Samu und Anni

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Auf dem Weg nach Hause fiel mir ein, dass ich Anni versprochen hatte ihr mein Heimatdorf und unser Haus zu zeigen. Klein und unscheinbar, dennoch von großer Bedeutung.
Besonders wenn ich in ruhigen Momenten die Augen schloss, konnte ich noch genau das kleine Zimmer unterm Dach sehen, welches im Sommer zu einer kleinen Sauna wurde. Natürlich wären da noch meine ersten Versuche auf der Gitarre. Äiti- die in unserer Stube in einem gemütlichen Sessel saß und mit großen Kopfhörern Musik hörte-. Wir hatten nicht viel, jedoch erlangten wir Reichtum an schönen Erinnerungen.

Meine Mutter gab nach vielen Zukunftsgesprächen zu, sich "im Alter" verkleinern zu wollen. Immerhin besaß unsere Familie, wie gefühlt jede Familie in Finnland- ein zweites Wohnzimmer namens Mökki, dass ihre volle Aufmerksamkeit erforderte.

Somit stand ich in der "Erbreihenfolge" damals mit 35 Jahren an erster Stelle. Der Lebenstraum eines jeden Menschen. Frau, Haus, Kind und einen golden Retriever. FAST! Ich gehörte nicht dazu. Mir stand der Sinn nach Musik, Abenteuern, Reisen, sodass ich mich nicht an einen Ort binden wollte.
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir auch noch keine Familie oder eigene Kinder vorstellen, genoss viel mehr die Freiheit und das Leben eines "wannabe Rockstars".
Es mussten erst einige Jahre vergehen und Zeit ins Land gehen, bis "Anni" in mein Leben trat und binnen von Sekunden mich komplett erfüllte, sodass Herz und Kopf ruhe gaben, jede Oberflächlichkeit verschwand und ich endlich, ich selber sein durfte. Schon traurig, dass diese Erkenntnis erst jetzt kam. Aber besser spät als nie.

Unser Elternhaus sollte auch nicht an fremde Personen gehen.
Als meine Schwester damals ihren jetzigen Ehemann mit nach Hause brachte, war schnell klar, die beiden würden einmal eine Familie gründen. Und wie bereits erwähnt, ein Haus, Kinder und einen Hund haben. Ein paar Jahre später kam auch schon meine Nichte auf die Welt, mein Patenkind.
Was für eine Ehre! Ich war so aufgeregt, ein winzig, zerbrechliches Wesen in meinen Händen zu halten . Dieses Ereignis veränderte mit einem Schlag unser aller Familienleben. Die kleine Prinzessin war kaum auf der Welt, schon verdrehte sie uns allen den Kopf. Besonders meiner Mutter- Ihr könnt es euch nicht vorstellen- ihr erstes Enkelkind. Die feinen blonden Härchen, die klaren blauen Augen, die in der Familie weit verbreitet waren. Die Rangfolge verschob sich und neue standen zur Auswahl. Meine Mutter, die sich mehr den je verkleinern wollte und lieber die Zeit im Mökki verbringen wollte. Mein kleiner Bruder der mittlerweile sein eigenes Leben führte und keine Ambitionen hegte, dass Haus zu übernehmen- Hielten wir es fürs Beste, wenn meine Schwester das Haus übernahm. Somit blieb es im Familienbesitz.

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Anni staunte nicht schlecht, als wir wenig später von der Schnellstraße abfuhren"
»Ähm Karhu...Ich glaube-«
Grinsend schnitt ich ihr das Wort ab und schüttelte meinen Kopf. "Schhht"
»Nope, ich habe mich nicht verfahren!« lege ich meine rechte Hand auf ihr Knie. Ihre blauen Augen sahen mich nachdenklich an, als sei ich geistig nicht auf der Höhe.
Vertrau mir Engel! Ich will dich nicht aussetzen, griff ich nach ihrer Hand. Außerdem kenne ich hier so gut wie jeden Winkel auswendig.
Gespannt sah Anni aus dem Fenster und beobachtete konzentriert die vorbeiziehende Landschaft.
Wirklich? Hier? Rätselte sie.
"Komisch- unabhängig von uns, war ich noch nie hier, als das ich mich erinnern könnte, was diesen Ort besonders macht."
Liegt es daran, dass du in deiner Freizeit gerne wandern gehst- Wenn ich die Landschaft betrachte? Lachend schüttelte ich den Kopf. Ab und zu vielleicht, aber nicht mein Lieblingssport-
"Du warst noch nie an diesem Ort? Das ist schade, die Stadt ist wunderschön."

Welche Stadt? Die nächste Stadt die ich kenne ist Helsinki.
Schatz, ich weiß die letzten Wochen waren für uns beide anstrengend, sei bitte ehrlich, sind deine Kopfschmerzen zurück? Ich hatte Mühe das Lenkrad festzuhalten-vor lachen.

Endlich kamen wir an dem kleinen Ortsschild vorbei, auf das ich gewartet hatte. An Annis Blick konnte ich erkennen, wie sehr es in ihrem Kopf anfing zu arbeiten.
"Karhu!"rief sie erschrocken aus. Völlig gerührt sah sie mich an:
»Du hast es nicht vergessen- Dein Heimatdorf, stimmt's?« und klammerte sich an meinen Arm.
Wie konnte man bitte so süß sein .

»Tatsächlich hat sich hier kaum etwas zu früher verändert.«
Siehst du die kleine Bushaltestelle, links?
Anni nickte.
Morgens haben wir an dieser Haltestelle angestanden und auf den Bus nach Helsinki gewartet. Wenn du nach rechts schaust, zeige ich auf einen versteckten grünen Platz, dort war unser kleiner Sportplatz. Hier haben wir oft mit den Dorf Jungs Fußball gegen andere Vereine gespielt, bis ich mit 6 Jahren der Sportart den Rücken kehrte und zum ICE Hockey überging. Den für mich coolsten Sport der Welt. Schon in Kindheitstagen hat man durch den Sport viele Länder bereisen und sehen können. Ein Highlight war auf jeden Fall Kanada.

Ich fuhr auf den kleinen Parkplatz und stellte den Motor ab und streiche nervös mit den Händen über meine Hose. Siehst du das Haus mit den rötlichen Elementen? Ganz oben, das weiße Dachfenster, war mein Zimmer. Dort fing alles mit der Musik an. Unten rechts die Küche und links das Wohnzimmer.
Es ist nicht mehr euer Elternhaus ? Ich erinnere mich, dass wir deine Mom letztens gemeinsam nach Hause gebracht haben.

Das Haus ist noch im Familienbesitz, aber nicht mehr wie unser Elternhaus. Meine Schwester wohnt jetzt mit ihrer Familie in diesem Haus. Es war für alle die Beste Entscheidung. Sie ist glücklich, die Kinder können weit vom Rummel aufwachsen und zu den Schulen ist es auch nicht weit. Ich lade uns gerne bei nächster Gelegenheit bei meiner Schwester ein- Grinse ich.

Komm Kaunis- Ich zeig dir was.

Versteckt hinter dem Sportplatz war ein kleiner Spielplatz. Der Spielplatz war Maritim gestaltet. Die Gerätschaften waren wie üblich von einem Sandkasten bis hin zu den Schaukeln. Ich fühlte mich augenblicklich wieder wie 10 Jahre, als wir Hand in Hand auf die Schaukeln zuliefen und uns setzten. Fühlst du dich gerade auch wieder wie 10 ? Lächelte Anni mich an und schaukelte in meine Richtung.
Sag mal kannst du neuerdings Gedanken lesen?
"Vielleicht"- Erhob sich Anni von ihrer Schaukel, um sich mir zugewandt auf meinen Schoß zu setzen. Was würdest du deinem 10 Jährigen ich heute sagen?
Spannende Frage.
Es soll an seine Träume glauben, hart arbeiten und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, wenn es denkt, es sei nicht gut genug. Hinter jeder verschlossen Tür steckt ein neuer Anfang. Probier alles aus, aber stehe auch für Dinge ein, die mal nicht richtig laufen. Hab Mut- folge deinem Herzen, egal was andere dir sagen, oder in dir sehen wollen. Es ist dein Leben und man hat nur dieses eine. Mit den richtigen Leuten an seiner Seite kannst du alles schaffen. Vorallem wenn man dir helfen will- nimm die Hilfe an.

Und du?
Es soll auf sich und sein Können vertrauen. Man kann es nicht allen Menschen recht machen. Nie den Mut verlieren, sein eigenes Ding zu machen. Jeder Mensch ist auf seine Art und Weise einzigartig, schön. Keine Angst vor Herausforderungen. Mut haben an seine Träume/ Ziele zu glauben.

Wusstest du, dass wir früher oft versucht haben so zu schaukeln". Ihre Arme lagen locker auf meinen Schultern und meine sicher auf ihren Hüften, damit sie mir nicht runter fiel. Nur das es nicht so viel Spaß gemacht hat, wie jetzt mit dir.
Ich habe verdammt Glück mit dir, drückte sie ihre Lippen auf meine.

Monday-KnockoutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt