Kapitel 63

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Gegen frühen Abend fand der Erste von zwei Probentagen sein Ende und die gesamte Arena wirkte mit einem Mal wie leergefegt. Einzig Mint hatte noch nicht den Weg zurück ins Hotel gefunden. Warum sollte sie schon gehen, wenn niemand auf sie wartet. Hier konnte sie ihre Zeit wenigstens sinnvoll nutzen und die Soundprobleme beim Keyboard beheben, anstatt alleine in einem überdimensionalen Doppelbett zu liegen und die Decke anzustarren. Selbstmitleid bringt ihre Beziehung nicht zurück. Alle Einstellungen am Mischpult nochmals erneut, setzte Mint sich an das Instrument und ließ ihre Finger ein paar Akkorde spielen. Viel besser. Ein klarer und deutlicher Klang ohne rauschen oder kinstern. Zufrieden lächelte sie als die Verbrennungen an ihrem Bauch zu Schmerzen begannen. Sitzen ist nun wirklich nicht die Krönung aller möglichen Positionen. Stehen oder liegen, hauptsache ihr Oberkörper bleibt grade. Für die nächsten Minuten schluckte sie das unangenehme Stechen und die Spannung ihres Bauchs allerdings zu Seite. Aus den einzelnen Akkorden entwickelte sich ein Lied, in dessen Melodie die Tonfrau mit ihrer weichen Stimme einstieg, "What have I done?... I wish I could run... Away from this ship going under... Just trying to help out everyone else... Now I feel the weight of the world is on my shoulders... What can you do when your good isn′t good enough... And all that you touch tumbles down? ...'Cause my best intentions keep making a mess of things... I just wanna fix it somehow... But how many times will it take?... Oh, how many times will it take for me to get it right?... To get it right... Can I start again with my faith shaken?... ′Cause I can't go back and endure this... I just have to stay and face my mistakes.. But if I get stronger and wiser, I'll get through this...", ließ sie ihre tiefste Seele sprechen. Inzwischen ist Musik, dank Michael, wie eine kleine Therapie für sie geworden. Gedanken und Gefühle, die sich scheuten, über ihre Lippen zu kommen, fanden schließlich durchs singen einen Ausweg in die Freiheit und erlösen ihren Kopf. Ein befreienes Gefühl, wenns auch oft nicht lange anhält. Doch für den Moment vollkommen ausreichend, um einmal durchzuatmen und alle Gedanken zu sortieren. Obwohl ihr das Sortieren in diesem bestimmten Fall schwer fiel. Alles fühlte sich wie ein Traum an, so als käme ihr Freund jede Sekunde hinter der Bühne hervor und klatscht, während ein stolzes Lächeln seine Lippen schmückt. Mutlos seufzte sie. Die Welt könnte untergehen, in der Ostesee leben Eisbären oder an Weihnachten herrschten tropische Außentemperaturen, alles äußerst unwahrscheinliche Szenarien und dennoch realistischer wie ein plötzliches auftauchen von Michael. Zwei Tränen flossen rechts und links über ihre Wangen, mit ihrem Handrücken verwischte sie diese eilig, bevor noch mehr folgten. Wollte sie wirklich, dass er jetzt hier ist. Oder sehnte ihr Körper sich nur nach dem Gefühl von menschlicher Nähe und Geborgenheit. Vielleicht ein bisschen. Allerdings wollte sie dieses Gefühl ausgelöst durch seine Gegenwart spüren. Kann niemand den Tag aus ihren Kopf löschen und dafür sorgen, dass alles wieder wie vorher ist. Sie möchte ihn nicht gehen, aber auch nicht länger mich sich spielen lassen. Eine vernünftige, gesunde Beziehung mit jemandem der sie wirklich will, zu schätzen weiß und nicht wegwirft. Dieser perfekte Mensch wird sie jedoch niemals wollen, nicht mehr jetzt, wo ihr kompletter Oberkörper gezeichnet von dem Wasserkocher ist... und bei ihrem Glück auch bleiben wird. Damit würde auch der Musiker sie nie zurücknehmen. Erst verscheucht er sie, nur um sie dann unattraktiver und beschädigt zurück zu holen. Schleichend verschwand ihre Wut auf ihn, ersetzt durch den Schmerz ihn zu vermissen. In ihrem Herzen ist kein Raum für einen anderen Mann und wird es auch niemals geben. Selbst wenn das bedeutet, dass sie für immer alleine bleibt. So sicher fühlte sich Mint zuletzt in ihrer Überzeugung, als sie ihren Eltern nach ihrem Abschluss mitteilte, welchen Beruf sie gerne ergreifen möchte. Eine Entscheidung, die sie nie bereut hat. Wenigstens durfte sie für eine kurze Zeit, ein einziges Mal im ihrem Leben glücklich sein und verstehen was es heißt gemocht und ein bisschen geliebt zu werden. Nun heißt es nach vorne schauen, Mauer neu errichten und weiter machen.

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