Anni & Samu

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Ich lud beide Damen zum Pizza essen ein. Besonders die kleine Thea freute sich riesig und mampfte was das Zeug hielt.

Es gelang mir nicht Thea's gesagten Worte zu vergessen. Ständig verglich ich dieses fröhliche Mädchen mit meinen kleinen Nichten. Jeder Mensch genoss eine Art von Erziehung und jedes Elternpaar lebte die Hoffnung, ihre Methode sei die Beste.
Doch wie sehr musste das kleine Mädchen wirklich zuhause leiden, um solche Äußerungen zu treffen?
Einem Kind sollte nicht das spielen und Spaß haben untersagt werden, damit es in die Bücher sieht. Sowas absurdes hatte ich noch nie gehört und kam  absolut nicht in Frage. Ich musste unbedingt Anni darauf ansprechen, so verhielt sich kein normales Kind.

Meine Freundin schien mich ausgiebig zu beobachten, denn ihre schmale Hand strich langsam zwischen meinen Schulterblättern.
Alles in Ordnung, Großer? Du wirkst so abwesend, sah Anni mich nachdenklich an.
"Ja, alles gut. Mach dir keine Sorgen."
Das sagst du so einfach, strich sie mir sanft über den Nacken. Deine Augen sprechen eine andere Sprache.
"Nein wirklich Engel, alles ok.

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Thea hatten wir müde und satt bei Anni's Eltern übergeben und befanden uns nun auf dem Rückweg nach Helsinki.
Samu? ,sprach mich meine Freundin sanft von der Seite an. Erzähl mir was dir durch den Kopf geht, streichelte ihre Hand über meinen Oberschenkel, die sie auffällig höher wandern ließ. Du bist so ruhig, so kenne ich dich gar nicht.

"Ich weiß nicht wie ich anfangen soll, erklär mich bitte nicht für verrückt, aber mir gehen Thea's gesagten Worte nicht aus dem Kopf", platzte es aus mir heraus.
Wenn ich Thea mit meinen Nichten vergleiche, tut sie mir einfach nur unendlich leid. Sie ist ein kleines 10 Jähriges Mädchen, welches von seinen Eltern keine Aufmerksamkeit bekommt. Jeden falls nicht so wie sie es verdient. Mag sein das ich zu viel in die Sache hineininterpretiere, aber wurde ihr jemals abends etwas vorgelesen, mit ihr gekuschelt ?Von Oma und Opa mal abgesehen. Es macht mich traurig und ein stück weit wütend das ein kleines Mädchen mehr vertrauen zu Außenstehenden entwickelt, als zum eigentlichen Elternhaus.
Deine Schwester hat ein Kind wie Thea gar nicht verdient, so ein süßes kleines Mädchen.

Was sagen denn Du und deine Eltern dazu? Immerhin sind es die Großeltern. Sie können das unmöglich für gut heißen. Allein schon wegen eurer früheren Geschichte.

"Meine Eltern tun mehr als dir lieb ist". hörte ich Anni tief ausatmen.
"Wie meinst du das, Kleines "?
Samu, wir können froh sein das Thea nicht anwesend war, als mein Ex uns bei meinen Eltern überfallen hat.

Ich verspreche dir, du wirst es gleich verstehen, aber es ist nicht so einfach darüber zu sprechen. Thea hat nämlich keine Ahnung, bitte, das muss auch so bleiben, es ist nämlich so: "Ich liebe Thea von ganzen Herzen". Sie ist wie eine Tochter für mich. Nur leider sieht die Wahrheit immer anders aus.

Bis auf Elsa habe ich das noch niemanden erzählt. Bitte behalte es für dich.
"Ja natürlich, du kannst mir vertrauen"! Das weißt du doch, oder ?
Anni nickte und strich über meinen Arm. "Glaub mir, hätte ich kein Vertrauen in dich, wäre ich nie soweit gegangen".

Anni atmete tief ein und wieder aus.
Meine Eltern sind der gesetzliche Vormund von Thea.
Deswegen lebt sie bei ihnen und nicht weil ihre Eltern lange arbeiten müssen.
Sicher auch das, hauptsächlich weil sie ihre Enkelin nicht mehr leiden sehen wollen und das Jugendamt von der Grundschullehrerin alarmiert wurde. Bevor sie in irgendeine Wohngruppe gekommen wäre, haben meine Eltern nicht gezögert.
Wie bitte? meinte ich sprachlos. "Fuck! knallte ich meine Faust auf das Lenkrad, alles was ich fühlte war Wut.
Süße, wenn ich deiner Schwester jemals begegnen sollte, ich weiß nicht wie ich reagieren werde. Wie kann man nur !"
Vor allem, was ist passiert ? Eine solche Konsequente Maßnahme wird doch nicht gezogen, nur weil man sein Kind zur Schule schickt?
"Du bist süß, du wirst sicher mal ein toller Papa Samu". Das ist leider so typisch meine Schwester.
Sie wollte immer mehr, als das Kind geben konnte und wollte.

Thea ist mehrfach in der Schule aufgefallen, weil sie immer wieder weinte, als sie nur eine 2+ geschrieben hat. Irgendwann wurden mit ihr und der Schulpsychologin Gespräche geführt. Meine Schwester wurde dazu geholt, versprach denen das Blaue vom Himmel, das alles perfekt und harmonisch sei. Bis Thea unter diesem Leistungsdruck gelitten und Verhaltensmuster aufgewiesen hat. Sie wollte nicht mehr nach Hause. Ständig wurde sie wegen Bauchschmerzen aus der Schule abgeholt. Sie durchlief aufgrunddessen einige Tests bei mir, die alle negativ ausfielen. Das fröhliche Mädchen verschwand immer mehr, bis ich eine Diagnose stellte und mit meinen Eltern darüber sprach, denen fast alle Gesichtszüge entglitten sind. Thea musste noch mehr lernen, wenn sie nur eine 2+ geschrieben hat, durfte sich nicht mit ihren Freunden treffen und es wurden ihr Spielsachen genommen, die wichtig für sie waren.
Kaum einer kam mehr an sie heran. Bis auf ..
Dich, beendete ich Ihren Satz. Sie nickte. Wenn ich damals nicht die Praxis eröffnet hätte und nicht so einen egoistischen Freund gehabt hätte, würde sie heute bestimmt hier leben.
Du wolltest Thea zu dir holen? Anni nickte.
Ja, ich würde alles für sie tun.
Es gab nur diese Option. Niemals hätte ich etwas anderes zugelassen.

Auch meine Eltern hielten es für das Beste, es war ein langer schleichender Prozess, aber das Kind musste einfach in eine andere Umgebung.

Fuck! Ich bin selten sprachlos, ich hätte wohl genau so reagiert.Dann verstehe ich jetzt auch, warum deine Schwester nicht will das du mit Thea Kontakt hast. Deine Schwester denkt, du hättest Ihr das Kind genommen, meinte ich leise.

Es ging einfach nicht mehr. Ich musste handeln. Hälst du mich jetzt für ein Monster ?
Ich stieg eisern auf die Bremse. "Bitte was"? Wie kommst du nur darauf?
Anni, du hast deinen Job gemacht, das was jeder Mensch getan hätte. Du hast der Kleinen geholfen. Glaub mir. Deine Schwester ist ein Monster, nicht du.

Jetzt verstehe ich die Worte deines Vaters.
"Sie fasst nicht so schnell vertrauen" Ist auch kein Wunder. Bei dem was sie alles mit erleben musste.

Sie meinte vorhin das ihr Bruder nicht mit ihr spielen wollte. Wurde er genauso gedrillt ? Anni's Augen zogen sich schlagartig zu Schlitzen zusammen.
Nein, natürlich nicht. Er war schon immer der Pascha der Familie. Hast du Harry Potter mal gesehen?
"Ähm, ich weiß wohl das es den gibt, aber Details, lachte ich verlegen.".

Harry lebt bei seiner Tante und Onkel die ihn nur dulden, weil seine Eltern umgekommen sind. Er wohnt in einem Wandschrank, wird dort behandelt wie ein hauseigener Sklave.
Sein Cousin hingegen ist so verhätschelt, der beschwert sich am Anfang der Geschichte, weil er Geburtstag hat und nicht die gewünschte Anzahl aus dem letzten Jahr an Geschenken erhalten hat: Nach dem Motto: Wieviele sollen das sein? und seine Eltern ihn sofort besänftigen um ihm alles zu erfüllen, damit er in seinem tun noch mehr bestätigt wird. Typische Helikopter Eltern.

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