26. Braille

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Seit diesem Abend ließ ich meine Tür unverschlossen. Ich vermutete, dass wenn er es gewollt hätte, sowieso jederzeit in mein Zimmer kommen konnte und es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, die Tür einfach so einzudrücken. Diese Türen konnten einen Vampir nicht abhalten.

In unserem Spiel war ich mal wieder an der Reihe Vincenzo ein Geschenk zu machen und durch mein Chatforum und die bezahlte Werbung verschiedener Firmen auf meiner Internetseite hatte ich nun endlich Geld dazu. Immerhin wohnte ich seit Wochen kostenfrei und trank sein teures Blut aus dem Kühlschrank.

Ich wollte, dass er einen Computer erhielt, der Braille lesen und schreiben konnte. Hierzu hatte ich mir bereits Systeme im Internet angesehen und wie ich im Zuge meiner Ermittlungen herausfand, gab es in New York extra einen Laden, der darauf spezialisiert war. Da ich bisher damit noch keine Erfahrung hatte, wollte ich vor Ort im Geschäft noch ein paar Erkundigungen einziehen.

„Roy, ich wollte dich fragen, ob du Interesse daran hast, Computer für Blinde kennenzulernen", rief ich den Vampirarzt an. Ich brauchte unbedingt jemanden, der mich begleiten würde, da ich immer noch gegenüber Menschen ängstlich war.

„Ja, ich denke, Vincenzo sollte solch ein System bekommen und ich muss in das Spezialgeschäft hierfür ... Das freut mich, dass du mich begleitest. Es soll ein Geschenk für ihn werden ... Dafür kann ich schlecht einen aus seiner Truppe fragen."

Er war begeistert von der Idee.

Ich schärfte ihm noch ein, Salvatore nichts davon zu erzählen und legte erleichtert auf.

So verließ ich seit meinem Einzug das erste Mal Salvatores Wohnung. Als ich kurz zuvor in das Zimmer des Untoten geschaut hatte, hatte er geschlafen. Aber ich war mir nie sicher, ob er wirklich schlief. Wahrscheinlich legte er sich nur hin, um das Gefühl eines Zeitrhythmus zu haben und in Wirklichkeit horchte er die ganze Zeit hinter mir her.

Was soll's, dachte ich. Ich schnappte mir meine Schuhe und meinen Mantel und schlich aus der Wohnung.

Der Fahrstuhl hielt nur auf den drei Etagen, die Salvatore nutzte.

Also runter und durch den leeren Club. Einen anderen Weg gab es nicht.

Der finstere bullige Türsteher öffnete mir grienend die schwere Ausgangstür und begleitete mich eine Augenbraue hochgezogen nach draußen.

Fröstelnd stand ich vor der Tür und starrte die zugige Straße hinunter, während der unheimliche Vampir rauchend neben mir stand und gierig an mir auf und ab blickte.

Wahrscheinlich erstattet er anschließend direkt einen Bericht an Salvatore, dachte ich verdrossen. Ich hoffte nur, dass mein Verschwinden nicht dazu führte, dass Salvatore die ganze Zeit unruhig in der Wohnung hin und her tigerte. So wie ich ihn einschätzte, war dies bestimmt der Fall.

Aber ich sollte mich nicht von ihm ablenken lassen und meine Gedanken auf das vor mir Liegende konzentrieren. Es reichte, dass ich gleich mit Menschen in den Kontakt trat.

Kurz schaute ich auf den Türsteher.

Ich sollte das schaffen, ohne dass einer dieser gefährlichen, überdreht aussehenden Vampire mit dabei war und mir Schutz gab. Ich war nicht in irgendeiner Weise von diesem Mafiaclan und Vincenzo abhängig, dachte ich missgestimmt.

Mit quietschenden Reifen bremste ein schnittiges sportliches Fahrzeug direkt vor mir.

Begeistert schaute ich darauf.

Das hob doch mal meine Stimmung. Welch ein toller Wagen. Das war doch tatsächlich ein schwarzer Maserati GT. Aufgeregt öffnete ich die wuchtige Tür des Fahrzeuges und beugte mich grinsend herunter: „Dies ist aber kein Date! Um mich zu treffen, musst du nicht mit so einer Angeberkarre vorfahren. Ich wollte nur in einen normalen Laden."

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt