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~ Julian

Ich habe verdammt gut geschlafen. Das ist mein erster Gedanke, als ich so langsam aufwache. Dann erst spüre ich den Körper, der mir so unglaublich nah ist. Amina. Ich öffne vorsichtig ein Auge und versuche mich nicht zu bewegen. Ich liege auf dem Rücken, meinen Arm um Amina gelegt, die seitlich auf mir liegt. Ihr Kopf ruht auf meinem Schlüsselbein, ihre Hand liegt auf meiner Brust. Unsere Beine sind irgendwie miteinander verknotet.

Was zur Hölle ist hier passiert? Wieso liegen wir so? Und wieso...fühlt es sich so verdammt...gut an?

Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Wir haben geredet, so wie immer.
Wir haben herumgealbert, so wie immer.
Und dann haben wir gekuschelt, so wie noch nie.

Als Amina plötzlich zu mir unter die Bettdecke gekrochen kam, hatte ich Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Sogar zwischen den Zehen. Ich hatte keine Ahnung, dass man da Gänsehaut bekommen kann. Ich konnte mich nicht bewegen, weil mich das so durcheinander gebracht hat. Weil ich es irgendwie gut fand. Als sie dann plötzlich ihre Hand wieder von meiner Brust nehmen wollte, hatte ich dieses Stechen in meinem Herzen. Irgendwas in mir hat sie dann zurückgehalten. Und dann bin ich irgendwie einfach in ihrem Arm  eingeschlafen. Viel schneller und viel tiefer, als ich es normalerweise tue.

'Denk jetzt bloß nicht darüber nach!'

Das waren ihre Worte. Ich soll mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, weil es nichts bedeutet? Weil sie bloß wollte, dass ich einschlafen kann? Woher wusste sie überhaupt, dass das funktionieren würde? Ich wusste es doch nicht mal.

Ich habe hunderttausend Fragen in meinem Kopf und nur eine leise Befürchtung:

Für eine platonische Freundschaft fand ich es ein bisschen zu gut.

Fuck

In dem Moment bewegt Amina ihren Kopf, reibt sich mit ihrer Hand die Augen und schaut mich dann an. Erschrocken sieht sie aus. Ruckartig setzt sie sich auf. Fast schon panisch wirkt sie. An den Stellen, an denen Amina eben noch mich berührt hat, weht plötzlich eine frostiger Wind. "Sorry...ich wollte nur, dass du einschläfst, also... " Den Satz lässt sie unbeendet, aber irgendwie sagt er alles.

Es bedeutet nichts.

"Alles gut. Es war ja nichts.", sage ich knapp und versuche zu lächeln. Amina schaut mich an und nickt dann. "Stimmt, es war nichts."

Ich würde lügen, wenn ich sage, es tut nicht weh. Ich habe plötzlich Gefühle, die ich in der Form nicht kenne, bin maßlos verwirrt und für sie war es nichts. Meine Schläfe beginnt zu pochen.

Amina rutscht vom Bett herunter, nimmt sich frische Kleidung und ihre Waschtasche und verschwindet dann aus dem Zimmer. Ich setze mich auf und ziehe meine Beine heran. Die Ellenbogen auf meine Knie gestützt, massiere ich meine pochende Schläfe.

Es war nichts.
Es bedeutet nichts.
Ich fühle nichts.
Es ist alles normal.

Ich versuche es mir einzubläuen. Versuche es wirklich zu glauben. Vielleicht brauche ich einfach Zeit. Vielleicht gehen diese verwirrten Gefühle von alleine wieder weg. Vielleicht ist wirklich alles noch so, wie es gestern war.

Als Amina wieder in mein Zimmer kommt, rappele ich mich auf, nehme meine Klamotten und verschwinde im Bad. Das kalte Wasser in meinem Gesicht hilft ein bisschen. Betäubt ein bisschen. Angezogen verlasse ich wieder das Bad und gehe direkt nach unten ins Wohnzimmer. Ich kann gerade nicht mit Amina allein sein.

Jannis und Jascha sind schon wach. "Guten Morgen. Ich sehe, ihr habt euch vertragen.", sage ich grinsend zu den beiden. Statt einer netten Antwort bekomme ich jedoch nur böse Blicke.
Kurz darauf kommt Amina die Treppe hinunter. "Moin", sagt sie lächelnd und wird gleich von Nala begrüßt. Alles, so wie immer. Im Gegensatz zu mir wird Amina von den Jungs nett begrüßt. Alles, so wie immer. "Ich geh mit Nala eine Runde spazieren, ja?", fragt Amina mich. Ich nicke bloß. "Kann ich mitkommen?", fragt Jascha plötzlich hellwach und springt gleich vom Sofa auf. "Klar", antwortet Amina belustigt. Jannis starrt mich nachdenklich an.

Zwischen zwei Welten // Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt