6. Wasser oder Blut

273 31 0
                                    

Erneut wachte ich zusammengekrümmt in embryonaler Stellung auf. Mein Blick war wieder klarer und ich konnte besser sehen.

Ich wusste nicht, wie lange ich vor meinem Sofa auf dem kalten Boden gelegen hatte, aber mir ging es besser. Ich fühlte mich frisch und konnte wieder frei atmen. Dabei hatte ich extremen Durst.

Ohne Schwierigkeiten oder Schmerzen stand ich auf und ging in meine kleine und alte Küche. Dort drehte ich den Wasserhahn auf und trank direkt aus der hohlen Hand. Es schmeckte bitter. Eklig bitter.

Trotz meines furchtbaren Durstes bemerkte ich überrascht, dass die schwarzen Stellen auf meinem Arm auf einmal alle verschwunden waren. Meine Haut war blass, aber völlig fleckenlos.

Das hatte ich mir doch vorher nicht alles eingebildet, dachte ich, während mein nerviges Handy durchdringend in der Stille des Raumes klingelte.

Mir wurde erneut schwindlig.

Ich ging zum Sofa, setzte mich müde und fischte das vibrierende Handy aus der Jacke, die am Boden davor lag.

„James! Wo bist du?"

Genervt zog ich die Stirn kraus bei der schrillen hohen Stimme, die aus meinem Handy schallte. Es war natürlich Josephine.

„Ich bin zu Hause. Was ist?", antwortete ich unfreundlich.

Ich wollte mich nicht mehr an diese grauenvolle Nacht erinnern. Obwohl ich mich fragte, ob ich wirklich mit ihr geschlafen hatte? Ich wusste es nicht mehr. Es wäre mein erstes Mal gewesen. Kurz überlegte ich. Es fühlte sich nicht so an. Aber was war dann in dieser Nacht geschehen? Hatte sie mich wirklich gebissen? Das konnte nicht sein, dachte ich. Aber ich hatte eindeutig Bissspuren auf meiner Haut gesehen, die jetzt aber nicht verschwunden schienen.

„James. Wo wohnst du? Ich komme zu dir! Hast du Durst?"

Woher wusste sie das, fragte ich mich, als ich versuchte mich an den Vorfall zu erinnern. Was war hier los? Hatte sie mir Drogen verabreicht oder war sie verrückt?

„Mhh", sagte ich daher nur.

„Du musst Durst haben. Geh nicht außer Haus, das ist gefährlich. Ich komme zu dir. Sag mir, wo du wohnst." Ihre Stimme war schrill und laut an meinem Ohr. Fast unerträglich.

Ich wurde sauer. „Was hast du mir gegeben? Waren es Drogen? Ecstasy oder ChristalMeth? Was war es?", wollte ich wissen.

Sie wurde ruhiger. „Nein. Das ist es nicht. Ich konnte dich drei Tage nicht erreichen. Gott sei Dank bist du ans Telefon gegangen. Sag mir, jetzt, wo du wohnst. Ich komme vorbei und helfe dir durch die Zeit. Es wird schwer werden. Aber ich kann damit umgehen. Du kannst bei mir wohnen. Ich habe genügend Platz für uns beide. Ich habe dich gerne. Die Nacht war doch schön für uns beide. Wir könnten uns gut ergänzen. Du kennst die neue Zeit und ich kann dir alles beibringen, was du brauchst."

So langsam wurde ich richtig sauer. Was dachte sie sich? Was war hier los? „Was soll das heißen?", fragte ich daher. „Ich lege gleich auf. Ich brauche keinen Freak in meinem Leben und ich habe nur Durst, sonst geht es mir gut. Ein paar Tage Erholung und alles ist wie immer. Auf Drogen stehe ich überhaupt nicht."

Sie lachte schrill am Telefon. „Ich glaube kaum, dass du nur ein wenig Durst hast. Dieser Durst wird schlimmer. Er wird unerträglich werden. Wenn du andere Menschen triffst, wirst du schon merken, dass es nicht der Durst nach Wasser ist."

„Was meinst du? Hast du mich abhängig gemacht? Was brauche ich? Was soll das alles?" Jetzt war ich richtig wütend. Also doch irgendeine Droge. Ich wusste, dass Heroin sofort abhängig machte. Aber mit den neuen Drogen kannte ich mich überhaupt nicht aus. Woher kamen diese schwarzen Flecken, die ich gehabt hatte! Sie konnte mir in der Nacht alles Mögliche verabreicht haben. Auf keinen Fall wollte ich sie wiedersehen. Schon diese Stimmlage machte mich fertig und diese Idee, mit ihr zusammenwohnen zu wollen, war einfach absurd. Ich kannte sie überhaupt nicht. Geschweige, dass ich mit irgendjemand zusammenwohnen wollte.

Erneut klang ihre hohe schrille Stimme verlangend an meinem Ohr. „Sag mir, wo du wohnst. Ich komme vorbei und bringe dir mit, was du brauchst."

„Ich brauche nichts von dir. Falls es Drogen waren, sag mir was es war. Ich gehe ins Krankenhaus. Dort können sie anhand meines Blutes feststellen, was du mir gegeben hast. Dann mache ich einen Entzug. Das ist heute kein Problem mehr." Meine Stimme wurde lauter. „Ich lege jetzt auf. Ich brauche noch etwas Schlaf."

Angepisst nahm ich das Handy vom Ohr und hörte noch ihre Stimme. „Warte, leg nicht auf. Ich will mich bei dir entschuldigen. Ich komme vorbei und helfe dir. Du brauchst Blut! Nur Blut! Nichts anderes. Denk daran!"

Ich drückte den roten Knopf auf meinem Handy und schüttelte ungläubig den Kopf. So einen Quatsch hatte ich noch nie gehört. Wahrscheinlich hatte ich mich verhört. Dabei war ich so müde und durstig.

Mein Blickfeld verschwamm erneut.

Es wurde Zeit, dass ich einfach schlafen ging, dachte ich.

Ausgelaugt schlurfte zu meinem gemütlichen Bett und legte mich immer noch mit der alten Bekleidung darauf und schlief unzufrieden erschöpft ein.

Erneut erwachte ich, dieses Mal schweißgebadet und gleichzeitig völlig ausgetrocknet auf. Es dämmerte bereits. Ich überlegte, wie lange ich nun schon hier herumgelegen hatte und schaute erschöpft auf mein Handy.

Das konnte nicht sein. Es waren vier Tage.

Mein Rachen brannte und meine Zunge fühlte sich geschwollen an.

Scheiß Drogen, dachte ich. Warum traf mich so etwas.

Josephine hatte in den letzten vier Tagen mindestens zwanzigmal versucht, mich auf meinem Handy zu erreichen.

Entkräftet schleppte ich mich in die Küche und nahm mir ein Glas aus dem Schrank.

Kein Wunder, dass ich nach vier Tagen durstig war.

Was waren das nur für Drogen, überlegte ich verärgert.

Ich trank direkt am Wasserhahn. Ein Glas, noch ein Glas... nach dem fünften Glas wurde mir schlecht. Richtig schlecht. Angewidert erbrach ich alles wieder. Obwohl mein Magen nun erneut leer war, versuchte mich immer wieder zu übergeben. Schweiß brach mir aus. Dabei war ich doch bereits völlig ausgelaugt und musste doch bereits innerlich vertrocknet sein, dachte ich, während ich über dem Waschbecken hing und würgte.

Langsamer trinken, dachte ich. Ich muss nur langsamer trinken, ist doch logisch nach so vielen Tagen ohne Flüssigkeit.

Erneut öffnete ich den Wasserhahn. Das Wasser sah schön frisch aus. Ich trank langsamer. Nach dem ersten Glas setzte ich mich mit dem zweiten auf das Sofa und nahm kleine Schlucke.

Mein Hals brannte immer noch unermesslich.

Das konnte eine Halsentzündung sein, dachte ich. Kein Wunder, wenn man tagelang auf dem Boden gelegen hatte, dachte ich verärgert. Zusätzlich hatte ich auch noch einen ätzenden Geschmack im Rachen.

Nicht schon wieder, dachte ich und rannte ins Bad. Dort erbrach ich mich ins schmutzige Toilettenbecken zu dem anderen Erbrochenen, welches bereits gallig stinkend dort schon Tage herumschwamm. Es war furchtbar abscheulich und ich musste weiter würgen. Mit Tränen in den Augen wischte mir über den Mund und betätigte erst mal die Spülung.

Ich muss ins Krankenhaus, dachte ich verdrossen, ausgelaugt. Wahrscheinlich bin ich nur ausgetrocknet und mein Magen hatte ein Problem damit. Aber welche Droge war das? Am besten wäre es wohl ich rufe nochmal diese Schlampe an, die Schuld an meiner aktuellen Situation war... Obwohl mir überhaupt nicht danach war.

Erschöpft kletterte ich auf mein Bett und griff nach meinem Handy.

Josephine meldete sich sofort. „Wie geht es dir? Es ist vier Tage her. Du musst extremen Durst haben."

Sie machte mich unendlich sauer, während ich ihre nervige quietschige Stimme ertragen musste.

Wie konnte ich das zuvor nur als erotisch empfunden haben? Jetzt nervte es mich nur noch. „Josephine, hör mir zu. Was hast du mir an Drogen gegeben? Ich gehe jetzt ins Krankenhaus. Ich kann nichts mehr bei mir behalten. Ich erbreche sogar Wasser. Das ist jetzt echt gefährlich. Also, was war es, damit ich im Krankenhaus wenigstens die richtige Behandlung bekommen kann."

Josephine lachte überreizt. „Wenn du glaubst, dass sie dir im Krankenhaus helfen könnten, liegst du völlig daneben. Gib mir deine Adresse, ich bringe dir etwas Blut vorbei."

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt