48. Sicherheit

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Als ich völlig erschöpft und desorientiert kurz wieder wach wurde, nahm ich nur noch wahr, dass ich an Vincenzos breiter Brust gebettet war, der mich eilig, mit seinem Jackett, zugedeckt, zu einer der schwarzen Suburban Limousinen des Clubs auf die Straße brachte und mich liebevoll auf die kühle lederne Rückbank legte und mir kurz sacht über die Haare strich bevor er sich Gio zuwandte, der an der Tür des Wagens wartete.

"Bring ihn in Sicherheit!", befahl Vincenzo.

Dieser nickte kurz, stieg in den SUV und verschwand damit durch die beleuchteten Straßen New Yorks in die Dunkelheit der Nacht.

Erleichtert, dass es vorbei war und völlig ausgepowert, schlief ich durch das gleichmäßige Brummen des Wagens, eingerollt in sein Jackett, welches mich den unvergleichlichen Geruch meines Vampirs einhüllte, wieder ein.

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Wie von einer Tarantel gestochen, fuhr ich hoch. Gleißendes Licht blendete mich. Ich kniff die Augen zusammen. Der Club! Sofort fiel mir alles wieder ein. Mein Gehirn hämmerte, als würde jemand mit einem Hammer dagegen schlagen. Ein Stöhnen entfuhr mir. Ich war ein Vampir. Ich müsste gesund sein. Wieso hatte ich diese ätzenden Kopfschmerzen, fragte ich mich, mir den Kopf haltend. Dabei ging mir so richtig auf den Keks, dass ich immer im entscheidenden Moment ohnmächtig wurde. Ein wenig sauer über mich selbst, rieb ich mir den Kopf und versuchte meine Gedanken zu sammeln.

Ich konnte diese Bilder, die mir mit voller Wucht durch den Kopf gingen, nicht verdrängen. Diese verzweifelten Schreie der Menschen, der Wohlgeruch des vergossenen Blutes, gemischt mit beißendem Angsturin, diese bleierne Dunkelheit, das gemeinen Blitze der überdrehten bunten Lichter und dieses übermächtige Grauen, welches sich unwiderruflich in meine Gedanken gefressen hatte. Ich schloss die Augen, um diese Bilder wieder loszuwerden.

Salvatore! Ich musste es geschafft haben.

Ich hatte hoffentlich alle erwischt.

Ich musste wissen, was los war und ich musste unbedingt diese Kopfschmerzen loswerden. Jetzt war nicht die Zeit, um hier herumzuliegen. Wahrscheinlich wurde ich gebraucht.

Erneut öffnete ich die Augen und sah mich erstaunt um. Wunderlicherweise lag ich in einem weichen viktorianischen Himmelbett mit weißen durchscheinenden Vorhänge, welche das helle Sonnenlicht warm hereinließen.

Aufgeregt sprang ich auf, schob die Vorhänge beiseite und schaute mich verblüfft um. Das Schlafzimmer war hübsch. Der Einrichtung nach neunzehntes Jahrhundert. Irritiert schaute ich mich um. Wo war ich? Ich schaute an mir herunter. Ich trug einen frischen eleganten dunkelgrauen Herren-Schlafanzug und meine verschmutzten Sachen lagen ordentlich gefaltet auf dem alten Stuhl vor einer Gründerzeit Spiegelkommode. Mein Rucksack stand daneben. Der Raum war verspielt eingerichtet und sah mehr wie ein Museum aus. Das Bett weiß. Tatsächlich ein Himmelbett mit Vorhängen und einem Gazebaldachin. Eine Waschkommode mit einer weißen Keramik Waschschüssel stand in einer Ecke des Raumes. Ein Ständer mit sauberen Handtüchern daneben. Ein weiß verzierter Spiegel darüber und in der anderen Ecke ein weiterer aber bodentiefer Spiegel mit gleicher blumiger Verzierung. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein großer weißer Kleiderschrank mit Intarsien eingearbeitet. Welche gleichfalls Blumenranken darstellten. Die Tapete war auch blumig. Große rosa Rosen, weißer Hintergrund und grüne Ranken, die sich verspielt um die zwei bodentiefe Kastenfenster rankten und dem Raum etwas Romantisches aus der alten Zeit der Gründerväter dieses Landes gaben.

Ich fühlte mich in ein Museum versetzt und hatte das Gefühl, hier nicht herzugehören.

Aber das war egal. Anderes war wichtiger. Ich musste wissen, was passiert war.

Ich sprang auf. Mein Schädel wummerte nun gleichmäßig. Egal! Ich riss die Tür auf und hörte schon die Stimmen, die aufgeregt durcheinander sprachen. Dann hörte ich Salvatore wie er versuchte auf alle beruhigend einzureden.

Mit einem Mal verstummte er.

Ich hörte seine tiefe besorgte Stimme: „James?!"

Das durcheinanderwirbeln der Stimmen erstarben.

Lächelnd stand ich in der Tür. Er war hier und er war sicher. Es war ihm nichts passiert. Egal, was gewesen war. Er war nicht betroffen. Ich war so erleichtert.

Er konnte mich sofort wahrnehmen und war innerhalb von Sekunden nach oben gesprintet. Beeindruckend stand er vor mir. Seine Haare um kräuselten sein hart blickendes Gesicht, welches ernst auf mich herabblickte.

Schüchtern schaute ich ihn an. Dann öffnete ich lächelnd meine Arme. Ich wusste nicht, wie er auf mich reagieren würde. Aber ich war so froh, ihn zu sehen. Zu sehen, dass ihm nichts passiert war. Dass er hier war. Dass es vorbei war. Erleichterung durchflutete mich warm und mein Herz schwebte. Mein Licht begann, mich sanft zu umspielen.

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Er lächelte mit einem Mal freudig an, umarmte mich fest, riss mich von meinen Füßen und schwang mich lachend kraftvoll herum.

Ich wusste nicht, wie mir geschah. „Lass mich herunter", schrie ich und klopfte erleichtert in sein Lachen einfallend fordernd auf seinen großen Rücken.

Grinsend drückte er mich fest an sich und ließ mich wieder auf den Boden zurückgleiten. Dann schob er mich ein Stück zurück, um mich zu betrachten. „Ist alles in Ordnung? Keine Schäden? Alles an dir dran?", fragte er atemlos.

Froh grinste ich ihn an und nickte: „Bei mir ist so weit alles in Ordnung. Was ist dem Club? Hab ich es geschafft?"

Das Lachen entglitt seinem Gesicht, dann nickte er und schaute wieder ernst an mir herunter auf meine nackten Füße: „Ist dir nicht kalt?", fragte er.

Seufzend schüttelte ich meinen Kopf: „Meine Füße sind gerade nicht wichtig. Habe ich alle erwischt?"

Er nickte zum zweiten Mal und grinste nun verschmitzt: „Du bist ein Held, mein Engel." 

Mit einem Mal drückte mich erneut fest an sich. „Ich hatte solche Angst um dich, als ich dich mit einem Mal im Club wahrnahm."

Seine Besorgnis schwappte auf mich über. Ich hatte das Gleiche empfunden. Diese Angst war real gewesen. Wir hätten beide an diesem Abend trotz der Unsterblichkeit nochmals sterben können.

Aber ich hatte es geschafft. Es war vorbei und Salvatore war unverletzt. Alles andere war egal.

Ich schmiegte mich an ihn. Trotz seiner Fehler liebte ich ihn. Er war Mein, Mein! Ich wusste es!

Liebevoll strich er mir über das Gesicht. „Zieh dich an, dann komm herunter. Wir beratschlagen gerade unser weiteres Vorgehen."

                                                           

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt