45. Der Angriff

135 25 0
                                    

Das war ein Überfall! Opus Dei! Wir wurden angegriffen!

Dieser Blutgeruch!

Ich musste mich beherrschen, jetzt war keine Zeit, um meine Gelüste auszuleben, dachte ich wütend. Wir wurden gerade von außen beschossen und bei mir fuhren einfach diese hübschen Beißer aus. Wieso konnte mir dieser Körper nicht einfach gehorchen? Entweder erstarrten alle um mich herum oder ich hatte diesen elendigen Blutdurst. Es war verhext.

„Was ist los?" Fragte ich leicht nuschelnd einen unserer Mitarbeiter, der an der Stahltür stand und durch einen schmalen Spalt nach draußen stierte.

Gott sei Dank war nur die Notfallbeleuchtung hier drin an. Die anderen Menschen auf der Treppe konnten uns nur im Dämmerlicht sehen. So blieben meine Zähne unentdeckt.

„Wir können nicht raus.", schimpfte der Brillenträger aufgebracht. Einer unser Buchhalter. Ein kleiner untersetzter Typ mit einem kleinen Bierbauch und einer Familie mit zwei kleinen Mädchen daheim, wie ich bereits in Erfahrung gebracht hatte. Eigentlich ein normaler Büroangestellter. „Da drüben auf dem Dach liegt ein Scharfschütze. Die Mitarbeiter vor uns hat er schon erwischt. Vor unserer Tür liegen auf jeden Fall zwei, die wir nicht wieder hereinziehen konnten. Vermutlich Tod. Er hat mehrfach auf sie geschossen, als sie sich noch bewegt hatten.", informierte er mich wütend, aufgebracht und zeigte auf das Haus gegenüber.

Kalt lief es mir den Rücken herunter. Mehrfach wurde in der Vampirgruppe diskutiert, wann der Opus Dei die Bar angreifen würde. Aber so? Es waren Menschen anwesend, die konnten nichts für unser Leben. Wahrscheinlich war das für diese selbsternannte Inquisition nur ein Kollateralschaden. Ich konnte das Feuer und den Rauch hinter uns, mörderisch herkriechend, riechen. Aber mir war immer noch nicht klar, wo es herkam. Mir kam es wie der Keller vor, nur so konnte es sich, so schnell über die Klimaanlage verbreiten. Es brannte regelrecht in meiner Nase und alles in mir schrie nach Flucht durch diese offene Tür. Aber draußen war es gleichfalls mörderisch.

Ich sagte laut in den Raum hinein: „Wir müssen aus diesem Flur heraus. Der Rauch wird stärker. Wir können hier nicht lange bleiben. Ich vermute, dass das Feuer aus dem Keller kommt. Er wird alle Menschen hier in kürzester Zeit umbringen. Wir müssen es durch den Club probieren. Verbarrikadiert diese Ausgangstür. Nicht, dass jemand von den Angreifern herein kann. Dann hätten wir keine Chance. Noch funktioniert der Strom. Ich habe eine Zugangskarte für die Tür zum Club. Dort sind andere Personen, die uns helfen und schützen können. Hier sitzen wir in einer Falle. Wahrscheinlich haben wir auf der anderen Seite des Gebäudes mehr Chancen herauszukommen."

Ich hatte extra laut gesprochen, sodass es alle im unteren Flurbereich hören konnten. Der Buchalter nickte zustimmend. Die, die mich kannten, nickten gleichfalls. Sie wussten, wer und was ich war. Ich war ihre einzige Chance. Jeder von uns wusste, dass ein Angriff des Opus Dei den Tod bedeuten konnte. Das war das Risiko, wenn man für Salvatores Clan arbeitete. Dafür war der Lohn extrem hoch. Als Schweigegeld und Risikozulage. Die Kirche nahm jedoch keine Rücksicht auf einzelne Menschen, die als Kollaborateure, wie im Krieg angesehen wurden. Sie hatten keine Gnade von unseren Feinden zu erwarten. Sie standen auf der falschen Seite und waren nicht besser als die Vampire, die man ausrotten musste. Wir gehörten nicht in das Bild der ehrenwerten Kirche. Wir stellten alles infrage. Wir waren unsterblich. Das konnte nach ihrer Ansicht nur Gott sein. Alles andere musste wieder in den Boden eingehen und wir waren ihnen zu mächtig. Eine Macht, die ihre untergraben konnte. Also wollten sie uns einfach ausrotten. Wie Unkraut gehörten wir ihrer Ansicht nach nicht auf die Erde.

Alle anderen standen im Flur und überlegten, was sie machen sollten. Wir waren circa dreißig Personen und es waren keine weiteren Vampire anwesend, die uns hätten schützen können. Sie diskutierten kurz ängstlich, aber wussten eigentlich auch nicht weiter. Einige kannten mich nicht und fragten sich sicher, warum sie gerade mir vertrauen sollten. Die Freiheit lag direkt hinter dieser Tür und die Polizei konnte sich schon auf dem Weg hierher befinden. Sie musste schon gerufen worden sein.

Wir hatten jedoch keine Zeit mehr zu verlieren. Langsam wurde es gefährlich, der Geruch wurde stärker. Mit jeder Minute, die wir hier verweilten war die Wahrscheinlichkeit größer, dass es nicht alle schaffen würden. Ich musste unbedingt eingreifen. „Sie können gerne hierbleiben. Das Feuer wird Sie hier schnell erreichen. Es müsste direkt unter uns brennen. Ich vermute, dass es im Keller mit Absicht gelegt wurde... Ob die Scharfschützen noch jemanden mitgebracht haben..." Ich zuckte mit den Schultern. „Wer weiß... Ja, der Club hat bereits von Konkurrenten Warnungen und Drohungen erhalten. Wir vermuten die Mafia, die uns loswerden will, da wir Konkurrenten im Gebiet sind. Die paar Türen zum Gebäude sind schnell von außen zu öffnen. Daher empfehle ich die Flucht durch den Club."

Ein paar diskutierten jetzt lauter.

Aber wir hatten keine Zeit mehr zu verlieren "Kann jemand den Verletzten helfen?", fragte ich daher laut in die Runde. Es musste vorwärtsgehen. Dieser Blutgeruch gemischt mit dem Rauch nahm mir meine Konzentration. Dem konnte ich nicht mehr lange widerstehen und ich wollte hier nicht verrecken.

Vier kräftige Männer nickten.

„Gut, ich gehe vor und sondiere die Lage. Wir werden versuchen, über den Kücheneingang herauszukommen. Der liegt verdeckt von einem Überbau auf der anderen Seite des Gebäudes. Dort könnte ein möglicher Scharfschütze uns wahrscheinlich nicht sehen."

Ich hob meine Hand zu meinem Gesicht und hielt die Luft an. Dieser Blutgeruch machte mich wahnsinnig und ging zwischen den Menschen wieder eine Treppe nach oben. An der dortigen Stahltür betätigte ich meine Zugangskarte und tippte den Zahlencode ein.

Gott sei Dank, habe ich ein gutes Gedächtnis für Zahlen.

Langsam öffnete ich die Tür, die ich zuvor bereits mit den Händen abgetastet hatte. Ich wollte nicht auf einmal in solch einem berühmten Feuersturm stehen und mit einem Schlag verbrennen. Die Tür war normal warm und der Geruch nach Feuer war auch nicht stärker als hier im Flur. Ich öffnete sie weiter und schaute in das kalt beleuchtete Lager des Clubs, welches an die Küche und den großen Raum grenzte und in dem die Getränke und Lebensmittel gelagert wurden. Erleichterte atmete ich auf. Es waren keine Angreifer oder andere Menschen im Raum. Die Bässe der Musikanlage wummerten stakkatohaft im Hauptsaal und die bunten Lichter, welche den Tanzbereich bunt aufflackern ließen, konnte ich durch das Bullauge der Tür zum Hauptsaal sehen. Dazwischen hörte ich laute, bedrohlich, beängstigendes knatternde Geräusche. Einzelne knallende Schüsse, hohes Kreischen von Frauen und furchteinflößendes lautes Brüllen erfüllten die Luft unerträglich entsetzlich grauenvoll.

Schitt, dachte ich. Das war eindeutig ein Maschinengewehr. Sie waren also schon im Hauptraum des Clubs. Mist, hier fand der große Kampf statt und das sollte nun unser Notausgang werden? Welch eine bescheuerte Idee. Vielleicht sollten wir doch noch im Gang warten.

Hinter mir husteten bereits mehrere Personen. Die Luft wurde dicker. Wir konnten nicht warten. Entweder starben wir im Rauch oder wir mussten an den Kämpfenden vorbei. Aber wir hatten keine Wahl. Der Rauch war tödlicher. Tief atmete ich ein. Es musste sein.

Ich zeigte dem hinter mir Stehenden mit dem Zeigefinger auf dem Mund an, leise zu sein. Er nickte und gab die Geste weiter. Dies war kein einfaches Feuer! Dies war eindeutig ein Angriff und ich war mir nicht sicher, wie weit die Angreifer bereits vorgedrungen sein könnten. Ich hoffte, dass die Küche noch frei war und wir dort durchkamen und den Notausgang benutzten konnten. Dann kam die Straße... Ich wusste nicht, ob dort auch Scharfschützen lagen. Zuzutrauen war dem Opus Dei alles.

Eigentlich gab es immer ein paar Vampire, die Streife liefen, um das Gebäude und den Club zu sichern. Aber der Club wurde immer bekannter, sodass die angeblichen Vampirgeschichten, die als Gerüchte im Umlauf unter den Besuchern waren und dem Clubixx den beachtlichen Erfolg sicherten, auch immer bekannter wurden. Menschen glaubten so etwas eigentlich nicht, aber der Opus Dei war da anders. Die suchten nach Hinweisen und Gerüchten im Internet und wenn sie welche fanden, forschten sie unerbittlich nach. Sie waren die Inquisition der Neuzeit und hatten nur das eine Ziel, die Feinde der Kirche auszumerzen und den Ruhm der Kirche zu sichern und zu mehren.

Der Club war bestimmt bekannt, aber eigentlich hatte Opus Dei keine Chance hier in der Region einen Pokal zu gewinnen. Aber sie wurden immer stärker und keiner wusste, wie viele Mitglieder die Gruppe schon hatte. Bisher hatten sie in New York noch nie angegriffen. Die Stadt war einfach zu unüberschaubar und es war zu viel Polizei unterwegs, als dass man versteckt agieren konnte. Aber wahrscheinlich war der letzte Rückschlag durch die Clans ein Versuch der Rache, um das Machtverhältnis wieder zu verschieben. Ich wusste es nicht, aber es würde mich nicht wundern. Aber das tat alles aktuell nichts zur Sache bei. Ich musste mich auf das Wesentliche konzentrieren, die Menschen hinter mir heil aus diesem Schlamassel herauszubringen.

Ich schlich mich durch den gut gefüllten Lagerraum zur Küche und lauschte den Kampfgeräuschen, die immer lauter wurden, je näher ich zur Küche kam.

Mein Herz raste und mein Puls rauschte in meinen Ohren. Vor Angst erstarrte ich kurz. Aufgelöst schloss ich kurz aufgeregt die Augen und konzentrierte mich wieder. Ich durfte jetzt nicht aus der Rolle fallen. Ich konnte diese Situation beherrschen, dachte ich aufgeregt. Erleichtert öffnete ich meine Augen wieder. Es klappte. Mein dubioser Lichtschein umgab mich sanft flirrend, aber nichts um mich herum erstarrte irgendwie und es fiel im unruhigen Licht des Hauptraumes nicht weiter auf.

Leise öffnete ich die Tür und entdeckte erleichtert keine Menschenseele. Mit Herzklopfen schaute ich auf stählerne, glänzende Herde mit Pfannen darauf und beleuchteten Backöfen, in dem ein Auflauf vor sich hin dampfte. Die vorbereiteten Lebensmittel standen verlassen auf dem Küchentresen. Die Fritteuse blinkte hellrot auf ihren Einsatz wartend vor sich hin. Ich atmete auf, hier war kein Mensch oder Angreifer zu sehen. Wahrscheinlich sind die Küchenmitarbeiter beim ersten Schuss gleich hinten rausgerannt.

Die Geräusche waren hier himmelschreiend laut. Ich hörte Menschen herzzerreißend schrill schreien und betäubend einschneidend kreischen. Ein Maschinengewehr tackerte, wie ein knatterndes altes Motorrad. Dazwischen hörte ich, das tiefe tierische Brüllen von Vampiren.

Kalt lief es mir den Rücken herunter. Wie sollten wir das überhaupt schaffen, mit so vielen Menschen?

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt