12. Augen wie die Nacht

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Dieser Gio war eindeutig gefährlich. Aber was wollte er von mir, fragte ich mich. War es so schwer, mich einfach in Ruhe zu lassen? Unruhig rutschte ich auf meiner Bank hin und her und versuchte ihn zu ignorieren. Was mir aber fast nicht gelang, weil ich ihn spüren konnte. So wie ich hier jeden der Anwesenden spüren konnte. Ich spürte sein Verlangen und seine Neugierde. Warum waren diese Vampire mit ihren Gefühlen immer nur so freizügig? Das war wirklich nervig. Mir war nur nicht klar, ob er mein Blut wollte oder etwas von mir. Es war nun mal eine Gaybar, da war es klar, dass ich Frischling hier angemacht wurde, dachte ich. Aber musste es gleich einer der gröbsten Typen hier im Laden sein, seufzte ich, während ich in mein schon halbleeres Glas schaute.

Minuten später tauchten zwei normal gekleidete nett aussehende Männer am Rand der Tanzfläche auf und lenkten meine Gedanken wieder in die richtige Richtung. Wir hatten ausgemacht, dass einer einen Ausdruck mit meiner Internetseite dabei hatte zur Erkennung.

Das war es, warum ich eigentlich hier war und nicht, um mir einen suspekt gefährlichen Gay-Vampirlover anzulachen. Ich war in diesen Laden gekommen, um mich mit Vampiren zu treffen, damit ich einiges von ihnen lernen konnte.

Also winkte ich und sie kamen herüber. Sie sahen auch ein wenig verwirrt aus, als sie sich umblickten. Beide kannten den Laden hier nur vom Hörensagen. Der Mann mit dem Avatar Namen @JWard trug eine Jeans mit einem passenden karierten Hemd und sah aus wie fünfunddreißig. @LoNess sah aus wie fünfundfünfzig und trug eine Hornbrille und einen brauen Pullunder zum ordentlichen Hemd mit passender dunkler Bundfaltenhose. Wir stellten uns einander vor. Beide waren freundlich und erschienen wesentlich normaler, als die meisten Gäste hier in der Bar.

@JWard hieß in Wirklichkeit Jonathan und lebte bereits seit fünfundvierzig Jahren als Vampir. @LoNess kam ursprünglich aus Schottland und trug die Brille nur zur Tarnung. Seine Augen funktionierten einwandfrei. Er hatte sogar eine menschliche Frau und zwei Kinder. Und seine Familie wusste von seinem abnormalen Leben. Er war über einhundert Jahre alt, jedoch wusste er nicht mehr, wann er ursprünglich geboren wurde.

Wir bestellten Getränke und unterhielten uns. Es war ein nettes Gespräch. Sie waren selbst überrascht, mich hier zu treffen. Dieser Laden war schon immer für Extremes bekannt und sie hielten sich fern davon, zumal sie beide nicht dem örtlichen Clan angehörten und erst kürzlich aus verschiedenen Orten zugezogen waren. Sie waren beide heterosexuell veranlagt und vermieden extreme Orte. Sie kannten einander auch nicht und fanden das Chatforum ideal, um andere Vampire kennenzulernen. Wir unterhielten uns super und genossen es andere zu treffen, die so waren wie wir. Beide stellten fest, dass ich erst sehr kurz dabei war und gaben mir viele super Tipps und sie warnten mich nochmal eindringlich davor diesen Club erneut zu betreten. Da sie wussten, dass dieser Salvatore hier Chef war und dieses Gebiet mit seinen ziemlich ausgefallenen Mitgliedern besetzte.

Ich wusste zwar, dass es Angehörige von Clans gab, aber nicht wie das ablief. Es hörte sich fast so an, als wären einige Vampire Mitglieder einer gefährlichen Gang, die meines Wissens nach so etwas wie der Mafia war. Somit saßen wir also unter den Augen des örtlichen Mafiaclans hier und unterhielten uns in aller Seelenruhe. Zumindest hoffte ich, dass wir uns weiter in aller Ruhe unterhalten konnten.

Das war wirklich eine idiotische Idee gewesen, auf Josephine zu vertrauen. Wie hatte ich nur so naiv sein können? Und gut, dass dieser Salvatore wieder verschwunden war. Es wäre nicht gut gewesen, wären die beiden Normalos auf diesen tödlichen Vampir gestoßen.

Aus dem Augenwinkel stellte ich fest, dass dieser freche Vampir uns weiterhin beobachtete. Ein wenig unheimlich war es mir schon.

Salvatore tauchte wieder auf und durchschritt dominant den Saal. Alle machten ihm dabei Platz. Er ging, ohne sich umzuschauen zur Bar und unterhielt sich mit dem frechen Vampir, der immer wieder zu uns hinüberblickte, nickte und ein finsteres Gesicht machte. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken und ich war vollkommen abgelenkt von unserem Gespräch, während ich meine Hände knetete.

Ich bin der Vampirengel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt