118

566 29 28
                                    

Julian ~

Heute ist es soweit.
So richtig.

—-
Dringende Anweisungen für Date - Night heute Abend:

Komm nicht pünktlich (also nicht 18:00) und schon gar nicht Amina-pünktlich (also nicht 17:45 und auch nicht irgendwann in den darauffolgenden 15 Minuten). Am besten wäre, du kommst Jannis-pünktlich (also frühestens 18:15). Und wenn du dann Jannis-pünktlich da bist, musst du unbedingt klingeln. Klingel, nicht Schlüssel. Alles klar?
Wehe, du hältst dich nicht dran!
—-

Wie man sieht, ist es ernst und ich habe einen Plan. Einen ausgeklügelten Masterplan, dessen Abweichung eine Katastrophe bedeuten würde. Also wird nicht davon abgewichen. Unter keinen Umständen. Im Prinzip kann das ja auch gar nicht so schwierig sein, schließlich habe ich mir Gedanken gemacht und alle Eventualitäten in meine Planung einbezogen.
Mein Plan ist sozusagen wasserdicht.

Aber auch zerbrechlich.

Aus dem Flur ertönt ein hässliches Klirren, wie Glas auf Glas, auf noch mehr Glas. Es ist die eine Eventualität, die ich in meiner Planung nicht bedacht habe. "Nalaaaa!" Fluchend schiebe ich mein Handy in die Hosentasche, ehe ich durch die Küche bis in den Flur schlittere, wo die Abweichung meines Master - Plans seelenruhig auf ihren Hinterläufen sitzt und sich in den unschuldigsten Hundeblick überhaupt hüllt. Neben ihr stapelt sich mein Master - Plan in Form von Kartons und Einkaufstüten, von denen eine verkehrt herum auf dem Boden liegt. Ein Windstoß muss es gewesen sein, würde Nala behaupten, wenn sie es könnte. Vorsichtig luke ich in die Tüte, die dabei wieder hässlich klirrt und hoffe, dass mein Plan nur zerbrechlich, nicht zerbrochen ist.

Ich habe Glück.
Der Glasbruch hält sich in Grenzen.
Ich atme erleichtert aus.

"Wenn du mir das versaust, Nala, dann ziehst du aus. Das kannst du glauben." Nala betrachtet mich und meine Warnung mit schief gelegtem Kopf, als würde sie tatsächlich noch immer behaupten, es wäre ein Windstoß gewesen. Träum weiter, Nala.

Aus meiner Hosentasche tönt ein 'Pling'. Ein Nachrichten - Pling. Ohne Nala aus den Augen zu lassen, ziehe ich das Handy hervor und checke das 'Pling.
Eine neue Nachricht von Amina.

—-
Mir war bis eben überhaupt nicht nach Lachen. Wirklich nicht. Und dann kam deine wirklich seltsame Nachricht und ich musste es doch. Keine Ahnung, was du vorhast, aber ich freue mich auf heute Abend. Sehr.
Ich bemühe mich, Jannis-pünktlich zu kommen.

Nur für dich, Juli.
—-

Schmunzelnd stecke ich mein Handy wieder ein, wobei mir die Uhrzeit darauf einen kleinen Herzinfarkt beschert. Spätestens jetzt wird es ernst, wenn ich Jannis-pünktlich mit meinem Master - Plan fertig werden will. Die Kartons und Einkaufstüten schleppe ich auf die Terrasse, von der ich Nala sicherheitshalber ausschließe.
Windstoß hin oder her.

Dann mache ich mich an mein Werk.

Zuerst das Glas, mein zerbrechliches Element. In den Kartons und Einkaufstüten stapeln sich unzählige Gläser. Marmeladengläser, Gewürzgurkengläser, Babygläser, Tomatensoßengläser. In allen Formen und Größen. Die letzten Wochen habe ich fleißig gesammelt und gesäubert. Etiketten abgelöst und Marmeladenreste entfernt. Und weil das immer noch nicht gereicht hat, habe ich angefangen, meine Kollegen in der Kabine nach ihrem Altglas zu fragen. Ob ich Geldprobleme hätte und ob sich da als Einnahmequelle nicht doch eher Pfandflaschen eignen, wurde ich gefragt. Ob inzwischen jemand ahnt, worum es wirklich geht, weiß ich nicht sicher. Zumindest bei Marius habe ich aber die Vermutung, dass er es ahnt. Sonst hätte er mich vermutlich nicht fünf Mal gefragt, ob ich nun genug hätte oder er noch welche besorgen solle. Aber es reicht. Selbst mit einigen Gläsern, die Nala (oder dem Windstoß) zum Opfer gefallen sind, reicht es.

Zwischen zwei Welten // Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt