Es war sicher schon später Vormittag, als ich mit einem leichten Dröhnen in meinem Kopf die Augen öffnete.
Die Sonne schien hell durch die Fensterfront und ich war heilfroh, dass diese seltsame Nacht hinter mir lag, denn ich hatte Angst, Verbundenheit, Schwäche, Verzweiflung und so vieles mehr in nur wenigen Stunden erlebt und musste auf dieses Chaos erstmal in Ruhe klarkommen.
Mühsam setzte ich meine Füße auf den weißen Teppich und tapste dann gähnend ins Bad, um mich auszuziehen und ausgiebig zu duschen. Der wenige Sand, der sich auf meiner Haut und in meinen Haaren befand, verschwand im Abfluss und zurück blieb nur der angenehme Duft meines neuen Shampoos, dass angenehm nach Pfirsich roch...
Sauber und von einer wohltuenden Wärme umgeben, trocknete ich mich dann zügig ab, zog mir Unterwäsche, eine kurze Jeans und ein schwarzes T-Shirt über, um anschließend noch meine nassen Haare in ein weißes Handtuch zu binden...
"Ich putze noch schnell meine Zähne und dann gehen wir eine Runde spazieren", lächelte ich mit meiner Zahnbürste im Mund Nero entgegen, der mich neugierig zu beobachten schien.
Als ich mich im Spiegel betrachtete, schweiften meine Gedanken plötzlich wieder zu diesem mumligen Gefühl in meinem Magen und flüchtig sah ich noch einmal zu Nero herunter, der zum Glück wieder völlig ruhig und ausgeglichen wirkte.
Es war sicher eine Katze, dachte ich und spülte dabei meinen Mund mit kaltem Wasser aus, um mich barfuß auf den Weg nach unten zu machen.
Im Wohnzimmer angekommen tapste ich sofort zu Neros Napf, um ihm frisches Wasser einzuschenken und auch etwas Trockenfutter in die Schale zu geben.
"Morgen", hörte ich Senan hinter mir, der sich Augen rubbelnd neben mich stellte und mich flüchtig musterte.
"Morgen", erwiderte ich ihm leise und wich seinem Blick beschämt aus.
Mir fiel wieder ein, wie ich mich benommen hatte. Jake kam mir in den Sinn, wie er sich an meinem Körper rieb und dank meiner Aufdringlichkeit auch noch eine Kugel verpasst bekam. Sicher war Senan sauer auf mich deswegen, doch als ich ihn wieder ansah, lächelte er milde und drückte dabei die Kaffemaschine vor uns an.
Er war entweder überhaupt nicht wütend, oder er war genau so ein guter Schauspieler wie seine Brüder.
"Wie geht's Jake?", wollte ich trotzdem unsicher wissen und er winkte nur mit seiner Hand ab, während er zwei Tassen aus dem Schrank herausholte.
"Der hat schon Schlimmeres erlebt. Außerdem ist er selbst schuld", zuckte Senan mit den Schultern und stellte währenddessen die Tassen vor uns auf die Theke.
"Schlimmeres als in die Hand geschossen zu bekommen?", fragte ich skeptisch, doch er lachte nur und legte seinen Arm um meine Schulter.
"Keeva, du bist an dieser Situation nicht Schuld ich bin wirklich dankbar, dass es nur seine Hand war. Er auch und glaub mir, keiner gibt dir die Schuld dafür, also mach dir keine Gedanken", erklärte er und kniff mir dabei leicht in meine Wange, was mich erleichtert zum Grinsen brachte.
Ein Teil meiner Schuldgefühle konnte er mir damit wirklich nehmen und als er sich daran machte, uns Kaffee einzugießen, atmete ich erleichtert durch und schaute flüchtig raus zur Terrasse.
"Sag mal. Sind hier nachts viele Leute am Strand unterwegs?", fragte ich ihn und wandte meinen Blick dabei wieder zu ihm, um die volle Tasse vorsichtig entgegenzunehmen, deren Duft mich allein schon etwas wacher machte.
"Nicht das ich wüsste. Touristen kommen so gut wie keine her, erst Recht nicht nachts und die Nachbarn haben es nicht so mit Rian und seinem Ruf. Glaube kaum, das sie nachts hier vor dem Haus herumspazieren."
Ich nickte ihm nachdenklich zu und nahm einen Schluck des heißen Kaffes, um mich dann wieder zur Terrasse zu wenden.
"Wieso fragst du?"
"Nur so", beendete ich das Thema und auch er hakte nicht weiter nach. Mit der Tasse in der Hand verschwand er vor den Fernseher und schaltete diesen dann ein, während ich immer noch von Gedanken eingenommen Nero beim Futtern beobachtete.
Als er fertig war und mich hechelnd anstarrte, trank ich eilig meinen Kaffe aus und lief anschließend mit ihm zur Fensterfront, um ihm die Glastür zu öffnen.
Sofort prallte mir die Hitze entgegen und mir wurde von dem Kater leicht schwindelig, doch ich folgte Nero trotzdem schnellen Schrittes die Treppen herunter und verbrannte meine Füße leicht in dem viel zu heißen Sand.
"Nero", rief ich, doch er rannte links herum den Strand entlang, genau dorthin, wo er gestern noch etwas gewittert hatte.
Jetzt, im Hellen, war ich mir sicher, dass niemand sich hier aufhielt. Der Strand war menschenleer und somit folgte ich ihm und hatte auch keinerlei Angst dabei.
Erst, als ich nach einigen Metern bei ihm ankam, gefror mir das Blut in den Adern und ich starrte wie benommen auf einige Fußabdrücke, die genauso aussahen, als hätte hier jemand gestanden und in die Richtung geschaut, in der ich letzte Nacht im Sand saß.
Nero schnüffelte aufgeregt herum und plötzlich knurrte er und schaute genau an mir vorbei.
Ein Schauer zog mir über den Rücken... Jedes noch so kleine Härchen an meinem Körper stellte sich auf und als ich dann mit großen Augen vor mir auf den Boden schaute, erkannte ich neben meinem Schatten noch einen zweiten, der viel größer und breiter wirkte als mein eigener.
Verdammter Mist!!!
Mit rasendem Herzen drehte ich mich herum und sah einem Mann genau in die dunklen Augen, der mich lächelnd musterte und sich nervös durch seine blonden Haare fuhr.
"Ich wollte dich nicht erschrecken", meinte er sofort entschuldigend und hielt mir seine Hand entgegen.
Mit offenem Mund starrte ich ihn eine Zeit lang an, bis ich mich wieder beruhigte und ihm meine Hand zögerlich reichen wollte, doch Nero stellte sich plötzlich zwischen uns und knurrte den Fremden an.
"Wow, ganz ruhig", meinte der Blonde und zog seine Hand zurück, um sie in die Hosentasche seiner kurzen schwarzen Hose zu stecken. "Ich hab eine Katze, er muss sie riechen", erklärte er sich und ich starrte ihn trotzdem noch skeptisch an.
"Ich bin übrigens Brandon. Ich wohne direkt dort vorne", ließ er mich wissen und zeigte an mir vorbei, zu einer der großen Villen.
Er war also ein Nachbar und hatte vermutlich wirklich eine Katze.
"Nero", mahnte ich ihn und zog ihn am Halsband ein Stück weg von Brandon. "Es tut mir wirklich leid. Ich habe ihn erst wenige Tage und weiß nicht, was er hat. Vermutlich mag er deine Katze wirklich nicht", gab ich entschuldigend von mir und hatte dabei wirklich Probleme, Nero dazu zu bringen, sich nicht mehr wie ein Verrückter aufzuführen.
"Und du bist?", wollte Brandon dann wissen und augenverdrehend haute ich mir leicht an die Stirn.
"Entschuldige. Keeva", antwortete ich ihm und streckte ihm dann meine Hand entgegen, die er mit Blick auf Nero gerichtet nur zögerlich schüttelte.
"Hallo Keeva. Schöner Name", zwinkerte er und wollte dann gerade an mir vorbei, als er nochmal inne hielt. "Wenn du Lust hast, könnten wir mal zusammen spazieren gehen. Der Strand hat schöne Ecken."
Er wusste anscheinend nicht, wessen Frau ich war und da ich es vermeiden wollte, dass auch ihm bald nur noch eine funktionierende Hand blieb, schüttelte ich sofort verneinend den Kopf. "Lieber nicht, aber danke für das Angebot", lächelte ich ihm entgegen und plötzlich lachte er laut auf.
"Falls es um Rian geht, dann solltest du wissen, dass niemand etwas für Zufall oder Schicksal kann. Ich bin abends immer hier unterwegs. Vielleicht trifft man sich zufällig", grinste er und zeigte dann auf den immer noch leise knurrenden Nero. "Aber bitte ohne ihn. Ich möchte ungerne als Mitternachtssnack enden."
Ich nickte und musste darüber schmunzeln, dass hier anscheinend sogar nette Leute wohnten. Nicht jeder gehörte automatisch zur Mafia und nicht jeder war automatisch kalt und abweisend.
Brandon wirkte wirklich nett und offen und ich schaute ihm noch eine Weile hinterher, bis ich mich gemeinsam mit Nero dann auf den Weg zurück zur Villa machte.
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Nett und offen?
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Rian - Bis dass der Hass uns scheidet
Romantizm- Abgeschlossen - Darkromance | Drama ______ Rian & Keeva Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, denn während sie die Frau ist, die sich immer an alle Regeln hält, ist er der Mann, der diese täglich bricht. Ihr Leben dreht sich da...