Julian ~
"Häh, was willst du kaufen?", die Stimme meines Bruders dröhnt durch meinen Kopfhörer. Manchmal ist er wirklich schwer von Begriff.
"Jannis Alter, Einen Schreibtisch und einen Stuhl dazu. Hast du dein Hirn wieder in den Kühlschrank gelegt!?"
"Wofür brauchst DU denn einen Schreibtisch? Zur Dekoration oder was?"Ich verdrehe die Augen. Manchmal ist er einfach keine Hilfe.
"Amina kommt für drei Wochen, um ihre Masterarbeit zu schreiben. Daher brauche ich einen Schreibtisch. Also hol dein Hirn gefälligst aus dem Kühlschrank und hilf mir einen auszusuchen!", langsam werde ich ungeduldig. Schließlich habe ich nicht ewig Zeit in einem Möbelhaus herumzusitzen und Schreibtische anzuschauen, nur weil Jannis nicht in der Lage ist meinen Worten zu folgen."Drei Wochen?", Jannis Augen werden so groß wie Äpfel, ehe er grinsend mit beiden Augenbrauen wackelt.
"Hast du dich jetzt wieder beruhigt?"
"Das geht ja jetzt ganz schön flott bei euch. Sollte ich noch was wissen? Hochzeit? Baby? Wehe du lädst mich nicht ein!"
"Was, zum Baby machen?", grinse ich Jannis zurück. Angriff ist eben doch die beste Verteidigung.Jannis schaut mich genervt an. "Was ist jetzt mit dem Schreibtisch?"
Sieh mal einer an, plötzlich ist er ganz bei der Sache.
Ich schalte an meinem Handy von der Frontkamera auf die Rückkamera um, sodass Jannis die Schreibtische vor mir sehen kann.
"Also ich schwanke zwischen diesen drei", mit meinem Arm deutet ich nacheinander auf verschiedene Schreibtische.
"Du weißt schon, dass sie dich dafür umbringt, wenn du extra einen Schreibtisch für sie kaufst?"
"Weiß ich. Deswegen sagen wir ihr, dass der bei dir im Keller stand und ich ihn mir ausgeliehen habe."
"Alter, nein. Du lässt mich da raus. Ich mach da nicht mit. Wenn du meinst, einen Schreibtisch kaufen zu müssen, dann steh wenigstens dazu."
"Aber sie bringt mich um.", jammere ich wehleidig.
"Dann kauf halt keinen Schreibtisch."
"Sie hat eine Schreibkrise, deswegen kommt sie zu mir. Wenn ich keinen Schreibtisch habe, wie soll dann die Schreibkrise überwunden werden? Du willst du auch, dass sie ihren Master schafft, oder nicht?", frage ich mit meiner sanftesten Stimme.
"Naa gut. Meinetwegen, aber nur wegen der Schreibkrise. Die Taktik hast du doch eindeutig von Amina. An deinem Hundeblick solltest du aber noch feilen. Sonst wird das in Zukunft nicht nochmal funktionieren.", grummelt mein Bruder.Triumphierend balle ich meine Hand zur Faust. "Welchen findest du nun besser?", hake ich nach.
"Ich glaub den ganz rechts. Der mit grau. Die anderen beiden sind so protzig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einen positiven Einfluss auf Aminas Schreibblockade nimmt."Genau deswegen habe ich Jannis um Hilfe gebeten. Er kennt sie mittlerweile ziemlich gut und irgendwie haben sie einen Draht zueinander. Vielleicht auch, weil Jannis' und Aminas Welten doch noch ein Stück näher beieinander liegen als meine und ihre.
Anschließend suche ich noch einen Polsterstuhl mit Armlehnen, ebenfalls in grau, aus. Bei einem Mitarbeiter des Möbelhauses gebe ich die Bestellung inklusive Lieferung auf. Schon in drei Tagen bin ich dann stolzer Besitzer eines Schreibtischs. Wer hätte das gedacht. Meine Mutter mit Sicherheit nicht.
......
Es ist Mittwoch. Endlich. Die letzten Tage vergingen im Flug, teilweise weil ich einfach ziemlich aufgeregt bin und teilweise, weil ich mit allerhand Vorbereitungen beschäftigt war. Der Schreibtisch und der Stuhl stehen mittlerweile im Gästezimmer und warten förmlich nur noch auf Amina. Ich habe ihr Bett bezogen und generell die ganze Wohnung geputzt. Einkaufen war ich auch. Der Schokoladenvorrat ist aufgefüllt, sodass ich auch für etwaige größere Krisen gewappnet bin.
Zu guter Letzt habe ich noch dekoriert. Ja, das klingt übertrieben, ich weiß. Ist es auch. Soll es auch sein. Ich habe ehrlich keine Ahnung in welchem mentalen Zustand Amina nachher hier ankommt, daher habe ich gedacht, dass ich sie am besten erstmal zum Lachen bringe.
Deswegen habe ich extrem viele Luftballons, Luftschlangen, Konfetti und sogar ein Banner besorgt. In goldenen Buchstaben hängt nun im Wohnzimmer: Willkommen ♡ Roomie. Dazu hängen jetzt überall goldene Luftschlangen. Es ist ein bisschen wie im Urwald. Ständig muss man sich bücken oder limbo tanzen, um durch das Wohnzimmer zu kommen. Ganz zur Freude von Nala. Ich warte förmlich nur noch darauf, dass hier irgendetwas zu Bruch geht, weil Nala sich in den Luftschlangen verheddert. Wenn ich nachher zum Bahnhof fahre, muss ich sie auf jeden Fall mitnehmen. Sonst existiert nachher entweder meine Wohnungseinrichtung nicht mehr, oder Nala. Ehrlich gesagt, hänge ich doch ziemlich an beidem.
Gerade bin ich damit beschäftigt die 500 Luftballons mit der Luftpumpe aufzupumpen. So viel steht fest: Das mache ich nie wieder! Die ersten 50 waren ja noch ganz lustig und gingen mir gut von der Hand. Aber danach? Hölle. Reinste Hölle. Ständig zerplatzen Luftballons, weil ich offensichtlich zu viele Muskeln habe. Oder zu ungeduldig bin. Es sind sicher die Muskeln. Gaaanz sicher. Mit jedem Knall wird Nala noch verrückter und rennt wild durch die Wohnung. Mir bleibt nichts anderes übrig, als Nala erstmal in den Garten zu sperren, sonst nimmt das ganze doch noch ein bitteres Ende.
Stunden später, sitze ich auf meinem Sofa und schaue mein Werk an. Überall nur Luftballons. Meter hoch. Ich grinse vor mich hin. Wenn sie das nicht zum Lachen bringt, dann weiß ich auch nicht. Dann braucht sie definitiv professionelle Hilfe. Ich bin schon etwas stolz auf mich, dass ich diese grandiose Idee hatte und es durchgezogen habe. Mein goldenes Meer. Ich schwimme förmlich in Gold. Wer kann das schon von sich behaupten? Und da sagt nochmal einer, dass Jannis der kreative in der Familie ist. Papperlapap, ich bin der wahre Künstler.
Ich stehe auf und schaue mir mein Kunstwerk vom Flur aus an. Falls Amina nachher nicht darüber lachen kann, was ich mir wirklich nicht vorstellen kann, dann werde ich es auf jeden Fall tun. Ich schicke Jannis ein Foto und schreibe dazu: Ob ich noch Luftballons brauche?
Es dauert keine 30 Sekunden, bis ich eine Antwort bekomme.
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Alter, ist dein Einhorn geplatzt oder was?
----So könnte man das auch sagen.
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Zwischen zwei Welten // Julian Brandt
FanfictionAmina führt ein ziemlich normales Leben: sie studiert und jobbt nebenbei, um sich über Wasser zu halten. Julian führt kein ziemlich normales Leben. Er ist Fußballprofi beim BVB und lebt den scheinbaren Traum vieler Jungs. Zwei Welten, die sich nie...