Samu und Anni

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Unser Fahrer hielt Wort und stand pünktlich gegen halb drei am vereinbarten Treffpunkt.
Danach lief alles wie in einem Film. Es folgten Transporte, diverse Hintereingänge, Passkontrollen, Menschen die uns "viel Spaß" bei der Veranstaltung wünschten, die Hände schüttelten, oder so taten, als sei ich ein verlorengegangener Sohn, der nach Jahren heim kam. Ich kannte keinen der mir begegneten  "Anzugsträger" und hatte auch in der Vergangenheit keinerlei Verbindung zu ihnen. Aus diesem Grund fiel es mir schwer sie ordnungsgemäß einzuordnen. Mikko hätte sicherlich gewusst auf wen es ankam, ich hingegen hatte Kenntnisse wie vom tanzen. Walzersschritt gleich Bierkasten.Ende.
Was nicht hieß, dass ich kein Rhythmusgefühl besaß. Meine Beine taten nur nicht immer das, was sie tun sollten und ließen mich wie ein Körperklaus fühlen. Menschlich gesehen, sah man sich immer ein bisschen schlechter, als man tatsächlich war. Was ok ist, so lange es im gesunden Ausmaß blieb und nicht in Stress bishin zur Panik verfiel.

Um vor Anni nicht wie ein Idiot dazustehen hielt ich es für's Beste meinem Instinkten zu folgen und einem Produktions Assistenten mit Headset auf dem Ohr hinterher zu laufen. Nicht unbedingt die Beste Idee, aber die Beste für diesen Moment.
Der Assistent lächelte freundlich, scannte meine Freundin unangenehm von oben nach unten ab - ( Meine innere Stimme schrie: "Gehts noch"? Dem hätte ich am liebsten ein paar Takte erzählt. Ich weiß das Anni eine Erscheinung ist, aber musste er sie extra vor meinen Augen ausziehen ?) Ich stellte mich seinen Blicken in den Weg und er schien sich dabei ertappt zu fühlen. Die Augenbraue funktionierte einfach immer und gab mir innerlich ein High Five.
Abgehetzt führte er uns durch die Katakomben des Studios. Es dauerte keine 10 Minuten und wir standen vor einer Tür, auf der mein Name in Großbuchstaben stand.
Der besagte Mitarbeiter öffnete die Tür und ließ uns nacheinander eintreten. Ich ließ Anni den Vortritt, er musste schließlich nicht auch noch sie von hinten begutachten.
Zum Raum konnte ich sagen, dass im Vorfeld mit dem Management Kleinigkeiten abgestimmt wurden, damit sich die Künstler bei der bestehenden Veranstaltung wohlfühlten. Über die Jahre sammelten sich stets Erfahrungen an, so dass ein Rückzugsort von Vorteil war. Insbesondere bei längeren Produktionspausen. Mikko managte hervorragend und beschränkte sich hauptsächlich auf Getränke, Wlan und etwas zum sitzen, besser gesagt - Status Grundausstattung. Ich wusste von Kollegen die diese Angebote voll ausschöpften und zur Diven wurden. Ungefähr so, als würden wir für ein paar Stunden Aufzeichnung verlangen, Lonkero aus Finnland einfliegen zu lassen, ihr wisst schon, die blaue Dose u.a. mit Gin und Grapefruit.
Es ist ja nicht so, als würden die Produktionsfirmen nicht alles dafür tun, um zu bekommen was sie wollen. Oft lachten Mikko und ich über die gestellten Anfragen unserer Wünsche. Verrückt, wenn wir . Immer wieder unsere Anfänge in Betracht zogen, wie alles in einer großen Sammelumkleide stattgefunden hat. Natürlich mit dem Wissensstand von heute. Früher, als wir unreife Rockstars waren, sah die Welt ganz anders aus, weil schließlich alles neu und aufregend war.

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Der Produktionsassistent drückte mir beim rausgehen eine Setlist mit dem Ablauf des Abends in die Hand, darunter auch Seiten ausführlicher Erläuterungen. Demnach hatten wir noch eine halbe Stunde Zeit für eine Übersetzung der anderen Seiten.
16:00 Begrüßung / Kennenlernen des Moderators
16:15 Studio Führung/ Einweihung in die Gerätschaften
18:00 Uhr Kantine / Essen
18.30 Uhr Einlass der Leute
19:00 Uhr Maske
20:15 Uhr Beginn der Show
23:30 Uhr Ende
00:00 Uhr Aftershowparty ( Optional)
In der Tat verschwendeten sie keine Sekunde, mein Deutsch unter Beweis zu stellen. Ich hatte auch keine Zeit darüber nachzudenken. Alles war bis ins kleinste Teil getaktet und wir mitten drin. Die Tür schloss sich. Anni sah sich begeistert im Raum um und legte ihre mitgebrachte Handtasche auf das Sofa.» Ist das alles aufregend», murmelte sie. Der Raum war ausgestattet wie ein kleines Einzimmerapartment. Bad, Sofa, eine Minibar und ein Willkommensgruß vom Sender.
In der Zwischenzeit lief ich aufgeregt hin und her, googelte Wörter mit meinem Handy und lief rastlos auf und ab. Anni schwieg, beobachtete mich und schüttelte kaum merklich ihren Kopf. Ich wusste was sie dachte. Mein Körper war angespannt, der Rücken tat mir weh und es kribbelte in der Schulter, was ich mit komischen Bewegungen kompensieren wollte. Anni konnte sich das Drama nicht mehr mit ansehen. Sie nahm mir entschlossen meine Zettelwirtschaft aus den Händen und schob mich Richtung Sofa. Verwirrt sah ich sie an. »Baby, leg dich hin, schließ die Augen und konzentriere dich auf deine Atmung«. » Ein, aus- Ein und aus . Du musst es hier drin fühlen«. Legt sie ihre Hand auf meinen Bauch und streichelte kurz über die Stelle . »Wie bei den Yoga Übungen, die dir dein Trainer gezeigt hat«. Ich hielt Annis Hand fest und sah sie flehend an.
»Kaunis, aber der Zettel, ich muss...! «
»Nein Karhu! Du musst dich einfach auf deine Atmung konzentrieren «  . Hockt sie vor dem Sofa und streichelt mir eine Strähne aus dem Gesicht. Sie gab mir Airpods. ( Aber einer musste doch den Überblick behalten. Woher sollten wir wissen wohin wir mussten, wenn wir uns nicht auskannten.
Je mehr ich mich auf meine Atmung konzentrierte, um so ruhiger wurde ich. Es könnte auch am Meeresrauschen und den Möwen in meinen Ohren liegen die an Annis Handy gekoppelt waren. Mein Nacken tat nicht mehr weh und das kribbeln in meiner Schulter ließ nach. Plötzlich, war ich auf Boa ganz weit weg von all dem Chaos. Ich hörte keine Stimmen vom Flur, oder andere Geräusche.
Als eine Hand vorsichtig über meine Wange und Nacken streichelte öffnete ich überraschend meine Augen. Ich brauchte einen Moment, um zu wissen wo ich war. Ich hatte keine Ahnung wie Anni es angestellt hat, aber ich fühlte mich gut. Vor mir lag der detaillierte Ablaufplan. Übersetzt auf finnisch. Die Handschrift meiner Freundin unverkennbar. »Karhu, du musst in 10 Minuten los. Der Moderator will euch vorab kennenlernen und euch die Gerätschaften zeigen. Du wirst abgeholt und ihr geht alle zum Studio. Bevor iss die Banane. Sie hat B+ Vitamine und bewirkt wahre Wunder«.
»Wie? Wann?Was?«  Sah ich sie perplex an. »Ich bin neu in dem Job. Grinste sie mich an. »Der Meister zieht seine Strippen von zu Hause. Ich habe Mikko eine EMail geschrieben, daraufhin hat er mich angerufen und alles was ich wissen musste erklärt. Ich hoffe du fühlst dich ein bisschen entspannter« . »Anni, wie, stotterte ich. Du hast dich fallen lassen, Karhu« . Ich zog Anni zu mir und umarmte sie tief. »Danke Engel , du hast mir den Arsch gerettet.« »" Ich habe nichts gemacht. Das warst du ganz alleine« . Küsst sie mich liebevoll. »Du solltest dich  langsam fertig machen. Es könnte jeden Moment an der Tür klopfen.« Und dann haust du sie alle um.«
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Wie vorab befürchtet wurde es ein langer Abend. Anni blieb bei mir so gut sie konnte. Sie durfte sogar zu einzelnen Programmpunkten mit. Bei der Begrüßung wurden uns die anderen Mitstreiter vorgestellt, die allesamt einen netten Eindruck machten.
Tatsächlich konnten wir uns bis achtzehn Uhr frei bewegen, als sich langsam die Ränge mit Menschen füllten. Hinzu kam, dass die Produktionsfirma es witzig fand, zwischen der Maske und Beginn der Show einen Programmpunkt wie "Autogrammstunde" hinzuzufügen.
Und wirklich, 80 % der Anwesenden saßen mit Band Shirts oder selbstentworfenes im Publikum.
Zu diesem Zeitpunkt war Anni Backstage auf sich allein gestellt. Für sie tat es mir leid, bald 6 Stunden in einem Raum zu warten. Sicher, hatte sie alle Freiheiten, aber nach allem was zu Hause passierte, war ihr deutlich wohler in der Kabine zu warten. Meine Hoffnung lag darin, keine verrückte Stalkerin vorzufinden..

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