11. Vincenzo

217 30 1
                                    

Menschen, dachte ich völlig aufgelöst. Blut! Jetzt! Hier! Begannen meine Gedanken nur noch um das eine zu kreisen und blendeten alles andere aus.

„Ganz ruhig!", hörte ich die sanfte, warme, tiefe Stimme erneut an meinem rauschenden, überreizten Ohr. „Du kannst das! Du hast die Beherrschung dafür, denn du bist kein Raubtier! Überlege, du hast schon getrunken. Konzentriere dich einfach auf meine Hand."

Ich zuckte zusammen, als sich seine heiße schwere Hand auf meine Schulter legte und diese schmerzhaft presste. Seine warme Stimme und der Druck auf meine Schulter rissen mich aus meiner Erstarrung.

Zischend atmete ich ein.

Es musste gehen, dachte ich! Er hatte recht. Ich war kein primitives Raubtier. Ich konnte das! Ich brauchte nicht sofort Blut. Auch in meinem Wohnhaus lebten Menschen und ich war heute schon einigen begegnet und hatte sie auf dem Weg hierher bereits gerochen. Da hatte ich solch ein extremes Verlangen nicht gefühlt. Und ich hatte heute bereits getrunken. So viel Blut brauchte ich nicht. Diese unerwartete Situation hat mich einfach so überwältigt. Kein Wunder. Das alles hier überreizt meine unerfahrenen Sinne irrsinnig. Schon dieser Mann hinter mir brachte mein Blut zum Kochen. Dann dieser unerwartete Kuss. Und all diese Gerüche, nach Blut, Alkohol und der Geruch nach Sex. All das durchmischte sich mit dem Geruch dieses Mannes hinter mir und verwirrte mich ungemein.

Ich atmete tief ein, um mich zu beruhigen und konzentrierte mich darauf, die Menschen um mich herum auszublenden. Mein Fokus lag nun darauf, zur Bar zu gelangen, wo ich sicherlich Blut zum Trinken finden würde.

Ein paar kleine Schlucke waren jetzt definitiv nötig, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, dachte ich und lächelte zufrieden, als meine Zähne wieder in ihre Ausgangsposition zurückfuhren, je ruhiger ich wurde.

Wenigstens das klappte jetzt schneller als früher, dachte ich zufrieden.

„Gut gemacht. An der Bar gibt es etwas zu trinken für dich. Diese Menschen sind kein Problem", hörte ich den Mann hinter mir beschwörend leise auf mich einreden.

Wer auch immer er war, er half mir in dieser schwierigen Situation und ich war froh darüber.

Erleichtert atmete ich auf und legte meine Hand dankbar auf seine Hand, welche immer noch beruhigend auf meiner Schulter lag.

Er hatte recht, ich konnte das! Dachte ich und nickte als Antwort, während wir uns weiter, durch den mit den wabernden, Gelüste auslösenden Gerüchen auf die Bar zu bewegten.

„Vincenzo, wie geht's? Komm doch rüber", hörte ich eine tiefe, laute Stimme durch den Raum rufen.

Erstaunt zuckte ich zusammen, als ich verstand, dass meine Begleitung gemeint war. Aber er ließ sich davon nicht beirren. Trotz dieses Zurufs, der eindeutig ihm galt, wurde ich weiter unerbittlich nach vorne geschoben.

Da erst merkte ich, dass mehrere Vampire grüßten oder uns zunickten, als wir an ihnen vorbeigingen. Viele starrten uns an und wir standen mit einem Mal im Mittelpunkt des Geschehens. Das war jetzt wirklich peinlich, dachte ich. Jeder hier um Raum hatte uns eindeutig auf dem Schirm, auch wenn das allgemeine Treiben weiterging. Ein wenig Diskretion wäre nicht schlecht gewesen, dachte ich. War aber froh, dass der Typ hinter mir, mich durch die Masse an wahrscheinlich geifernden und lechzenden Kerlen begleitete und ich heil durch diese Mischung aus Lust und Begierde kam, ohne aus der Rolle zu fallen, obwohl ich spürte, dass meine Hand zitterte.

Starr blickte ich nach vorn, während vor der bunt beleuchteten Bar die Menschen vor uns auswichen und zwei Plätze wie selbstverständlich freigemacht wurden.

Erschöpft ließ ich mich auf dem Barhocker fallen und ließ den Kopf entkräftet sinken.

Mein Adrenalin war eindeutig verbraucht. Ich war nur ein Nerd. Ich kannte so etwas nicht. Diese vielen überbordenden Gerüche machten mich einfach fertig. Ich war kein Typ, der sich in solchen Etablissements herumtrieb und mit gruslig dominanten Typen herumhing, stellte ich erneut deprimiert fest. Ich war hier völlig falsch und hatte einfach dieses Gefühl eines kleinen hilflosen Lammes auf der Schlachtbank, dass ich einfach nicht loswurde.

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt