62. Hellbraue Irisbögen

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Zerschlagen, öffnete ich meine brennenden Augen. Sofort fiel mir die gestrige Nacht wieder ein. Ich wollte mich erheben und stellte fest, dass mein Arm irgendwie festhing. Irgendwie unterhalb meines Bettes!? Ich versuchte, ihn an mich heranzuziehen.

Aber jemand hielt meine Hand fest.

Schlagartig war ich hellwach. Mein Herz begann zu rasen.

Vorsichtig robbte ich langsam an den Bettrand und schaute hinunter, ohne zu wissen, was mich erwarten würde.

Helle brauen Irisbögen schauten mich aus seinem hübschen markanten Gesicht erwartungsvoll an.

Voltus! Er war wach!

Fest umklammerte er meine kleine Hand mit seinen beiden, als würde er, wenn er loslassen würde, ertrinken.

Ich kam nicht weg. Was wollte er von mir? Wollte er mir etwas antun? Er war viel größer als ich!

Meine Augen weiteten sich überrascht und ich hielt verwirrt ängstlich die Luft an. Mein Licht begann, mich wallend zu umkreisen.

Seine Augen weiteten sich perplex und er ließ sofort meine Hand los.

Geschockt schlug ich die Hand vor den Mund und rutschte unsicher auf dem Bett zurück, bis ich die kalte raue Wand hinter mir spürte. Dort versuchte ich meine aufgeregte Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Ich war mir nicht sicher, wer den größeren Schreck bekommen hatte. Er oder ich.

Aufgelöst atmete ich tief ein und aus, um mich zu beruhigen.

Minuten später stellte ich fest, dass er sich, genauso wie ich, nicht bewegt hatte.

Konnte er nicht aufstehen? Konnte er laufen? Funktionierte sein Gehirn einwandfrei? Wie war sein Zustand insgesamt? Hatte er Hunger? War er überhaupt ein Vampir?

Um das zu klären, musste ich wieder über den Bettrand schauen.

Ich konnte schließlich nicht ewig so sitzen bleiben, mit einem fremden Mann vor meinem Bett. Außerdem lag mein Handy auf dem Nachttisch über seinem Kopf.

Wenn er ein Vampir war, brauchte er Blut. Ein Vampir mit Blutdurst war sehr gefährlich.

Ich musste meinen ganzen Mut zusammennehmen und das klären. Ich griff nach dem Thermobehälter auf meinem Nachttisch und robbte mich leise an die Bettkante heran. Dann ließ ich den Behälter über die Bettkante gleiten, ohne hinunterzuschauen.

Ich hatte Angst und wusste nicht, wie er reagieren würde und ich wollte nicht nachsehen. Aber ich spürte, wie mir der Becher aus der Hand genommen wurde. Die Hand strich vorsichtig sacht über meine eigene.

Mit einer Gänsehaut über dem Arm zog ich sie langsam zitternd zurück und verzog mich wieder zur Sicherheit auf die andere Bettseite zurück.

Laut hörte ich ihn schlurfen.

Er trank jedenfalls aus dem Behälter, dachte ich. Das war schon mal gut. Also ein Vampir, so wie es sich anhörte. Somit potenziell noch gefährlicher als ein Mensch. Ich musste vorsichtig sein. Erneute hörte ich es laut vor meinem Bett schlurfen. Gefährlich schon, dachte ich, aber ich musste unbedingt nachschauen. Er brauchte noch viel Nachschub. Ein Becher war zu wenig. Ich musste dafür aufstehen. Ich musste an ihm vorbeigehen. Es half nichts. Ich musste ihn ansprechen. So nahm ich meinen Mut zusammen und beugte mich über langsam über die Bettkante.

Er hatte die Augen geschlossen und hielt mit beiden Händen den Becher fest und zog genussvoll laut das Blut durch den Strohhalm.

Unsicher räusperte ich mich: „Entschuldigung. Kannst du mich verstehen? Ich heiße James."

Es kam keine Reaktion von ihm, außer, dass er seine schönen Augen öffnete, sein Blick an mir herunter wanderten und er erneut meinen Blick suchte.

Ich zeigte auf mich. „James", wiederholte ich. Mir war nicht klar, ob er mich verstehen konnte. Insoweit konnte ich keine Emotionen von ihm wahrnehmen. Er schloss erneut seine warmen schönen Augen in diesem hübschen männlichen Gesicht.

Vorsichtig tippte ich auf seine Hand und zog sie schnell wieder zurück. Fragend öffnete er erneut seine Augen. Da waren sie wieder. Diese warmen Augen, die mich die ganzen Tage über angesehen hatten. Mir kamen vor Erleichterung die Tränen. Er war ein Lebewesen. Lebendig. Atmete. Er bestand nicht mehr nur aus Augen. Er war vollständig und sah völlig normal aus.

Ich schloss vor Glück meine Augen. Es musste klappen, er musste normal sein. Meine befreienden Tränen tropften auf seine Hände.

Mit einem Mal spürte ich seine Hand an meinem Kopf. Er strich mir sanft über das Haar. Ich griff nach seiner Hand und drückte diese dankbar. Er war ein Lebewesen. Er hatte Haut und Haare. Alles war an ihm dran.

Es waren seine Augen. Ich konnte es immer noch nicht fassen.

-- o --

„James, ich will dir ja nicht zu nahe treten ..." Spencer packte gerade seine Untersuchungsutensilien wieder ein. Er war nun schon innerhalb von fünf Tagen das zweite Mal in meine Wohnung gekommen, um Voltus einen intensiven Check zu unterziehen. Er hatte nichts weiter finden können. Außer, dass er bis jetzt nicht sprach und dass sein Gehirn vermutlich ziemlich leer war. Er war wie ein junger Hund, dem man einmal zumindest alles zeigen musste. Das hatte zur Folge, dass ich ihm wirklich alles einmal gezeigt hatte. Für mich war das kein Problem, ich war ein Mann und er auch einer.

„... Wann wolltest du es dem Clanchef von New York erzählen?" Er kannte Salvatore nicht näher und hatte ihn nur einmal bei der Gründungsveranstaltung kennengelernt. Aber ihm war aus meinen Erzählungen und dem Verhalten von Gio schon klar, dass ich ein „kleines" wie auch immer geartetes Verhältnis zu ihm hatte. Er wusste, dass ich regelmäßig mit ihm telefonierte, auch wenn wir uns nie sahen.

Spencer erwischte mich auf dem falschen Fuß mit dem Thema. Es war eine Sache, diesem Frischlingsvampir das Leben zu zeigen. Aber eine völlig andere, meinem dominanten Liebhaber zu erklären, dass jeden Morgen ein wirklich gutaussehender nackter Mann völlig unbedarft durch meine Wohnung lief. Ich schaute auf mein Sofa, wo Voltus gerade die Sesamstraße schaute und völlig entspannt Ernie und Bernd interessiert folgte.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Du kennst Vincenzo nicht. Nicht nur, dass ich weggelaufen bin, nein jetzt habe ich auch noch einen völlig Fremden in meiner Wohnung. Wie soll ich ihm das bitte schön erklären?", überlegte ich laut und schüttelte den Kopf. Das kam überhaupt nicht infrage, dachte ich. Er würde vor Eifersucht explodieren, auch wenn ich nichts mit dem Mann hatte. Aber da war ich mir sehr sicher, dass dies Salvatore überhaupt nicht passen würde.

Spencer zuckte mit den Schultern: „Deine Entscheidung. Was hast du den nun unternommen, um herauszufinden, wer Voltus denn nun wirklich ist. Irgendwo muss er doch vermisst werden."

„Ich habe vor zwei Tagen ein Foto von ihm ins Forum gestellt und hoffe, dass die Community ihn irgendwo her kennt. Irgendwer muss ihn doch vermissen."

Ich war voll beschäftigt. Erstmal musste ich für Voltus alles neu bestellen. Spencer hatte zwar ein paar Bekleidungsstücke mitgebracht, aber sonst musste ich alles organisieren. Dann geriet die Forumscommunity völlig aus dem Häuschen. Ein Vampir, der aus einer Lauge entstanden war, eröffnete völlig neue Möglichkeiten der Rettung von verloren gegangen Gliedmaßen und anderen grusligen Dingen. Außerdem wollten alle helfen. Das Thema ging also viral, wie man so schön sagt und zwei Tage später platzte die Bombe.

                                   



Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt