Mit leicht zitternden Händen stand ich am Anfang dieses engen Ganges und ließ nervös meine Augen über die vielen Gäste schweifen.
Links von uns saßen nur Menschen, die wohl zu Rian gehörten, denn ich erkannte kein einziges Gesicht unter ihnen. Alle schauten mich an, doch während einige sich schnell wieder desinteressiert nach vorne drehten, schmissen mir andere abschätzige Blicke zu, die dazu führten, dass ich mich in dem Augenblick noch unwohler fühlte, als sowieso schon.
Schnell wandte ich meinen Blick zur anderen Seite. Dort saßen meine Familie, meine Freunde und auch entfernte Verwandte. Ich dachte sie würden sich vielleicht freuen und mir zulächeln, doch nur Mitleid und Kummer lag in ihren so ernsten Minen.
"Keeva", flüsterte mein Vater mir ins Ohr und packte mich dabei fester am Arm. "Ich bin sehr stolz, welches Opfer du bringen möchtest, aber sobald du dort vorne stehst, wird es kein Zurück mehr geben. Wenn du gehen willst, dann gehen wir."
Nachdenklich schaute ich zu ihm auf, ließ meine Iriden flüchtig über seinen Schneuzer und seine dunklen, besorgten Augen wandern, bis ich dann furchtlos lächelte.
"Es ist nur eine Täuschung. Ich muss ihm ja nicht nah kommen. Mama wird geholfen, ich zeige mich als seine Frau in der Öffentlichkeit und sobald er in der Politik aufgestiegen ist, komme ich wieder nach Hause. Versprochen", hauchte ich und lehnte mich zu ihm herüber, um ihm einen sanften Kuss auf die Wange zu geben.
Leise Musik fing an zu spielen und schon erhoben sich alle und nur ganz zaghaft setzte ich mit meinem Vater gemeinsam einen Fuß vor den anderen. Meinen Blick auf den hellen Teppich unter uns gerichtet, atmete ich einige Male tief durch und hob dann meinen Kopf, um Rian direkt in die Augen zu schauen, der meinen Blick kalt erwiderte.
Er wirkte in seinem weißen Hemd wie ein Eisberg. Ruhig, fast versteinert stand er da und strahlte eine Kälte aus, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Hoffentlich würde alles wirklich so ablaufen, wie ich es meinem Vater versprochen hatte.
Als Rian seinen Blick dann von mir abwandte und zu Boden starrte, konzentrierte ich mich auch auf die anderen Dinge vor mir.
Ein Priester stand dort, wartete ungeduldig auf meine Ankunft. Hinter ihm die schönsten Blumen, die ich je gesehen hatte und während ich meinem JaWort immer näher kam, spürte ich nebenbei noch, wie schnell mein Herz pochte und wie zugeschnürt sich plötzlich meine Kehle anfühlte.
Es raubte mir die Luft zum Atmen und panisch suchte ich den Blick meiner Mutter, die als einzige vorne in der ersten Reihe saß. Sie sah blass aus, kränklich und da erhob ich mein Haupt schnell wieder und stellte alle Unsicherheit beiseite.
Wenn eine Mutter alles für ihr Kind tun würde, dann konnte eine Tochter auch alles für ihre Mutter tun.
Vorsichtig stellte ich mich genau gegenüber von Rian auf und schenkte meinem Vater ein dankbares Lächeln, der meine Hand nur zögerlich zu der von Rian führte, der sie grob entgegennahm. Trotz seiner so kalten Berührung, spürte ich ein mir unbekanntes Kribbeln, das angenehm durch meine Fingerspitzen fuhr und als er leicht zuckte, wusste ich, dass auch er es gespürt hatte.
Mein Vater eilte zu meiner Mutter und als der Priester dann anfing zu sprechen, setzten sich alle wieder hin. Nur Rian und ich standen da, mein Blick immer noch auf unsere Hände gerichtet, wollte ich ihn nicht ansehen, doch ich tat es trotzdem und sah ihm mit angehaltenem Atem tief in die leeren Augen.
Er zeigte keine Regung mehr, wirkte, als würde er durch mich hindurchsehen und eingeschüchtert von dieser Kälte widmete ich meine Aufmerksamkeit dann dem Priester, der zuerst von mir das Ja Wort forderte.
Ohne Rian auch nur noch einen Blick zu schenken, sagte ich "ja, ich will" und atmete dann angespannt durch, während der Priester jetzt den Mann neben mir ins Visier nahm.
Ich war so in Gedanken, dass ich nicht mal zuhörte, ob er überhaupt was sagte, bis der Satz "Sie dürfen ihre Braut jetzt küssen" alles in mir einnahm und mich mit großen Augen zu Rian sehen ließ.
Sofort erkannte ich, dass es ihm genauso unangenehm war wie mir und nur zögerlich kam er mit seinem Gesicht so nah an meines heran, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte.
Mein Herz überschlug sich, obwohl ich wusste, das alles nur eine Täuschung war und ich schrie mich innerlich selbst an, mir bloß nicht anmerken zu lassen, wie nervös ich war.
Seine Hände auf meine Tailie legend, zog er mich näher an sich heran, schaute dabei tief in meine Augen und legte mir schließlich ohne Vorwarnung seine Lippen auf meine.
Das jemand, der so kalt schien, plötzlich so eine Wärme in mir erzeugen konnte, war wirklich beängstigend und instinktiv schloss ich meine Augen, um den Geschmack seiner weichen Lippen durch meine Sinne rauschen zu lassen.
Ich hörte das Jubeln und Klatschen der Hochzeitsgäste, doch kam mir kurze Zeit so vor, als wäre die Zeit stehengeblieben und genau das, brachte mich dann auch dazu, meine Hände an seine Brust zu legen und ihn widerwillig von mir wegzudrücken.
Seine Augen huschten über meine und er sah völlig verwirrt aus, bis er wieder seine emotionslose Mimik annahm und mich an der Hand eilig den Gang entlangzog.
Romantisch sein zählte jedenfalls nicht zu seinen Stärken.
Die Gäste folgten uns heraus durch die Tür und ich ließ mich einfach von ihm in den riesigen Garten führen, wo überall weiße Stehtische mit Sektflaschen und Gläsern standen.
Ganz hinten an einer Hecke befanden sich viele lange Tische, gedeckt mit weißen Tischdecken und Köstlichkeiten. Die Sonne schien immer noch und brannte leicht auf der Haut meiner Schultern, während die Band neben uns ein leises Lied anspielte.
Ich empfand es als extrem schade, dass hier keine richtige Hochzeit stattfand, denn es war einfach nur perfekt. Mein Blick fiel wieder zu Rian, der mich an einem der Stehtische losließ und mir ein Glas in die Hand drückte, ehe er gekonnt eine der Sektflaschen öffnete.
"Ein Glas, mehr nicht. Du tanzt mit niemanden und redest nur mit Frauen. Wir tanzen gleich noch den Hochzeitstanz und danach fahre ich dich nach Hause, damit du deine Sachen packen kannst", kam es plötzlich bestimmend von ihm, während er mein Glas füllte und mich dabei nicht einmal ansah.
Ich antwortete ihm auf seine absurden Forderungen erst gar nicht. War eher sprachlos darüber, was er sich wieder einbildete und zog provozierend eine Augenbraue hoch, um das Sektglas dann in einem Rutsch zu leeren. Sein kühler Blick traf meinen und schweigend nahm ich mir die Flasche aus seiner Hand, um mir ganz langsam mit einem Grinsen auf den Lippen mein verbotenes zweites Glas einzuschütten.
Ich stellte die Flasche auf den Tisch, wollte gerade erneut das Glas ansetzen, da schlug er es mir vollkommen unerwartet mit solch einer Kraft aus der Hand, dass ich nur die Augen erschocken aufriss und die Luft anhielt.
Der Mann, der neben uns stand und dem Rian das Glas an den Rücken geschlagen hatte, drehte sich in diesem Moment verärgert um.
"Kannst du mal aufpassen! Was soll-"
Als Rian ihn wütend fixierte, fiel auch mein Blick zu dem Mann, der sofort fest schluckte und zu Boden schaute.
"Entschuldigen sie, Mr. Gallagher", kam es total eingeschüchtert von ihm und schnell verschwand er zwischen den anderen Gästen.
"Ich wiederhole mich nicht gerne, also provozier mich nicht und tu einfach das, was ich dir sage!"
Willkommen in meinem neuen Leben...
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Rian - Bis dass der Hass uns scheidet
Romance- Abgeschlossen - Darkromance | Drama ______ Rian & Keeva Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, denn während sie die Frau ist, die sich immer an alle Regeln hält, ist er der Mann, der diese täglich bricht. Ihr Leben dreht sich da...