Zwischen zwei Welten // Julian Brandt

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Julian ~

Gott, hab ich mies geschlafen. Erst konnte ich nicht einschlafen, weil ich immerzu an Aminas Nachricht gedacht hab und nicht wusste, wie ich reagieren soll. Dann bin ich ständig aufgewacht.

Irgendwann hab ich geträumt, dass ich an einem Bahngleis stehe und eigentlich in den Zug vor mir steigen will. Es ist aber kein schöner ICE, sondern irgendeine alte S-Bahn, überfüllt mit Menschen. Ich hab das Gefühl, ich will wirklich einsteigen, aber etwas hält mich zurück. Vielleicht weil volle S-Bahnen immer eine Tortur sind. Also bleibe ich am Gleis stehen. Als ich aus dem Traum hochgeschreckt bin, hab ich mich unglaublich fertig und leer gefühlt.

Rein inhaltlich kann ich gar nicht sagen, dass die Entscheidung nicht einzusteigen schlecht war. Ich meine es gibt wohl nichts schlimmeres, als BVB Spieler in Dortmund zur Rushhour in eine volle S-Bahn zu steigen und nicht erkannt werden zu wollen.

Und dann habe ich gedacht, der Traum könnte etwas mit Amina zu tun haben. Einerseits will ich weiter mit ihr schreiben und sie kennenlernen, andererseits hält es mich zurück, weil ich schon häufiger so Bekanntschaften hatte und es am Ende nie um mich ging, sondern immer um den Profifußballer.

Aber was wollte der Traum mir nun sagen? Sollte ich ihr nicht schreiben oder sollte ich ihr schreiben?

Nachdem ich um vier Uhr immernoch wach war, beschloss ich ihr zu schreiben. Offensichtlich konnte ich ja auch nicht schlafen, ohne ihr zu schreiben.

Und dann schrieb ich vier Nachrichten, ohne überhaupt zu wissen, was ich sagen wollte.

Nachdem ich meine Erinnerungen an die letzte Nacht wieder etwas sortiert habe, ziehe ich mein Handy vom Ladekabel und lese meine neuen Nachrichten: Drei Nachrichten in unserem Familienchat, alle von unserer Mutter, die uns Mal wieder nach unserer Meinung zu irgendwelchen neuen Pflanzprojekten befragt.

Ich habe keine Ahnung von Pflanzen, in meiner Wohnung gibt es nur Sukkulenten und Kakteen, die überleben mich einigermaßen. Daher mache ich schnell ene-mene-muh und gebe der verbliebenen Pflanze einen Daumen nach oben.

Dann sehe ich noch eine weitere Nachricht. Von Amina. Noch immer etwas zwiegespalten, öffne ich ihre Nachricht.

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Guten Morgen,
so hab ich das tatsächlich noch gar nicht betrachtet. Manchmal sieht man eben den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Du hast ja mega früh geschrieben 😱. Ich hoffe das bedeutet nicht, dass du schlecht geschlafen hast?
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Ich finde es ziemlich süß, dass sie sich um meinen Schlaf sorgt.

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Moin, ja leider hab ich echt schlecht geschlafen, keine Ahnung warum. Naja wird schon.
Was hast du heute vor?
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Dass ich nicht weiß, warum ich schlecht geschlafen hab, ist natürlich eine Lüge. Wie soll ich das aber bitte erklären? Ich meine, ich kenn sie ja nicht einmal richtig.

Als ich aus dem Badezimmer zurückkomme, höre ich, dass eine neue Nachricht auf meinem Handy eingeht.

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Eigentlich treffe ich mich heute mit Freundinnen zum Wandern und Picknicken. Nur geht die Definition von Wandern zwischen mir und meinen Freundinnen ganz schön weit auseinander. Da leben wir in verschiedenen Welten. Ich bin mir nicht einmal sicher ob es sich lohnt, die Wanderschuhe anzuziehen. 😂
Du hast heute ein Spiel, oder?
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Das bringt mich zum Grinsen. Amina scheint ziemlich aktiv zu sein. Im ICE hatte sie damals auch Wanderschuhe an, fällt mir dabei ein. Das bringt mich noch weiter zum Grinsen. Ich meine wer, unter 30 Jahren, trägt denn schon seine  Wanderschuhe, auf einer sechs stündigen Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln?

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Ich hoffe ihr seid dann wenigstens beim Picknick auf einer Decke. 🙈
Ja genau, wir spielen gegen Wolfsburg.
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Haha, ja essen geht dann wieder 🤭
Wie ist das für dich, bist du nervös vor den Spielen? Ich fand Spieltage ja immer ganz furchtbar früher, ich konnte vor Aufregung nicht Mal was zum Frühstück essen.
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Was? Sie hat früher Fußball gespielt? Ich weiß gar nicht warum ich überrascht bin oder warum das für mich einen Unterschied macht. Plötzlich hab ich das Gefühl, dass in mir eine Mauer zerfällt. Eine Mauer, der Vorsicht und Zurückhaltung.

Ein anderes Bild fügt sich in mir zusammen. Vielleicht ist es ihr so peinlich mich nicht erkannt zu haben, weil sie den Fußball liebt. 

Vielleicht, aber auch nur vielleicht kann ich bei ihr nicht nur Julian Brandt sein, sondern Julian.