9. Was sollte das?

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Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ich einfach umdrehen und weglaufen sollen. Am besten rennend. Denn dieser Typ war schon eine eindeutige Warnung. Aggressives Aussehen, bullige Figur. Breites zerschlagenes Gesicht, Glatze und eine schwarze Lederkluft. Er sah genau so aus, wie der Türsteher eines verruchten Clubs aussehen sollte. Sogar die Tätowierungen auf den bulligen Oberarmen strahlten Aggressionen aus. Der perfekte Typ in seiner perfekten Rolle.

Überraschenderweise lächelte er mich an. Aber dieses Lächeln erreichte seine Augen nicht, die eisig auf mich herabschauten. Wahrscheinlich als Warnung gedacht, damit ich noch eine letzte Chance zur Flucht bekam. Schließlich war er ein tödlicher, aggressiver New Yorker Vampir und gehörte eindeutig zu der Truppe, die ich rigoros aus meinem Chatroom geworfen hätte.

Aber was wusste ich schon von Vampiren und deren Vorlieben? Jedenfalls wollte ich mich nicht vertreiben lassen, denn schließlich war ich auch ein Vampir.

So antwortete ich, das Kinn selbstbewusst hochreckend. „Ich habe eine Verabredung hier im Club."

Als Reaktion auf mein klar formuliertes Anliegen stierte er mich kurz missmutig an. Zog anschließend laut die Nase hoch und lächelte mich herablassend blickend an. „Ahh, ein Frischling. Na, dann komm mal herein. Es werden sich sicher einige freuen, dich, Schneckchen kennenzulernen." Dabei grinste er über beide Ohren und wies mit einer einladenden Geste hinter sich in den dunklen Gang, woher der Lärm brüllend laut herkam und mir jetzt schon meinen Ohren überreizte und mich folterte.

Ich wurde erneut unsicher und fragte mich, ob dies hier eine gute Idee gewesen war. Aber angeblich war ich ja Immortal, also konnte man mich nicht mehr so leicht umbringen. So zuckte ich innerlich mit den Schultern und ging auf die unangenehm penetrant durchdringende Musik zu, während die Tür hinter mir ohrenbetäubend laut zu krachte.

Überfordert von dem extremen Lärm stand ich oben an einer weit ausladenden Treppe und schaute argwöhnisch hinab in einen doppelstöckigen hohen Clubsaal, in dem verschiedene bunte Lichter gleißend grell aufblitzten und eine spiegelnde glänzende Tanzfläche beleuchteten. Auf der, zu meiner Verblüffung, nur Männer jeden Alters tanzten. Einige hatten dabei nicht mal besonders viel Kleidung an. Manche sogar nur Muskelshirts oder Netzhemden. Einer sogar nur eine enge Lederhose ohne Hemd. Ich konnte sogar eine Federboa ausmachen. Andere wiederum trugen Anzüge oder ordentliche Hemden. Manche waren geschminkt. Es war also eindeutig Partypublikum anwesend. Kein Wunder, es war Freitagnacht und das Wochenende begann. Eine Nebelanlage unterstrich die Atmosphäre im Raum mystisch und in den angeschlossenen ausladenden Sitznischen mit Blick auf die Tanzfläche saßen Männer jeden Alters und tranken sich zu. Einige küssten sich.

Das moderne, kalte Ambiente wurde durch eine überlange gläserne Bar ergänzt, die in bunten, meist roten Farben leuchtete und vor der sich etwa zwanzig Sitzplätze befanden, von denen viele bereits besetzt waren.

Genervt schloss ich die Augen. Wahrscheinlich gab es hier sogar so einen Raum, wo alle alles miteinander machen konnten oder so. So genau wollte ich das gar nicht wissen.

Josephine, fluchte ich. Ich wusste, dass du ein Arsch bist. Du bist schuld daran, dass ich in einem Gay-Treffpunkt gelandet war, dachte ich sauer. Diese Zimtziege! Nur weil sie mich nicht als Spielzeug bekommen konnte, verarschte sie mich.

Wie erstarrt stand ich an der schwarz spiegelnden Treppe und fragte mich, was ich nun tun sollte, bekanntermaßen gehörte ich eindeutig nicht hierher. Diese Männer dort unten mochten einander und ich war bisher immer auf Frauen aus gewesen.

Obwohl? Solch eine Frau wie Josephine brauchte ich auch nicht.

Es ließ sich nicht ändern. Dummerweise hatte ich gerade hier eine Verabredung. Denn ich wollte mich hier mit zwei Männern, welche ich im Vampirforum kennengelernt hatte, an der Bar treffen. Aber was sollten diese Beiden indessen von mir denken? Ich Unwissender hatte den Treffpunkt in Ermangelung besseren Wissens anderer möglicher Trefforte für Vampire vorgeschlagen. Also musste ich wohl oder übel dort hinunter und wahrscheinlich auch noch direkt über die übervolle Tanzfläche, welche am Fuß der Treppe begann und auf der sich gerade bei einer schön kuschligen Musik einige der Herren aneinanderschmiegten.

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt