haare fielen ihm leicht ins Gesicht. Sein Outfit, dass aus einem schwarzen Tanktop und einer hellen Jeans bestand, passte überhaupt nicht zu einer Hochzeit und auch so, passte er nicht zu den anderen Anzugträgern hier.

Überall am Hals hatte er schwarze Tattos, die bis über seine Arme zu seinen Händen reichten. Ich hatte auch bei Rian welche entdeckt, aber dieser Typ hier besaß dazu auch noch ein Lippen und ein Augenbrauen Piercing.

Er musste sich in der Villa geirrt haben.

"Senan!", rief der Riese vom Auto aus und sofort erhob der Braunhaarige vor mir sich wieder, um mir flüchtig zuzuzwinkern, ehe er sich Odran zuwandte. "Lass die Frau deines Bruders in Ruhe und sorg dafür, dass die Gäste langsam gehen. Wir müssen die Villa morgen wieder abgeben."

Mein Blick fiel wieder auf Senan... Er war also auch ein Bruder von Rian. Während man es bei Odran mit den schwarzen Haaren und dem braunen Anzug erwartete, sah Senan überhaupt nicht wie einer von der Mafia aus. Eher wie ein Draufgänger, der gerne mal Ärger machen würde.

"Weißt du was! Du kannst die scheiß Opfer hier selbst bedienen! Ich fahre Keeva", grinste Senan und drückte dann den Autoschlüssel in seiner Hand, worauf direkt vor uns ein weißer Mercedes aufblinkte.

Odran kam wütend zurück zu uns und stellte sich dabei genau vor seinen Bruder.
"Achja? Ich glaube kaum, dass Rian das gutheißen würde, wenn du in ihrer Nähe wärst!", knurrte der Riese, doch Senan schien keinerlei Angst oder Respekt vor ihm zu haben.

"Kann ihm doch egal sein, immerhin ist der sich mit der einen Blondine amüsieren gefahren, also glaube ich kaum, dass es ihn kümmert. Dazu hast du wohl den Dobermann nicht bemerkt. Was denkst du eigentlich wie die Beiden in deinen engen Porsche passen sollen?"

Was für eine Blondine???

Die beiden diskutierten genau vor mir weiter, doch ich hörte ihnen nicht mehr zu. Zwar war mir völlig egal, was Rian mit wem hatte, aber es war trotzdem verletztend. Auch ich hatte meinen Stolz, auch wenn ich nicht viel Geld oder Ansehen besaß...

Aus dem Gefühl heraus, dass Rian es anscheinend nicht gewollt hatte, dass Senan mich fahren würde, lächelte ich Odran an und hakte mich bei dem Braunhaarigen neben mir ein.

"Du kannst Rian ausrichten, dass Senan mich fährt, wenn er überhaupt in der Lage sein sollte, an sein Handy zu gehen", sprach ich grinsend und lief dann mit Senan gemeinsam zu dem Mercedes, während Odran völlig perplex zurückblieb.

"Ich kann dich jetzt schon leiden", flüsterte Senan beeindruckt und hielt mir dabei die Autotür auf, damit ich mich in das schwarze Leder fallen lassen konnte.

Abschließend hüpfte Nero noch auf die Rückbank und schon fuhren wir los..

Ein letztes triumphierendes Winken in die Richtung von Odran konnte ich mir allerdings nicht verkneifen. Er sah mit seinem fassungslosen Blick einfach zu bezaubernd aus!

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Odran und Senan ❤️

Rian - Bis dass der Hass uns scheidet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt