62. Aufbruch

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Míriel pov.

So schnell sie konnten trugen meine mit Matsch verspritzen Pfoten mich zurück nach Edoras. Unter meinem Gewicht konnte ich die Erde nachgeben spüren, trotz ihrer Trockenheit, ich hörte, wie das vertrocknete gelbe Gras leise brach, hörte wie in der Nähe ein junger Rehbock panisch davonsprang, als ich ihm zu nah kam. Ich konnte ihn riechen, sein Blut beinahe auf meiner Zunge schmecken und ich hörte, wie sein Herzschlag sich in seinem Brustkorb beschleunigte. Und so verlockend es auch klang, wenigstens ein einziges Mal wieder zu jagen, so wusste ich, doch mir blieb keine Zeit dazu. Auf keinen Fall durfte ich mich nun ablenken lassen. Gandalf vertraute mir immerhin und er erwartete eine Antwort.

Die Stadt kam in Sicht. Gerade in dem Moment als alle sich von der Beerdigung König Theodens Sohn zurückzogen. Denn wie wir erfahren hatten, war der junge Prinz im Kampf gegen die feindlichen Orks schwer verwundet worden und schließlich seinen Wunden hier in Edoras erlegen, während sein Vater unter Sarumans Fittichen gestanden hatte.

Wenige Meter vom Tor entfernt erst verwandelte ich mich zurück, passierte mit schnellen Schritten die letzten Meter und stürmte an den verdutzt schauenden Wachen vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Für Erklärungen hatte ich nun keine Zeit. Außerdem fehlte mir dazu auch definitiv die Lust. Suchend blickte ich mich auf meinem Weg nach Gandalf oder einem anderen der Gefährten um, doch fand sie schließlich erst im Thronsaal der goldenen Halle. Alle vier waren sie anwesend, ebenso wie der Hauptmann der Stadtwache, der Harma hieß, der König selbst und seine Nichte die junge Blondine Eowyn, die gerade einem kleinen Mädchen und einem Jungen eine Decke überlegte. Beide Kinder saßen auf einer Bank mit einer dampfenden Schüssel Suppe vor sich auf dem Tisch, beruhigend redete Eowyn auf sie ein, während beide immer wieder nach ihrer Mutter fragten. Verwirrt trat ich näher, bis ich schließlich direkt neben Legolas stehen blieb. Der Elb hatte die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete mit skeptischer Miene den König, der sichtlich besorgt im Thronsaal von links nach rechts und wieder zurücklief.

„Du bist zurück!" Fiel es dem Elben schließlich auf und prompt legte sich ein schmales Lächeln auf seine Lippen. Schmunzelnd darüber das meine Rückkehr einige Zeit lang unbemerkt geblieben war nickte ich. Gleichzeitig stieg Sorge in mir auf, denn wenn selbst Legolas mein Kommen nicht bemerkt hatte, musste er tief in Gedanken versunken sein und das konnte bei dem sonst so aufmerksamen Elbenprinzen wohl kaum etwas gutes bedeuten.

„Sag Míriel was konntest du in Erfahrung bringen?" Fragte Gandalf hoffnungsvoll. Leise seufzte ich und ließ die Schultern hängen. „Es ist wie wir befürchtet haben." Verriet ich dem Zauberer, dessen Miene sich augenblicklich verdunkelte.

„Schlangenzunge ist auf direktem Wege nach Isengard geflohen." Meine Stimme klang bitter und kalt. Außerdem konnte ich nicht verhindern das sich ein kleiner Teil in mir, gegen Aragorn richtete. Denn der Waldläufer war es gewesen der den König nach seiner Heilung davon abgehalten hatte, Grima Schlangenzunge wegen seines Verrats hinzurichten. Schlangenzunge hatte daraufhin sofort seine Chance ergriffen, ein Pferd gestohlen und die Stadt verlassen. Woraufhin Gandalf mich nur kurz danach losgeschickt hatte, um die Verte des Menschen zu verfolgen und in Erfahrung zu bringen, wohin er ritt.

„Wir müssen handeln, König Theoden. Jetzt schneller denn je, Schlangenzunge kennt die Stadt und zusammen mit Saruman kann er uns alle ins Verderben stürzen!" Drängte Aragorn den König zu einer Handlung. Stille kehrte im Saal ein, kaum blieb der König stehen. Langsam, wie in Zeitlupe, wandte er sich Aragorn zu, der dicht an der Seite des Königs stehen geblieben war.

„So sattelt die Pferde, wir reiten nach Helms Klamm."

Und damit war eine Entscheidung des Königs gefällt.

~

„Helms Klamm!" Regte ich mich beinahe synchron zu Gandalf auf, während Aragorn, Gimli, Legolas und ich dem Zauberer zu den Ställen folgten.

„Die Hornburg ist eine Festung, aus der kein Weg herausführt! Er führt uns damit nur noch mehr ins Verderben!" Beschwerte ich mich bei dem Zauberer, der zustimmend nickte. „Auch mir ist kein Weg bekannt, der aus dieser Schlucht herausführt, sollte der Feind euch übermächtig werden." Gab der Zauberer niedergeschlagen zu bedenken. Deutlich konnte ich die unterdrückte Wut aus seiner Stimme heraushören.

„Der König tut nur, was er für das Richtige hält." Verteidigte Aragorn den König, gleichzeitig öffnete er Gandalf Schattenfells Boxentüre. Der weiße Hengst hob schnaubend den Kopf, als er seinen Reiter erblickte. Lobend streichelte ihm Gandalf über den Hals, während ich mich nun wütend Aragorn zuwandte.

„Dann hält er wohl das falsche für richtig! Aragorn wenn der Feind kommt ... und das wird er, dann sterben wir in dieser Festung wie die Fliegen! Theoden hat keine Krieger, um die Hornburg zu verteidigen!" Zwar hatte ich die Hoffnung Aragorn mit meinen Worten so etwas wie Vernunft eintrichtern zu können, doch ich konnte am Blick des Dunedain sehen das ich scheiterte. Wütend schnaubte ich und wandte mit einem leichten Kopfschütteln meinen Blick von ihm ab. Gandalf saß inzwischen hoch oben auf Schattenfellsrücken. Eindringlich fixierten seine blauen Augen nun mich und den schräg hinter mir stehenden Aragorn.

„Nein! Míriel, Aragorn die Hornburg darf nicht fallen! Nicht, solange ihr und Theoden noch steht."

„Was hast du vor?" Ich hob eine Augenbraue und musterte den Zauberer. Schmal verzogen sich seine Lippen unter seinem langen weißen Bart zu einem Lächeln.

„Erwartet mein Kommen am ersten Licht des fünften Tages." Versprach der Zauberer und ehe einer von uns die Chance bekam, etwas zu erwidern drückte er Schattenfell die Fersen in die Flanken und der weiße Hengst preschte im Galopp aus dem Stall und dann durch das Tor hinaus aus Edoras, in die weiten vertrockneten Felder Rohans hinein. Kopfschüttelnd aber doch mit neuer Hoffnung blickte ich dem Zauberer nach, wissend das uns nun nichts anderes übrigblieb als ihm zu vertrauen.

~

Unser Aufbruch war überraschend schnell, meiner Meinung nach, gegangen. Vorräte, Heilmittel, Waffen und wenige andere Kleinigkeiten der Menschen waren auf Rinder-, Esel- und Pferdekarren geladen worden. Ebenso saßen die Alten, Kranken und Jüngsten auf solchen Karren. Der große Rest des Volkes musste laufen. Nur die Ritter und der König selbst hatten fein gestriegelte und gesattelte Pferde unter sich, ebenso wie meine Gemeinschaft. Denn Gimli hatte wieder hinter Aragorn platz gefunden und ich saß erneut vor Legolas auf Arod und hatte mich mit gemischten Gefühlen gegen den Elben gelehnt, um in Ruhe nachdenken zu können.

Fakt war: Die Hornburg durfte nicht fallen. Und wir mussten Gandalf vertrauen.

Klang beinahe zu einfach. Und dennoch, weder wussten wir, was der Zauberer vor hatte, noch wussten wir zu diesem Zeitpunkt wer unser Feind sein würde und wie zahlreich er vor den Mauern der Hornburg erscheinen würde, war uns ebenfalls unbekannt. Eine Ungewissheit die ich hasste, wie kaum etwas anderes.


Wolfsmädchen || LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt