Amina ~
"Ughhh. Ich krieg die Krise mit mir.", platzt es aus mir heraus.
Sechs Augen schauen mich verblüfft an. In den Gesichtern meiner Freundinnen spiegeln sich unzählige Fragezeichen. Eigentlich nicht anders als bei mir. Denn auch ich habe diese gottverdammten Fragezeichen.
Überall.
Ich bin praktisch ein einziges, großes, wandelndes Fragezeichen. Und das, obwohl ich die Antworten haben sollte. Schließlich sind es ja meine Fragen. Ich sollte sie nicht nur haben, nein, ich brauche diese verdammten Antworten. Doch stattdessen klafft hinter jeder Frage nichts als gähnende Leere. Riesige schwarze Löcher, in denen ich zu verschwinden drohe.
Seufzend halte ich mir die Hände vor's Gesicht.
Wie soll ich das ertragen?
Eine Frage.
Dahinter: wieder mal ein großes schwarzes Loch."Warum kann ich ihn nicht einfach hassen?!", frage ich verzweifelt.
Das ist eine der größten Fragen.
Eine der schwersten.
Eine der dunkelsten.
Man könnte meinen, dass sich hinter den größten Fragen auch die größten schwarzen Löcher befinden. Das wäre nur logisch. Doch wir reden von Gefühlen. Und Gefühle sind nun einmal unlogisch. Streng genommen kenne ich nämlich die Antwort auf diese Frage, auch wenn ich mir das nicht so wirklich eingestehen möchte.Ich habe mich in Julian verliebt.
Das ist die Antwort.
Das ist das warum.Eigentlich ja was Schönes.
Betonung liegt auf eigentlich.
Denn uneigentlich ist es nur schön, wenn diese Gefühle erwidert werden.
Und tja, das ist mir nicht vergönnt.
Stattdessen verhält er sich, wie ein Idiot.Wer glaubt, dass man sich nur in Menschen verliebt, die sich einem gegenüber nicht idiotisch verhalten, war eindeutig noch nie verliebt.
Verlieben ist keine rationale Entscheidung.
Verlieben ist eben verlieben.
Ein fieser Hormoncocktail, der evolutionär gesehen den Sinn hat, die Chance auf Nachkommen zu erhöhen. Weil er den präfrontalen Cortex, der rationales Denken ermöglicht, ausschaltet und stattdessen das limbische Belohnungssystem auf Hochtouren hält. Dopamin überschwemmt das Gehirn und lässt uns euphorisch werden. Macht uns blind.Verliebte sind so gesehen eigentlich nichts anderes als Kranke.
Das Gefühl verliebt zu sein, ist wie eine Sucht.
Das Verhalten Verliebter, wie ein Zwang.
Glückwunsch.Die Frage, warum ich ihn nicht hassen kann, ist also keine Frage, sondern eine verzweifelte Bitte, gepaart mit einem elenden Vorwurf an mich selbst:
Bitte lass mich ihn doch einfach hassen.
Das kann ja nicht so schwer sein.Doch ist es. Es ist verflucht schwer.
Ich blicke in die vertrauten Gesichter, in der Hoffnung, dort Antworten auf meine Fragen zu finden. Besser noch als 'finden', wäre 'präsentiert' bekommen. Finden impliziert nämlich, dass man etwas sucht.
Suchen aber ist anstrengend.
Suchen bedeutet Orientierungslosigkeit. Suchen bedeutet Unsicherheit.
Ich hasse suchen.Man weiß nie, ob man findet, wonach man sucht. Also wäre es mir lieber, ich könnte meine Fragen einer kompetenten Person stellen und dann würden mir postwendend Antworten präsentiert. Eine genaue Anleitung wäre toll, die ich nur noch befolgen muss.
Für jeden Schritt schön grüne Häkchen setzen.Doch auf die meisten Fragen gibt es eben keine einfachen Antworten, weil die Fragen an sich schon komplex sind.
Ich frage mich schließlich nicht, was 1+1 ist oder wie hoch der Anteil an Sauerstoff in der Luft ist. Das wären Fragen, auf die es eindeutige Antworten gibt.
Ich frage mich auch eigentlich nicht, warum ich Julian nicht hassen kann. Die Frage ist zwar schon komplizierter, aber wie bereits erörtert, kenne ich ja die Antwort.Meine eigentliche Frage, die hinter alledem steht, lautet: Wie werde ich glücklich?
Das ist eine wirklich komplizierte Frage, die schon die größten Philosophen, wie Aristoteles und Sokrates umgetrieben hat.
Ob sie wohl ihr Glück gefunden haben?
DU LIEST GERADE
Zwischen zwei Welten // Julian Brandt
FanfictionAmina führt ein ziemlich normales Leben: sie studiert und jobbt nebenbei, um sich über Wasser zu halten. Julian führt kein ziemlich normales Leben. Er ist Fußballprofi beim BVB und lebt den scheinbaren Traum vieler Jungs. Zwei Welten, die sich nie...