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Julian ~

Erst als es klingelt, (sagt man das Videoanrufen überhaupt so?) begreife ich langsam auf welch idiotische Idee ich gekommen bin. Ich weiß nicht was mich geritten hat, als ich auf den Button Videoanruf gedrückt habe.

Ehrlich gesagt, wollte ich mich nur für ihre Nachricht für das Spiel bedanken. Ich hab sie in der Kabine zwischen dem Aufwärmen und dem Anpfiff gelesen und mich echt gefreut. Tja und dann hat sich irgendwie mein Finger verirrt und sie angerufen.

Ein fröhliches aber überraschtes "Hey" holt mich wieder zurück. Sie hat tatsächlich den Anruf angenommen. "Heeey" gebe ich zurück. Irgendwie bin ich richtig überfordert, ich weiß nicht was ich sagen soll.

Zum Glück nimmt Amina den Faden in die Hand und sagt: "weißt du, dass mir vor Schreck erstmal das Handy aus der Hand gefallen ist, als du angerufen hast." Sie hält sich etwas beschämt, beide Hände vor das Gesicht und lacht.

Ihr Lachen ist unheimlich ansteckend und entspannt mich. Ich lache mit ihr. "Ich dachte wir haben das geklärt, ich bin nicht Nelson Mandela". Sie nimmt ihre Hände vom Gesicht und legt sie um ihr Gesicht "sei froh, da wäre ich höchstwahrscheinlich nicht rangegangen". Wir müssen beide wieder lachen.

Als wir uns beide wieder etwas beruhigt haben, sage ich: "Danke dir für deine Nachricht übrigens vor dem Spiel. Du scheinst ja einen ganz guten Draht zum Fußballgott zu haben" ich schmunzele. Da schaut sie mich ganz entrüstet an, hebt ihre Arme und sagt in ernstem Ton: "Julian, ich bin der Fußballgott". Ich breche lachend zusammen, ihre Mimik und Gestik ist einfach urkomisch.

"Mensch Julian, dein Lachen ist wirklich ansteckend." sagt sie mit Lachtränen in den Augen. Gespielt entrüstet entgegne ich: "was soll ich denn sagen? Ich habe morgen mit Sicherheit mehr Muskelkater im Bauch, als in den Beinen. Und das wird ganz allein deine Schuld sein". Ich grinse und nehme einen Schluck Wasser. Sie legt ihren Kopf schief: "oohh, mimimi" und zieht ein wehleidiges Gesicht, während sie mit ihrem Zeigefinger eine Träne nachmimt, die aus ihrem Auge abwärts fließt.

Ich brech ab.

Ich pruste Wasser quer über den Küchentresen, an dem ich sitze, bis auf mein Handy. Ein bisschen hab ich das Gefühl vor Lachen zu sterben. Ich glaube das ist eine ganz passable Art zu sterben. Um mich herum bekomme ich nicht viel mit.

Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, sehe ich wie sich Amina vor Lachen krümmt. Fünf Minuten dauert es, bis wir wieder sprechen können.

Ich glaube ich bin schon ein wirklich positiver Mensch, der oft so seine Späße mit macht und viel lacht, aber so wie heute?

Es ist aber nicht bloß der Humor, der uns verbindet. Wir sprechen über alles mögliche, wie damals im ICE. Sie erzählt von ihrem Studium (sie ist maximal unterfordert und genervt davon), ihrer Arbeit mit einer Autistin (anspruchsvoll aber durchaus lustig und erfüllend), ihrem Praktikum in einer Beratungsstelle, das sie zusätzlich zum Studium und der Arbeit macht (ihr Traum von Arbeitsplatz). Wir reden über beste Freunde (Flo und Kai), Familie, wohin wir irgendwann einmal unbedingt reisen wollen (Amina: Island, ich:  Mauritius) und und und.

Die Zeit scheint zu rennen. Irgendwann schaue ich auf die Uhr und stelle erschrocken fest, dass es bereits 01:00 Uhr ist.

"Oh Gott, das wird ja eine kurze Nacht." entfährt es ihr. Ich bin verwundert, da doch Wochenende ist. "Häh? Es ist doch Sonntag? Was hast du denn vor?". Sie grinst "Tja Julian der Tag geht eben nicht in der Gießkanne auf". Ich habe keinen blassen Schimmer was das bedeutet. "Das geht in die Richtung der frühe Vogel fängt den Wurm.", erklärt sie mir dann. "Ich hab mich zum Frühstück bei meinen Eltern angekündigt und da muss ich 6:30 Uhr mit dem Bus los fahren.". Nun mache ich ihre Geste mit der Träne, die an der Wange hinabläuft. "Du lernst schnell.", meint Amina lachend. 

Zwischen zwei Welten // Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt