»Wahrheiten«

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Als Odran nur langsam zur Tür lief und dabei seine Waffe die ganze Zeit auf diese gerichtet hielt, wurde mir das ganze Ausmaß der Bedrohung erst wirklich bewusst.

Da ich nur noch Angst empfand und gar nicht mehr wusste wohin, mit meinen ganzen Gefühlen, wich ich einige Schritte zurück, um mich genau neben Senan zu stellen, der mir fürsorglich seinen Arm um die Schulter legte, während auch Rian nun einige Schritte auf die Tür zumachte.

"Ich hab gefragt, wer verfickt nochmal vor der Tür steht!!!", rief er nochmal, diesmal bedrohlicher und von draußen hörte man plötzlich ein lautes Lachen, dass aber Rian sofort dazu brachte, leise fluchend seine Waffe herunterzunehmen. Auch Odran zog entspannt Luft und ließ seine Pistole sinken, um diese wegzustecken und die Tür anschließend zu öffnen.

Dann sah ich etwas, dass mich sogar fast noch zum Lachen gebracht hätte, wäre die Situation nicht so angespannt gewesen.

Odran öffnete die Tür und ich sah sofort in himmelblaue Augen, die nur so vor Belustigung strotzten. Dazu hatte der Kerl auch noch einen dunkelblauen Kimono an, auf dem düstere Drachen abgebildet waren.

Sah irgendwie mit den blassen Beinen und den Sandalen aus wie eine Witzfigur...

"Paranoia ist nichts Gutes", sprach er amüsiert und lief dann mit offenen Armen auf Rian zu, um diesem einen Kuss auf die Wange zu geben. "Du solltest dringend Mal ficken, das entspannt, Bruder."

Okay! Ich konnte ihn jetzt schon nicht leiden! Blöder Kimono Arsch!

"Und du solltest das nächste Mal verfickt nochmal antworten!", gab Rian nur immer noch angespannt von sich, wodurch der dunkleblonde seine Aufmerksamkeit auf Odran richtete, der immer noch an der Tür stand und die drei Muskelprotze anstarrte, die dem Mann mit russischem Akzent hereingefolgt waren.

Er war anscheinend wichtig, denn seine Wachleute trugen mehrere Waffen und sahen allein von ihrem Auftreten schon tausend Mal gefährlicher aus, als die Idioten, die wir beschäftigt hatten.

"Odran, mein Lieber. Du scheinst Gefallen am Essen gefunden zu haben", begrüßte er dann auch diesen und wandte seinen Blick dann zu mir und Senan, der seinen Arm immer noch um meine Schulter gelegt hatte, was auch Rian dann stirnrunzelnd bemerkte, als er sich zu uns herumdrehte.

"Und da ist das schwarze Schaf", sprach der Russe und kam auf uns zu. Mein Herz klopfte wie verrückt, doch da ich ganz genau spüren konnte, wie Senan sich anspannte, wusste ich, dass er ihn damit meinte und nicht mich.

Das musste sicher Juri sein, doch gefährlich sah der überhaupt nicht aus.

Juri blieb nur wenige Schritte vor uns stehen, warf mir eine flüchtigen Blick zu, ehe er Senan mit einem dreckigen Grinsen ansah.

"Rian", meinte er dann und wandte sich zu ihm. "Es ist mir ein Rätsel, wieso dieser Junkie noch nicht als ausgestopfter Kopf über deinem Bett hängt. Also hätte er meine Mutter umgebracht, dann-"

"Juri!", unterbrach Rian ihn sofort und obwohl ich mich in dem Moment wie gefangen fühlte, drehte ich mein fassungsloses Gesicht zu Senan und sah seinen Augen dabei zu, wie sie sich widerwillig mit Tränen füllten.

Ich konnte nicht glauben, was dieser Russe da gerade gesagt hatte, doch diese Reaktion, ließ das ganze zu einer Realität werden, die vieles, aber noch nicht alles, erklärte.

"Was?!", fragte Juri sofort an Rian gewandt und fuhr sich durch die dunkelblonden Haare. "Darf man nichtmals mehr seine Meinung sagen?"

Ich wandte meinen Blick wieder zu Rian, der genauso mitgenommen wirkte wie Senan und selbst Odran, dem man kaum Emotionen ansah, sah einfach nur todtraurig aus.

"So, ich würde sagen, der Abschaum verpisst sich jetzt nach oben. Ich will so jemanden nicht im Raum haben, wenn ich Geschäfte mache", erklärte Juri mit einem abfälligen Blick zu Senan, der auch sofort seinen Arm von meiner Schulter nahm und sich zur Treppe drehte, bis Juri nochmals anfing. "Vergiss deine Nutte nicht."

Wie bitte?!?!!?

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, packte Rian ihn an seinem Kimono und sofort zielten die drei Muskelprotze neben Odran auf meinen Ehemann, dem das aber nichts auszumachen schien. Dafür explodierte aber mein Herz fast und ohne darüber nachzudenken, lief ich auf die Beiden zu und legte meine Hand auf Rians Rücken.

"Schon gut", sprach ich leise und traute mich dabei nicht, zu diesem Juri aufzuschauen, doch als ich es dann flüchtig tat, lachte dieser mich mit hochgezogener Augenbraue an.

"Ach Rian. Und ich dachte, du hättest an Stärke verloren, aber anscheinend liegen deine Prioritäten jetzt woanders", meinte er amüsiert und sah Rian dann tief in die Augen. "Ich wollte deine Frau nicht beleidigen. Ich habe die Situation falsch eingeschätzt."

Rian ließ ihn los und trotzdem spürte ich unter meiner Hand, wie sein ganzer Körper vor Wut zitterte.

"Und du!!! Verpiss dich endlich!"

Juri starrte Senan an, der auch schnell die Treppen hoch verschwand und mir wieder den Gedanken hervorrief, dass er anscheinend wirklich etwas mit dem Tod von Rians Mutter zu tun hatte... hier war jedoch so viel los, dass ich wohl warten musste, bis ich mehr erfahren würde.

"Keeva, geh bitte auch hoch", hörte ich Rian, der mich dabei aber nicht anschaute, sondern nur seine Hand an meinen Rücken legte, um mich in Richtung der Treppen zu schieben, doch weit kam ich nicht.

"Rian, ich bitte dich. Ich würde zu gerne die Frau kennenlernen, die dafür verantwortlich ist, dass ich einen meiner Männer erschießen musste."

Was???

Irritiert starrte ich den Russen an, der lächelnd nach meiner Hand griff und einen Kuss auf diese hauchte. Ich hörte das Knurren von Rian, doch er schien es bei ihm zu akzeptieren. Entweder vertraute er ihm, oder er wusste, dass Juri im Moment unsere einzige Möglichkeit war, uns zu schützen.

"Ich bin Juri, es freut mich wirklich, deine Bekanntschaft zu machen."

"Keeva", flüsterte ich leise und völlig überfordert, während ich hilfesuchend zu Rian schaute. Da auch er milde lächelte, wusste ich, alles war okay... oder er wollte mich nur beruhigen. Ich hatte keine Ahnung!

"So, und nun, liebste Keeva. Hol uns Männern bitte Gläser und eine Flasche des besten Alkohols, den ihr im Haus habt."

"Ich mache das schon", erwiderte Odran und machte sich auf den Weg in die Küche, während Juri meine Hand losließ und sich seinen drei Muskelprotzen zuwandte, die seit sie dort standen, sich nicht einmal bewegt hatten.

Immer noch besser, als würden sie am Handy spielen.

"Wartet draußen."

Ein Wort von dem durchgeknallten im Kimono und die drei verschwanden sofort nach draußen, während Juri plötzlich ins Wohnzimmer starrte und seine Mundwinkel leicht zuckten.

"Wie viel?", fragte er und als mein Blick dann auch an Rian vorbei zur Couch fiel, sah ich Nero, der Juri durchgehend angespannt fixierte.

"Unverkäuflich!", sagte ich sofort und schaute zu Rian, der daraufhin zum Glück zustimmend nickte.

"Er war ein Hochzeitsgeschenk."

"Alles ist käuflich", meinte Juri nur schulterzuckend, doch er wandte seinen Blick zu meiner Erleichterung von Nero ab, um sich am Kopfende des Esstisches niederzulassen. "So, und nun zum Deal."

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Wie findet ihr Juri?

Rian - Bis dass der Hass uns scheidet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt