~ Amina
In Filmen funktioniert es immer folgendermaßen: Man packt all die Dinge des geliebten Menschen, den man vergessen will, in einen Karton und verstaut ihn irgendwo, wo man ihn niemals zufällig findet, oder noch besser, man entsorgt ihn gleich. Dabei weint man ganz bitterlich, schließlich reißt es einem ja auch das Herz heraus. Man weint sich in den Schlaf und dann steht man am nächsten Morgen auf, die Sonne scheint und das Leben lacht. Wie von Wunderhand ist all der Schmerz genommen, weil er ja im Karton liegt und irgendwo ganz weit weg ist. Eine so einwandfrei funktionierende Bewältigungsstrategie.
Toll, oder?Was soll ich sagen.
Das hier ist kein Film und auch keine Serie auf Netflix. Das hier ist mein gottverdammtes Leben. Und für mein gottverdammtes Leben schreibe ich kein Drehbuch.
Würde ich gerne.
So so so gerne.
Kann ich aber nicht.
Schließlich ist es eben mein gottverdammtes Leben.
Und das macht leider was es will.Die Wahrheit sieht so aus, dass es mir auch am nächsten Morgen noch ziemlich mies ging.
Und den Morgen darauf.
Und den Morgen darauf.
Und so weiter.Der Karton war so gesehen lediglich der Anfang. Eine Bewältigungsstrategie unter vielen. Sogar eine konstruktive. Wenn man leidet, dann ist man bloß häufig alles andere als konstruktiv. Man ist destruktiv. Und ich war so verdammt destruktiv. Habe Schmerz, Elend und Qual förmlich heraufbeschworen. Unzählige Male habe ich mich im Keller wiedergefunden, in der Box gewühlt und einen Hoodie nach oben in meine Wohnung getragen. Nur um dann weinend in seinem Hoodie auf meinem Bett zu sitzen und die letzten Reste vom Geruch seines Waschmittels aufzusaugen, als wäre es Kokain.
Wozu?
Mhm, wozu tut man sich selbst so etwas an? Keine Ahnung, ehrlich nicht.
Irgendwann habe ich realisiert, dass mich die Hoodie-Sache kein Stück weiter bringt. Also bin ich mit dem Hoodie wieder in den Keller und habe ihn in der Box vergraben. Unzählige Male habe ich dieses Spiel mit mir gespielt.
Schreckliches Spiel.Ein weiteres schreckliches Spiel bestand darin, jeden gottverdammten Tag mindestens dreimal in die Suchleiste bei Google 'Julian Brandt' einzugeben. Wie besessen habe ich Artikel gelesen und Fotos herangezoomt. Wenn ich so richtig im Selbstquälmodus war, habe ich mir natürlich besonders gerne ein bestimmtes Foto angesehen. Julian und Clara. Es stellt sich wieder die Frage, wozu?
Warum tut man sich selbst absichtlich weh?Man sagt ja, dass Sport bei Stressabbau hilft. Würde ich auch definitiv so unterschreiben, nur gibt es eine Voraussetzung. Man darf dabei nicht gegen sich selbst kämpfen. Das meine ich nicht wortwörtlich, sondern im übertragenen Sinne. Ich bin joggen gegangen. Das tue ich schon sehr lange, also eigentlich nichts neues. Neu war bloß, dass ich deutlich länger und deutlich schneller unterwegs war.
Ich wollte mich selbst besiegen.
Mich fertig machen.Dafür gibt es jedoch keine Trophäe. Deine Lunge brennt lediglich höllisch und du musst vor Anstrengung in den Busch vor deinen Wohnblock kotzen, während dir deine Nachbarn kopfschüttelnd dabei zusehen. Ich kann nicht genau sagen, was unangenehmer war, das Kotzen an sich oder im Zentrum der Aufmerksamkeit meiner Nachbarn zu stehen. Glücklicherweise habe ich dadurch dann begriffen, dass mein Körper eigentlich nicht mein Feind, sondern mein Freund ist.
Und Freunde behandelt man gut.
Ich bin mein Freund.Es hat gedauert, bis ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin. Wahrscheinlich ist der Weg das Ziel, wie man so schön sagt. Es ist nicht so, als hätte ich das vorher nicht gewusst. Natürlich habe ich das gewusst.
Jeder weiß das.
Doch es gibt eben Situationen oder Phasen, in denen man dennoch nach dem kompletten Gegenteil handelt.
Vielleicht, um sich irgendwie zu bestrafen.
Vielleicht, um sich selbst zu spüren. Vielleicht, weil man es nie anders gemacht hat.
Am Ende des Tages sollte man sich wahrscheinlich die Frage stellen, wenn man gegen sich selbst kämpft, für wen kämpft man dann eigentlich?
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Zwischen zwei Welten // Julian Brandt
FanfictionAmina führt ein ziemlich normales Leben: sie studiert und jobbt nebenbei, um sich über Wasser zu halten. Julian führt kein ziemlich normales Leben. Er ist Fußballprofi beim BVB und lebt den scheinbaren Traum vieler Jungs. Zwei Welten, die sich nie...