Es war merkwürdig, die Frau, die mich auf die Welt gebracht hatte, die immer stolz und perfekt zu sein schien, egal ob um fünf Uhr morgens, wenn sie Frühstückte, oder um zwanzig Uhr abends, wenn sie es an einem der wenigen Tage geschafft hatte, schon vor Mitternacht zu hause zu sein und die Nachrichten zu verfolgen, so zu sehen. Ich hatte meine Mutter nie im Pyjama gesehen, nie mit zerzausten Haaren, nicht einmal ohne Make Up. Sie war immer und zu jedem Zeitpunkt Perfektion und verlangte dies auch von uns. Ich glaube, sie hat früh erkannt, dass ich diesem Bild in ihren Augen nicht entsprechen konnte, doch meistens war sie darum bemüht, mir das nicht allzu offensichtlich aufzuzeigen.
Diesen stolzen, kalten, oft auch mir gegenüber, grausamen Menschen nun so vollkommen unperfekt, mit zerstörter Frisur, verwischter Schminke und blutiger Unterlippe, etwas dass ich dem Köter nicht einmal verübeln konnte, nachdem sie ihn erst gebissen und dann ins Gesicht gespuckt hatte, zu sehen war seltsam aber nicht... schmerzhaft.
Warum nur ließ es mich so kalt, den Menschen, der für mein Leben verantwortlich gewesen war, so zu sehen? Vielleicht lag es daran, dass sie zugegeben hatte, Kira hier gefangen gehalten zu haben, weil sie eine letzte Chance nutzen wollte, aus ihrem missratenen Bastard noch einen ehrbaren Mann zu machen, der nicht mit einer Hure in Verbindung gebracht wurde und so den Ruf ihres Unternehmen schädigte. Das aus ihrem Mund zu hören war viel schmerzhafter als ich angenommen hätte, auch wenn es mir im Grunde klar war. Dass sie brüllte, dass ich für sie gestorben sei, traf mich nicht halb so schlimm, denn dieses Gefühl gab sie mir schon so lange, dass ich es verinnerlicht hatte. So erfüllte es mich fast schon mit Genugtuung, als Maxim ihr erneut ins Haar griff, ihren Kopf in den Nacken zog und leise knurrte: „Das war ein Fehler Misses, wenn ihnen nicht bald einfällt, wer in Frage käme, diese Tür geöffnet und Kira hier herausgeholt zu haben, wird ihnen wenig Zeit bleiben, ihren Bastard weiter niederzumachen. Spielen sie nicht mit meiner Geduld, das mag mit ihm klappen, aber ich bin kein geduldiger Mensch, der sich zurechtweisen lässt, Aziza, also zum letzten Mal, WER WUSSTE VON DIESEM ORT?"
Mit einem heftigen Ruck riss er ihren Kopf noch weiter in den Nacken, umschloss ihre freigelegte Kehle mit der Hand und ließ sie gurgeln. Aus einem mir unbekannten Grund war dieser Anblick für mich nicht erträglich, auch wenn ich über alle Maßen hoffte, sie würde endlich, nach all den Stunden in Maxims Gewalt, eine nützliche Antwort geben. Jeden Moment, den sie verstreichen ließ, ohne irgendwie hilfreich zu sein, bedeutete einen Moment mehr, den meine Göttin litte.
Zudem war Maxims Frage gerechtfertigt, denn dieses Lager lag weit außerhalb Berlins, in einem längst aufgegebenen Gebiet. Hier stolperte niemand zufällig mit einem Schneidbrenner her, um sich durch zwei Türen zu brennen, weil weit hinter der ersten jemand hätte sein können, den man, selbst wenn meine Göttin geklopft und geschrien hätte, von außen gar nicht hören konnte. Nein, sie war hier nicht zufällig gerettet worden, um dann nicht zur Polizei zu gehen oder anderweitig Hilfe zu holen, sie war hier rausgeholt worden, weil man sie entweder vor meiner Mutter retten wollte oder sie für sich allein beanspruchte.
„Wer hat sie versorgt?" fragte ich leise, nicht wagend mich zu der zappelnden Frau unter Maxims unbarmherzigen Griff umzudrehen. „Du warst es sicher nicht, Du würdest Dir Deine Hände niemals schmutzig machen. Also, wer hat sie hier hergebracht und ihr das Wasser gegeben? Amir? Hakim? Omar? Yasin? Wer Mutter, wer hat sie für Dich hier eingesperrt?"
Noch immer hörte ich das stampfende Klackern ihrer Absätze unter ihrem Röcheln, das mir verriet, dass sie zappelnd in Maxims Griff hing und wandte mich mit einem Ruck zu ihnen um. Mit wenigen Schritten war ich bei ihnen, umklammerte Maxims Handgelenk und funkelte in das Wut verzerrte Gesicht des Mannes: „Wenn Du sie jetzt tötest, haben wir gar nichts, lass sie antworten!" und tatsächlich klärte sich sein beinah abwesender Blick unter meinen Worten ein wenig und er ließ sich von mir wegreißen. Geräuschvoll rang meine Mutter nach Luft, hätte sicherlich ihren Hals umklammert, wären ihre Hände nicht höchstwahrscheinlich genauso gebunden gewesen, wie es meine Göttin vor kurzem noch ertragen musste. Trotzig sah sie aus, mit geplatzten Äderchen und tränennassen Augen zu mir auf und hatte tatsächlich die Dreistigkeit mich anzugrinsen. „Find es selber raus Zemmel! Von mir erfährst Du gar nichts. Ich wünsche Dir von Herzen, dass er zu spät kam und er sie lange Grund eines Gewässers entsorgt hat." spuckte sie mir entgegen.

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Mistress?
Fiksi UmumEs gibt Menschen, die gleichen einem Geschenk. Sie tragen Dich auf Händen, lesen Dir jeden Wunsch von den Augen und sind dankbar für Deine Aufmerksamkeit. Kira hat das große Glück diese Geschenke ihre Kunden nennen zu dürfen. Auch wenn sie oft Straf...