Ich hatte mir die Aufnahmen aus dem Club angesehen. Es war schon irrwitzig zuzusehen, wie ich in diesem Engelskostüm in einem hell leuchtenden Licht einen Vampir am Boden niederstreckte, biss und anschließend mit Blut besudeltem Gesicht leidenschaftlich küsste. Das konnte schon schockieren.
Die Aufnahmen gaben aber sonst nicht viel her. Interessant war für mich nur die Erkenntnis, dass zwischen meinem Stand an der oberen Treppe und der Situation, als ich über Salvatore stand, keinerlei Aufzeichnung vorhanden waren. Es fehlte eindeutig das Stück, und zwar, wie ich die Treppe heruntergerannt kam. Ich ließ mir die Aufnahmen für meinen Rechner auf einen Stick ziehen und sah sie mir mehrfach an. Am unteren rechten Rand war der Tag und die Uhrzeit zu sehen, da es Aufnahmen aus Überwachungskameras waren, die eindeutige Tatbilder liefern sollten, diese wurden daher extra mit Datum und Uhrzeit aufgenommen. Mehrfach kontrollierte ich die Aufnahmen und stellte fest, dass keine Sekunde darin fehlte. Die Zeit war einfach stehen geblieben, als sich meine Lichtaura verstärkt hatte.
Ich überlegte. Also war ich in der Lage, bei starken Emotionen die Zeit zu stoppen, wie auch immer. Ich würde vermuten, die ganze Aktion hatte höchstens zwei Minuten gedauert, mehr nicht. Ich konnte Salvatore nur dadurch zurückholen, dass ich ihn gebissen, mich emotional dadurch gefestigt und ein wenig beruhigt hatte.
Eine sinnvolle Erkenntnis konnte ich allerdings nicht aus diesen Bildern gewinnen. Dabei hatte ich so viele Fragen. Würde dies wieder auftreten? Konnte ich das wirklich für irgendetwas Sinnvolles nutzen? Beim Sex ist es zwar als Lichtbogen aufgetreten, aber wir konnten uns weiterhin bewegen. Passiert es auf der ganzen Welt? Oder nur in dem Raum, in dem ich mich befinde? Fragen über Fragen und keinerlei Antworten. Wie sollte das nur weitergehen? Überfordert saß ich den Kopf zwischen den Händen versenkt an meinem Rechner und konnte diese Fragen einfach nicht beantworten.
Ich hörte nicht, wie Salvatore den Raum betrat. Er legte seine beiden starken Hände auf meine Schultern und beugte sich zu mir herunter. „Mein Schöner, du machst dir zu viele Gedanken. Wir werden es schon herausfinden. Irgendwer wird dir bestimmt helfen können."
Er wusste, wie es um mich stand. Er konnte immer meine Emotionen deuten. Manchmal hatte ich das Gefühl, er würde sich in meinem Gehirn aufhalten und mitlesen. Aber er hatte mir die Telepathie erklärt. Diese konnte einfache Botschaften schicken und auch in Köpfe hineinhören, aber das erforderte viel Aufwand und verbrauchte viel Kraft. Also wurde es im Alltag nicht angewandt. Ich fragte ihn auch, ob er sich in meine Gedanken geschummelt hatte, als ich in meiner alten Wohnung gewesen war. Da hatte er schnell vom Thema abgelenkt.
Also doch, dachte ich. Salvatore hatte versucht, mich zu beeinflussen. Ich war etwas, was er unbedingt haben wollte. Er hatte mir diese Bilder in mein Gehirn gesandt. Das war auch das, was der Vampirarzt meinte. Dass ich so lange einem alten Vampir widerstanden hätte, wäre schon etwas Besonderes. Wahrscheinlich hatte diese Einflussnahme auch zu meiner verwirrten Situation geführt. Ich hatte Widerstandskräfte, die ich nach den Alpträumen angewandt hatte. Diese waren aber anders, als sich Salvatore es wahrscheinlich gedacht hatte.
Ich frage mich, wie oft er wirklich schon vor meinem Bett gestanden hatte und wie oft er mich versucht hatte zu beeinflussen. Gerade die Bilder, die ich in den Nächten beim Schlafen hatte, waren ja ziemlich eindeutig gewesen. Er hatte mich verführt. Ich war nicht schwul gewesen. Er hatte mich geformt, und zwar so wie er es wollte und brauchte.
Ich machte mir in den nächsten Tagen wirklich Gedanken und fragte mich, wie meine Zukunft werden sollte, wenn ich weiterhin hierbleiben würde. Wahrscheinlich musste ich mir etwas überlegen.
Natürlich war ich in aller Munde. Jeder starrte mich an. Es war mir unangenehm. Jeder wusste nun um meine Beziehung zu Salvatore. Das war etwas, was mir echt peinlich war. Ich hatte Sex mit einem Mann gehabt und es hatte mir wirklich gefallen. Nie zuvor hatte ich dies gewollt. War das auch Salvatore gewesen?
Ich misstraute ihm immer mehr und ich hatte mich in seine Abhängigkeit begeben. Aber ich war ihm auch dankbar und das Schlimmste war von allem war, dass ich ihn liebte. Meine Gedanken drehten sich so langsam im Kreis. Mit jeder noch so schmerzhaften Erkenntnis spürte ich gleichzeitig verlangen nach ihm, aber auch wie er mich durch sein Handeln abstieß. Ich musste einen Ausweg finden.
Unruhig lief ich in meinem Zimmer hin und her und überlegte.
Salvatore bemerkte meine Unruhe. Konnte dem jedoch nichts entgegen setzen. Er bot sich mir immer wieder an. Ich konnte mich nicht entspannen. Ich traute ihm nicht und ging ihm meistens aus dem Weg. Er spürte es Gott sei Dank nicht. Er spürte aber, dass etwas nicht stimmte.
Eines Abends saß ich in meinem Zimmer, in das ich mich wieder zurückgezogen hatte nach der ersten gemeinsamen Nacht, an meinem Computer und hörte Two Steps from Hell laut über meine Kopfhörer. Diese aggressive Musik entsprach meiner Stimmung. Zwischen den tiefen Basstönen hörte ich mit einem Mal Salvatores Stimme in meinem Kopf. Erschrocken überrascht riss ich mir die Kopfhörer herunter.
Ich drehte mich um, da stand er direkt hinter mir und schaute mich traurig an.
„Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich muss mich eine Zeitlang verabschieden."
Ich nickte erleichtert: „Ich habe gehört, dass du einen Einsatz in Georgia führst."
„Wir fahren nach Atlanta. Dort sind die meisten Vorfälle gewesen. Ein Informant hat den Standort der Gruppe ausgemacht."
„Wie viele werden dich begleiten?", fragte ich und regelte die aggressiv laute Musik herunter. Sie passte auf einmal nicht mehr in meine Stimmung.
„Wir sind fünfzehn. Ich nehme fünf aus New York mit. Gio bleibt als mein Stellvertreter hier. Also kein Problem. Ich hoffe, du wirst mich vermissen."
Ich schluckte. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Wenn ich ihn nicht vor Augen hatte, konnte ich ihn in meinen Gedanken zwar nicht verdrängen, aber ich konnte mich von ihm fernhalten. Jetzt aber, wo er vor mir stand und sein Geruch und seine Pheromone direkt auf mich wirkten, merkte ich, dass ich ihn liebte. Ich konnte dies nicht verdrängen. Ich würde ihn trotz allem vermissen. Er gab mir Halt in einer verrückten Welt. Unglücklich hatte ich einen Kloss im Hals. Ihm konnte auf solch einem Einsatz immer etwas passieren. Er war Tagsüber fast blind.
„Würde es nicht ausreichen, Gio zu schicken?"
Er schüttelte den Kopf. „Es wäre kein Problem, aber ich wollte mein Besuch gleich mit dem Clantreffen der Südstaaten verbinden. Dort war ich seit vierzig Jahren nicht mehr und es wird Zeit alte Verbindungen mal wieder zu festigen."
Trotz allem konnte ich nicht widerstehen und streckte meine Arme aus und umarmte ihn, sodass mein Kopf an seinem Oberkörper zum Liegen kam. Mein Licht wurde heller.
Er lächelte und streichelte mir sanft über den Rücken, sodass ich eine wohlige Gänsehaut bekam. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich kann auf mich aufpassen und zu deiner Sicherheit ist Gio da.", sagte er und strich mir liebevoll über das Gesicht. „Und mach dir nicht so viele Gedanken. Der Sturm deiner Anwesenheit hat sich bereits wieder gelegt und ich freue mich jeden Tag, an dem ich weiß, dass du da bist. Du bereicherst mein Leben ungemein."
Zweifelnd schaute ich zu ihm auf.
Er lächelte warm und beugte sich zu mir herunter, um mich zu küssen.
Natürlich lief der Einsatz erfolgreich. Vincenzo und die anderen waren nach einer Woche wieder da und saßen aufgeregt berichtend im Wohnzimmer. Jeder hatte eine Geschichte beizutragen. Irgendwie erinnerte es mich an Anglerlatein. Es wurden immer mehr Tote und das Feuer, dass sie in einem Vorort von Atlanta in Brand gesetzt hatten wurde immer größer. Dabei waren es gerade mal fünf Mitglieder der Opus Dei gewesen, die sie angetroffen hatten und eine alte Holzkirche, die sie niedergebrannt hatten.
Ihnen war klar, dass dies nur ein kleiner Erfolg war und ich machte mir wirkliche Sorgen. Die katholische Kirche war nicht so klein, dass sie sich davon beeindrucken lassen würde.
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Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)
VampiroEs gibt Vampire, aber ein Vampirengel? Ein Widerspruch in sich! Wie kann das sein? Wie kann ich das sein? Warum bin ich schon wieder anders? Kann ich nicht sein wie jeder andere? Was will dieser Mann von mir? Dies ist der fast ausweglose Kampf von J...